: Keine neuen Flüchtlinge nach Salzgitter
Integration Vor der Landtagswahl reagiert der niedersächsische Ministerpräsident Weil auf einen Brandbrief des Oberbürgermeisters und kündigt an, den weiteren Zuzug per Erlass zu unterbinden. Die Grünen halten das Vorgehen für rechtswidrig
Anerkannte Geflüchtete können in Zukunft nicht mehr nach Salzgitter ziehen. Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kündigte an, den Zuzug mit einer „negativen Wohnsitzauflage“ begrenzen zu wollen, per Erlass des Innenministeriums. Durchs Parlament muss die Entscheidung deshalb nicht. In Salzgitter gebe es einen „überproportionalen Zuzug von Zuwanderern“, sagte Weil. Auch für die Städte Delmenhorst und Wilhelmshaven werde die Auflage geprüft. Zudem stellt das Land den drei Städten insgesamt 20 Millionen Euro für die Integration zur Verfügung.
Weil es in Salzgitter viel günstigen Wohnraum gibt, sind in den vergangenen beiden Jahren viele syrische Geflüchtete in die Stadt gezogen. Bei einer Einwohnerzahl von rund 106.000 Menschen leben hier 5.700 Geflüchtete. Etwa 2.900 Menschen kamen erst, nachdem sie als Flüchtlinge anerkannt wurden und sie sich ihren Wohnort selbst aussuchen konnten.
„Wir kommen allmählich an unsere Grenzen“, sagte Bürgermeister Frank Klingebiel (CDU). Denn für die Geflüchteten müssten Sprachkurse, Kita- und Schulplätze geschaffen werden. In manchen Kindergärten hätten jetzt schon über 80 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund.
Klingebiel hatte in einem Brandbrief Hilfe vom Ministerpräsidenten gefordert und sich auch für eine Wohnsitzauflage in Niedersachsen ausgesprochen. „Es geht nicht darum, dass wir etwas gegen Flüchtlinge hätten“, sagte Klingebiel. Aber eine „Atempause“ beim Zuzug sei notwendig, wenn man sich um die Menschen, die schon da seien, kümmern wolle.
Durch das Bundes-Integrationsgesetz von 2016 ist es den Ländern möglich geworden, Wohnsitzauflagen zu erteilen und auch den Zuzug in eine Stadt zu unterbinden, wenn zu erwarten sei, „dass der Ausländer Deutsch dort nicht als wesentliche Verkehrssprache nutzen wird“. Laut Weil hat es eine negative Auflage bisher nirgends in Deutschland gegeben.
Ginge es nach seinem grünen Koalitionspartner, hätte das auch so bleiben können. „Ich persönlich bin sauer“, sagte der Abgeordnete Belit Onay. Für die „menschenrechtsbasierte Flüchtlingspolitik“ der Koalition sei der Erlass ein Rückschritt. „Diese Obergrenze für Flüchtlinge ist integrationsfeindlich“, sagte Onay. Gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention hätten anerkannte Flüchtlinge das Recht, ihren Aufenthaltsort selbst zu wählen. „Daran ist auch Niedersachsen gebunden“, sagte der Grüne und vermutete, dass ein Verwaltungsgericht den Erlass wieder kippen könnte.
Gleichzeitig mit der Wohnsitzauflage gab Weil bekannt, dass die drei Städte 20 Millionen Euro bekommen, die im Haushalt für Integration eingeplant waren. Das Geld solle in den Ausbau von Kitas, lokale Projekte und die Arbeitsmarktförderung fließen. In allen drei Städten liegt die Arbeitslosigkeit über dem niedersächsischen Durchschnitt. Am 15. Oktober wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. rea
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