piwik no script img

wortwechselVerrat hat viele Gesichter

Jamaika verrät die Rentner und die Neuen Energien. Sozialdemokraten und Regierung verraten Arbeiter und Asylbewerber, und die Grünen sich selbst, uns alle und die Eisbären

Offene Rentenflanke

betr. „Den Spielraum vergrößern“,

taz vom 10. 11. 17

Die Jamaika-Sondierungen lassen eine nachhaltige Lösung des Rentenproblems bisher nicht erkennen. 34- bis 49-Jährige können nur noch eine Rente von 38 Prozent des letzten Bruttolohns erwarten. Bleibt es dabei?

Wie wird die Altersversorgung von prekär oder gar nicht Beschäftigten aussehen? Wo bleibt die Anerkennung und Wertschätzung, wo bleibt die Partizipation an der Gesellschaft?

Die Rentenschwäche trug zum Absturz der letzten Großen Koalition und zum Erstarken der Rechtsradikalen entscheidend bei. Die Angst vor dem sozialen Abstieg ließ bei der letzten Bundestagswahl mehr als die Hälfte der Männer Ostdeutschlands AfD wählen! Jamaika läuft Gefahr, diese Entwicklung zu verstärken. Jamaika muss eine wertschätzende Sozialpolitik liefern; ansonsten geht Deutschland einer äußerst gefährlichen Zukunft entgegen.

Zur Stabilisierung des Rentenniveaus bei 55–60 Prozent ist eine Wiedererhebung der Vermögensteuer die logische Lösung. Mit einem Steuersatz von 1 Prozent und einem Freibetrag von 1 Million Euro pro Person.

Als steuerliche Entlastung zur Wiedererhebung der Vermögensteuer könnte der Solidaritätszuschlag wegfallen. Dieser Kombi-Vorschlag wäre ein Game-Changer-Argument in den Jamaika-Verhandlungen, mit einem Win-win-Ergebnis für alle Beteiligten.

Eberhard Müller, Schönwalde-Glien

Die Grünen verwässern

betr. „Man kann ja mal drüber reden“,

taz vom 12. 11. 17

Brauchen wir diese Jamaika-Koalition wirklich? Wenn die Grünen nicht mehr ihren ökologischen (und sozialen) Umbau und Handelspolitik umsetzen können? Wenn die Grünen ihr Wahlprogramm und ihre Wähler wirklich wertschätzen, dann müssten sie eigentlich jetzt „Tschüss“ sagen. Oder sollte man ihre Ausrede akzeptieren, „wir können mit 9 Prozent nicht alle unsere Ziele durchsetzen“? Dann wäre es ehrlich, wenn die Grünen ihren Bürgern sagen, wo die Grenze des Machbaren für ihre politischen Ziele sind. Aber dann brauchen wir doch gar kein Wahlprogramm – wenn dies nur als Richtlinie gelten soll!?

Wenn die Grünen, die auch ich gewählt habe, immer mehr Kompromisse machen und ihr Programm zur Unkenntlichkeit verwässern, dann sollten sie den Mut haben, die Verhandlungen abzubrechen. Der Popanz Neuwahlen ist noch gar nicht sicher. Es gibt auch andere Optionen und das könnte spannend werden!

Sven Bohl, Niebüll

Möchtegernproleten

betr. „Sechs Stunden am Tag sind genug“,taz vom 14. 11. 17

… und wer hat uns verraten? na, wer war’s? der versuch sozialdemokratie sollte endlich abgebrochen werden. diese möchtegernproleten sind einfach nur unerträglich. Boris Krumm, Hopfgarten

Offene Energieflanke

betr. „Siemens Gamesa streicht bis zu 6.000 Stellen“,taz vom 13. 11. 17

Diese Meldung gehört auf die Titelseite. Wir, die Leser wie auch die taz-Redaktion, sollten uns vernehmlich gegen die Klimapraxis unserer Regierung stellen. Wie die Entwicklung zeigt, ist der vom Wirtschafts- und Energieministerium eingeschlagene Weg der Begrenzung/ Deckelung des Ausbaues erneuerbarer Energien falsch. Falsch, weil der Wandel des Klimas schneller ist als der Rückbau der emittierenden Quellen (Heizung, Verkehr, Stromerzeugung). Es ist jedoch noch schlimmer. Die sich entwickelnde Zukunftsindustrie (PV, Windkraft) wird von diesen Weichenstellungen behindert, ja aufs Spiel gesetzt. Das Industrieland Deutschland verliert seine Zukunftsfähigkeit, weil die Regierung die teureren Altindustrien schützt und damit das kommende, auch noch preiswertere Neue verzögert.

Klaus Warzecha, Wiesbaden

Internierung

betr.: „Sie suchten Schutz“,

taz vom 11. / 12. November 2017

Überall in diesem Land wird im Allgemeinen evaluiert: in Krankenhäusern, ja sogar in jedem Volkshochschulkurs wird den TeilnehmerInnen am Ende ein Zettel in die Hand gedrückt und um eine „Benotung“ gebeten. Aber in den Unterkünften für Geflüchtete interessiert das Wohlbefinden der Insassen eben nicht. Um Geflüchtete leichter abschieben zu können, werden sie in Bamberg in einem riesigen Zentrum „interniert“, während ihnen jegliche Rechtsberatung verwehrt wird. Mittlerweile wird eher darauf geachtet, dass abgelehnte AsylbewerberInnen das Land schnell verlassen, als dass anerkannte Geflüchtete sich schnell integrieren. So verkommen die Unterkünfte zu Orten, an denen viele BewohnerInnen unwürdig behandelt werden, Integration verhindert und Recht gebrochen wird. Unwürdig für ein Land, das so stolz auf seine Kultur ist.

Helga Schneider-Ludorff, Oberursel

Keine Gerichtsposse

betr.: „Das Gericht als Bühne“,

taz vom 10. 11. 2017

Liebe tazzen, auf ganzen zwei Seiten habt Ihr die „kreative Prozessführung“ gewürdigt, die in Deutschland endlich wieder eine gewisse Belebung erfährt. Dafür, dass dem Thema so viel Raum gewidmet wurde, möchte man meinen, es sei wenigstens auch differenziert abgehandelt worden, aber das ist nicht der Fall. Die Autorin erweckt den Eindruck, als sei es quasi der Lebensinhalt von Leuten wie Cecile Lecomte oder Jörg Bergstedt, einen Prozess nach dem anderen durchzuziehen und die Gegenseite zum Wahnsinn zu treiben. Sie sitzt damit der verleumderischen Argumentation des Staates auf, die Lecomte auch schon mal unterstellt hat, sie habe gewissermaßen ein psychisches Problem und wolle nur ihre eigene Person in den Vordergrund rücken. Wie wäre es dagegen einmal anzunehmen, es sei tatsächlich ihr Anliegen, dem Transport von Castorbehältern mit Atommüll ein Ende zu setzen? Gerd Büntzly, Herford

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen