Rheinland Für sein Koch- und Genussbuch „Geländegang“ hat der Journalist Johannes Arens das Kölner Umland durchstreift. Ein Gespräch über Foodhunting, regionale Erzeuger und Flönz: „Meiden Sie Höfe mit Maislabyrinth!“
Interview Jörn Kabisch
taz.am wochenende: Herr Arens, mit „Geländegang“ haben Sie ein ganz spezielles Kochbuch veröffentlicht. Es vereint Reportagen über Produzenten aus der Kölner Region mit Rezepten, einer neuen kölschen Küche. Erschienen ist das Buch aber nur im Selbstverlag …
Johannes Arens: Wir waren auch mit Verlagen im Gespräch. Doch der regionale Fokus des Projekts verhinderte unter anderem eine Zusammenarbeit. Die rheinische Küche hat keinen guten Ruf, habe ich festgestellt. Ein Verlag riet uns, das Buch lieber in Bayern zu machen.
Was, keinen guten Ruf? Der Boden ist fruchtbar, die Region liegt an der Grenze zu Belgien und den Niederlanden. Und wenn ich dann noch an Gerichte wie Himmel un Äd oder Sauerbraten denke. Das steht doch für Esskultur!
Absolut. Sie könnte allerdings besser gepflegt sein. Gerade wenn man über die Grenze rüber nach Belgien kommt, ist der Unterschied sehr sichtbar. Dort gibt es viel mehr kleine produzierende Betriebe. Die Vielfalt ist ausgeprägter. Auf der deutschen Seite dominiert die von Monokulturen geprägte Landwirtschaft, wie wir sie heute kennen.
Gerade in Köln werden viele traditionelle Gerichte angeboten.
Aber sie sind meist nachlässig gekocht und verharren in einer alten Gutbürgerlichkeit. Ich kann schon verstehen, wenn sich Menschen mehr Innovation wünschen.
Im Ihrem Buch versuchen Sie das, da gibt es ein Rezept für Flönz, also eine Blutwurst. Aber nicht klassisch mit Apfelmus und Kartoffelpüree, sondern mit Couscous. Es heißt „Flönz für Imis“.
Wobei „Imis“ ein kölscher Ausdruck ist, der für alle Zugezogenen gilt.
Das, was man in Bayern mit Zugroastn meint?
So in etwa. Jan C. Maier und Tobias Becker hatten sicher das Migrantische im Blick, als sie das Rezept entwickelten …
… Maier und Becker betreiben in Köln das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant maiBeck und sind gewissermaßen die Protagonisten in „Geländegang“. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Das war eigentlich Zufall. Ich habe vor ein paar Jahren mal bei der TV-Show „Das perfekte Dinner“ mitgemacht und verdient verloren. Ich habe damals ein regionales Menü gekocht, ein Gang mit limburgischem Klosterschwein. Ein paar Monate später war ich zufällig im maiBeck. Einer der beiden sprach mich auf die Sendung an, mit einem Zwischengang vom Klosterschwein in der Hand. So haben wir uns kennengelernt, und wenig später entstand die Idee für die gemeinsamen Besuche bei Produzenten in der Umgebung. Inzwischen sind wir gut befreundet.
Und es ging darum, regionale Produkte für das Restaurant zu finden?
Nein, wir wollten vor allem wissen, was es alles Gutes um Köln herum zu finden gibt. Aber natürlich hatten alle dabei Hintergedanken. Meiner war bald, ein Buch mit Reportagen daraus zu machen, die Köche hatten natürlich Interesse, neue Produkte zu finden, und unser Fotograf Danny Frede wollte spannende Bilder machen.
Wie war die Reaktion der Erzeuger und Bauern, als Sie sich zu ihnen einluden?
Man konnte spüren, wie neu und auch fremd das vielen war. Mit den Endkunden haben die wenigsten zu tun. Wenn dann noch Journalisten dabei sind, die sich umsehen wollen, weckt das auch Skepsis – die Landwirtschaft steht fast ständig in der Kritik. Aber die Befangenheit legte sich schnell. Meist arbeiten diese Leute ja schon seit Jahrzehnten mit großer Leidenschaft und eher im Verborgenen. Damit auf Interesse zu stoßen, das hat alle am Ende sehr gefreut.
Was waren die schönsten Erlebnisse?
Es gab viele. Wir durften auf einer Kartoffelerntemaschine mitfahren. Ein Riesenspaß, wir fühlten uns wieder wie Kinder. Und ich erinnere mich auch gern an den Besuch in der Blutwurstfabrik von Struzina-Rauschen in Köln. Der Metzger fasste mit dem ganzen Arm in die dunkle Wurstsuppe und rührte darin herum. Anders, sagte er, ginge es nicht, um zu prüfen, ob die Flönz am Ende die richtige Konsistenz bekomme.
Was soll das Buch bringen?
Wenn es zu mehr Bewusstsein für regionale Produkte führt, würde mich das freuen. Und auch wenn es Menschen motiviert, sich auf Food-Safari zu begeben und Hersteller zu besuchen.
Was ist das Schöne daran?
42, ist studierter Kulturanthropologe und arbeitet in Köln als Autor, Journalist und Berater mit dem Schwerpunkt Esskultur, unter anderem auf seinem Blog Nachschlag. Noch lieber als an der Schreibmaschine verbringt er seine Zeit in der Küche. Das Buch „Geländegang“ ist im Mai erschienen und kann auf www.gelaendegang.de bestellt werden.
Man bekommt ein anderes Gefühl für die Zutaten, wenn man sieht, wie sie hergestellt werden. Das ändert das Bewusstsein, die Wertschätzung, auch den Respekt vor diesen Produkten. Es schmeckt anders, vielleicht sogar intensiver. Und: Die Menschen können einem auch unschätzbare Tipps geben, wie man mit den Produkten umgeht.
Haben Sie als geübter Foodhunter Tipps für Neulinge?
Vor allem einen: Meiden Sie Höfe mit Maislabyrinth! Denn es gibt natürlich auch in der Landwirtschaft Betriebe, die die Event-Ökonomie entdeckt haben. Gutes Essen und die Qualität der Produkte stehen hier aber nicht immer im Vordergrund.
Geht es mit den Geländegängen weiter?
Auf jeden Fall. Im Juni haben wir alle Produzenten eingeladen, die in dem Buch vorgestellt werden. Schon das war eine tolle Begegnung. Ein Forellenzüchter und ein Tomatenbauer treffen sich im normalen Leben nie. Aber an dem Abend haben viele festgestellt, wie viel sie teilen. Die Leidenschaft für ihre Produkte, aber natürlich auch die Schwierigkeiten und Probleme, die man als kleiner Erzeuger immer wieder hat.
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