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„Prozess in Deutschland möglich“

Vor zwei Jahren zwang die Stiftung Urgenda die niederländische Regierung mit einem Gerichtsurteil zum Klimaschutz. Das funktioniert überall in einem guten Rechtssystem, sagt ihr Rechtsberater

Dennis van Berkel

ist Rechtsberater der niederländischen Stiftung Urgenda, deren Ziel die schnelle Transformation in eine nachhaltige Gesellschaft ist.

Interview Bernhard Pötter

taz: Herr van Berkel, geht das ehrgeizige Klimapaket der Regierung auf Ihre Klage zurück?

Dennis van Berkel:Vor drei Jahren, vor unserem Prozess, war Klimawandel ein Un-Thema. Es war extrem schwierig für Politiker, dieses Thema überhaupt anzusprechen. Die Grüne Partei musste kämpfen, dass der IPCC-Bericht im Parlament debattiert wurde. Und der Chef der damals größten Fraktion leugnete, dass es einen menschgemachten Klimawandel überhaupt gibt.

Aber bei den jüngsten Wahlen war Klima plötzlich ein Thema. Warum?

Unser Prozess hat die Dynamik im Parlament verändert. Plötzlich gab es viele Vorschläge, die weit über den Gerichtsbeschluss hinausgingen. Es gab eine Mehrheit dafür, alle Kohlekraftwerke sofort abzuschalten. Oder ab 2025 keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen.

Welches Argument überzeugte das Gericht?

Wir waren uns mit der Regierung über die Fakten einig. Sie hat anerkannt, dass Klimawandel eine große Gefahr ist, dass das Land die Emissionen reduzieren soll und auch, dass die Regierung nicht genug dafür tat, die 2-Grad-Grenze einzuhalten. Ihre Position war: Stimmt alles, aber wir machen nichts, weil auch andere nichts machen. Das Gericht sagte: Das ist nicht akzeptabel. Wir haben auf der einen Seite Daten, die auch von der Regierung anerkannt werden, auf der anderen Seite kein Handeln.

Das Gericht hat also die politischen Absichten der Regierung zum Klimaschutz juristisch gegen sie gewendet?

So einfach war es nicht. Diese politischen Zusagen waren nicht juristisch bindend. Das Gericht sagte: Wenn der Klimawandel so unglaublich gefährlich ist, dann gibt es eine Verpflichtung für die Regierung, zu handeln. Und dann hat es geschaut, was die Regierung tun musste – und was die Regierung selbst sagte, was notwendig war.

Ist das ein spezieller Fall, der nur in den Niederlanden passieren konnte?

Nein. Es kann überall passieren. Es gibt kein bestimmtes Gesetz dazu in den Niederlanden. Was Sie brauchen, ist ein funktionierendes Rechtssystem. Wenn jemand eine große Gefahr verursacht, muss er dafür haften. Wenn Sie ein Auto beschädigen, müssen sie dafür zahlen. Aber beim Klimawandel sind diese Kosten nicht geklärt.

Die deutsche Regierung hat gerade zugegeben, ihr Klimaziel nicht zu schaffen. Könnte man da klagen?

Es gibt definitiv das Potenzial für einen Klima-Prozess auch in Deutschland.

Nur weil die Regierung ihre Versprechen nicht hält?

Nein, nein, so einfach ist das nicht. Es geht nicht nur um das Versprechen. Aber wenn die Regierung anerkennt, dass es notwendig ist, zu handeln, um eine Gefahr zu verhindern, und dann nichts tut, kann sie dafür haftbar sein. Wenn Deutschland sagt, wir müssen 40 Prozent reduzieren, um die Gefahr zu verringern, dann kann man das vor Gericht nutzen.

Ist Klimaschutz nicht eine politische Frage, die nicht vor die Gerichte gehört?

Das Gericht hat sich in unserem Fall auch dazu geäußert. Wenn eine Entscheidung politische Konsequenzen hat, heißt das nicht sofort, dass es ein politische Frage ist. Oft entscheiden Gerichte in Fällen, wo Leute politische Ansichten haben – wie bei der Homo-Ehe. Aber weil der Klimawandel so gefährlich ist, werden Rechte verletzt, und das ist eine juristische Frage.

Weltweit gibt es Dutzende von Prozessen zum Klimawandel. Ist das die nächste Welle beim Kampf gegen den Klimawandel?

Ich denke, ja. In den letzten zwei Jahren haben diese Fälle enorm zugenommen. Und das ist nur der Anfang. Die Prozesse sind kein Selbstzweck, sie sollen Regierungen dafür verantwortlich machen, zuzuhören und zu sagen: Hört mal, das müssen wir machen, wir haben uns weltweit geeinigt, den Klimawandel unter 2 Grad zu halten.

Ist das Pariser Klima-Abkommen dafür die Basis?

Wenn man einen juristisch bindenden Vertrag hat, in dem alle Regierungen anerkennen, wir müssen den Klimawandel bei 2 Grad stoppen, dann ist das enorm wichtig. Denn wenn wir, wie jetzt, in Richtung 3 Grad unterwegs sind, ist das eine offensichtlich gefährliche Situation. Das kann man vor Gericht verwenden.

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