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Saubere Stöffchen

Korrekt gekleidet zwischen allen Stühlen: Die Firma Lebenskleidung verkauft Ökostoffe. Mit dem Bündnis für nachhaltige Textilien fremdelt das Unternehmen noch immer

Aus Berlin Heike Holdinghausen

Dritter Aufgang in den hellgelb geklinkerten „Höfen am Engelbecken“, ein altes Industriegebäude mitten im Berliner Bezirk Kreuzberg. Im ersten Obergeschoss auf 300 Quadratmetern lichtes Chaos, ein altes Sofa hier, überfüllte Schreibtische dort, von wegen papierloses Büro – auch wenn die junge Firma voll und ganz aufs Internet setzt.

Im fensterlosen Besprechungszimmer sitzt, umstellt von Holzregalen voller Stoffmuster, Enrico Rima. Der 36-Jährige ist einer von drei Gründern der Firma Lebenskleidung. Ihr Geschäftsmodell: „Probleme von kleinen und mittelgroßen Öko-Designern lösen“, sagt Rima. Er arbeitet nicht nur im Vorstand des Internationalen Verbandes Naturtextil (IVN) mit, sondern vertritt sein Unternehmen seit zwei Jahren auch im Bündnis für nachhaltige Textilien von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU).

Lebenskleidung bietet Stoffe an – von Leinen über Jerseys bis zu Cord und Strick. „Viele Modelabel, die ökologisch produzieren, sind zu klein für eigene Aufträge an Strickereien und Webereien“, sagt Rima. Dort müssen Designer Hunderte von Metern abnehmen und bezahlen – für die oft jungen Ökofirmen nicht machbar. Lebenskleidung ist der Stofflieferant für die Nische, verkauft im Onlineshop Stoffe ab einem Meter, im Schnitt werden zwischen zehn und dreißig Meter bestellt.

Alle Stoffe tragen das anspruchsvolle Öko-Siegel Gots. Das heißt, sie bestehen aus kontrolliert biologischen Fasern, etwa aus Baumwolle oder Recycling-Kunststoff, die ohne giftige Chemikalien gesponnen, gefärbt und gewebt wurden – von Arbeitern und Arbeiterinnen, für die bestimmte Sozialstandards gelten. Ein Stoff mit Gots-Siegel geht also weit über ein Gewebe aus „kontrolliert biologischer Baumwolle“ hinaus.

Obwohl die Firma Waren nach höchstem Öko-Standard verkauft, gehört sie nicht zu den Vorreitern im Textilbündnis, die schon jetzt ihre Nachhaltigkeitsziele für 2017 veröffentlicht haben. Diese Roadmaps sind ein Kernstück der Bündnisarbeit. In den Roadmaps mussten sich die Mitglieder Ziele für 2017 setzen, etwa wie sie den Anteil an nachhaltigen Naturfasern erhöhen wollten. Ob sie diese aber veröffentlichen, blieb ihnen dieses Jahr noch freigestellt, ab 2018 sind sie dazu verpflichtet.

Nur 19 der 87 berichtspflichtigen Unternehmen haben ihre Ziele schon in diesem Jahr veröffentlicht – eine Enttäuschung für Minister Müller, er hatte auf die Hälfte der Unternehmen gehofft. Doch die Wirtschaft hält sich bedeckt – gerade auch die kleinen und mittelständischen Öko-Unternehmen, die eigentlich nichts zu verbergen haben.

Viele Öko-Label sind zu klein für eigene Aufträge an Strickereien und Webereien

„Ich wollte erst mal sehen, was aus dem Bündnis wird und was die großen konventionellen Unternehmen wirklich bereit sind zu leisten“, sagt Rima, „ich hatte keine Lust darauf, dass das Bündnis mit unsrem Namen PR machen kann, ohne dass ich weiß, in welche Richtung es sich entwickelt“. Der studierte Umweltwissenschaftler hat bei einem einjährigen Auslandssemester in Indien die katastrophalen Bedingungen der dortigen Textilindustrie kennen gelernt und zusammen mit Kommilitonen beschlossen, Stoffe für „saubere Kleidung“ zu liefern. Insgesamt acht Leute arbeiten inzwischen für Lebenskleidung, „genau die richtige Größe, sodass wir mittags noch zusammen kochen können und ich von jedem den Geburtstag kenne“, sagt Rima. Natürlich habe seine Firma andere Interessen und Arbeitsweisen als die internationalen Konzerne im Textilbündnis.

„Die Ökos sitzen zwischen allen Stühlen“, sagt Heike Hess, Geschäftsführerin des IVN, lange Zeit prominent im einflussreichen Steuerungskreis des Textilbündnisses vertreten. „Für die NGOs könnten wir noch transparenter sein“, sagt Hess, „die halten etwa das Gots-Siegel in Sachen Sozialstandards nicht für ausreichend“. Und für die konventionellen Unternehmen sind die Öko-Standards von Unternehmen wie Maas-Natur, Hess-Natur oder eben Lebenskleidung zu anspruchsvoll. Auf lange Sicht muss das Bündnis beweisen, dass die Öko-Pioniere auch hineingehören“, sagt Hess.

Wer will, kann Austrittsgedanken heraushören. Was wäre das Textilbündnis ohne die Unternehmen wert, die schon vorleben, dass sich Mode ökologisch und sozial herstellen lässt? Wohl weniger als jetzt. Und wie wichtig ist Rima die Mitgliedschaft im Bündnis? „Eher nicht so prioritär“, sagt er, „wir wollten die Initiative als kritische Beobachter unterstützen“. Sein Fazit nach drei Jahren Textilbündnis: „Jede Tonne Biobaumwolle mehr im Handel verbessert das Leben von vielen Menschen“.

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