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EU wird „militärische Macht“

Europäische Union Die Kommission will ein Europa, „das sich verteidigt und schützt“. Militär und Rüstung sollen eine viel größere Rolle spielen. Gelder soll es auch geben

Aus Brüssel Eric Bonse

Mehr als 60 Jahre lagen die Pläne für eine „Europäische Verteidigungsgemeinschaft“ auf Eis. Frankreich hatte 1954 ein Veto eingelegt, seither war die Verteidigung eine nationale Angelegenheit. Doch damit soll nun Schluss sein.

Die EU-Kommission legte am Mittwoch in Brüssel weitreichende Pläne vor, die an die EVG der 50er Jahre erinnern. Europa könne eine „militärische Macht“ werden, heißt es in einem „Reflexionspapier“, das die EU-Außenbeauftragte Federica Mo­ghe­rini gemeinsam mit dem Kommissionsvizepräsidenten Jyrki Katainen präsentierte.

Eine europäische Armee bleibe zwar tabu, so Mogherini. Die EU will auch keine „Doppelstrukturen“ mit der Nato schaffen und keinen autonomen „europäischen Pfeiler“ im atlantischen Bündnis bilden. Dennoch bedeutet die Initiative einen Bruch mit der bisherigen Politik.

Die militärische Forschung, Entwicklung und Beschaffung soll über einen „europäischen Verteidigungsfonds“ in Brüssel zentralisiert und massiv gefördert werden. Ab 2020 könnte der Fonds über ein jährliches Budget von 5 Milliarden Euro verfügen.

Finanziert werden soll diese Aufrüstung zunächst über Gelder aus dem laufenden EU-Haushalt; später könnten auch nationale Mittel hinzukommen. Investitionen in die Rüstung könnten sogar aus der Berechnung des nationalen Budgetdefizits herausgerechnet werden. Bisher war vor allem Deutschland dagegen.

Doch angesichts massiven Drucks aus den USA hat sich der Wind gedreht. US-Präsident Donald Trump fordert größere Anstrengungen für die Rüstung. Beim Nato-Gipfel Ende Mai in Brüssel hatte er den Europäern – und vor allem Deutschland – deshalb sogar eine Standpauke gehalten.

Gleichzeitig hat Großbritannien seinen Widerstand gegen eine europäische Verteidigungspolitik gelockert. „Der Brexit und Trump machen möglich, was noch vor Kurzem undenkbar war“, kommentieren EU-Diplomaten die Wende. Allerdings ist diese Wende noch nicht perfekt. Sowohl der Rüstungsfonds als auch die Schaffung einer Militärunion brauchen noch die Zustimmung der 28 Mitgliedstaaten. Und die Verteidigungsunion ist nur eine von drei Optionen. Die EU-Kommission hält auch ein „Weiter so“ (mit Zusammenarbeit auf freiwilliger Basis) und eine „geteilte Verantwortung für Sicherheit und Verteidigung“ für möglich.

Ein „europäischer Verteidigungsfonds“ in Brüssel soll massiv gefördert werden

Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat jedoch längst klargemacht, wo seine Präferenz liegt: Er will „ein Europa, das verteidigt und schützt“, sagte der Luxemburger bereits bei seinem Amtsantritt 2014. In seiner Rede zur Lage der Union im Herbst 2016 hatte er auch schon die Schaffung des Rüstungsfonds angekündigt.

Frankreich und Deutschland haben bereits Zustimmung signalisiert. Der neue französische Staatschef Emmanuel Macron fordert ebenfalls ein „Europa, das schützt“ – die Positionen gleichen sich bis aufs Wort. Und die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen teilte mit, dass sie Junckers Vorschlag „ausdrücklich“ unterstütze.

Kritisch bis ablehnend äußerten sich dagegen Grüne und Linke. „Man kann nicht ständig mehr erwarten vom EU-Haushalt, ohne dass man mehr reintut“, sagte der Chef der Europa-Grünen, Reinhard Bütikofer. Die Pläne der EU-Kommission bedeuteten einen „Dammbruch“ zugunsten der Rüstungslobby, kritisierte Sabine Lösing von der Linken. Damit werde der Konsens gebrochen, dass EU-Gelder nicht für militärische Belange verwendet werden dürften.

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