Anna Klöpper schaut zu, wie Achtklässler sich mit Hass im Netz auseinandersetzen: Was Mobbing mit einem macht
Die Jungs aus der 8b schauen die Journalistin ein bisschen befremdet an. Hate Speech, was’n das. „Wir sind nett zueinander“, sagt Leon treuherzig. Dienstagmorgen in der Freien Schule in Pankow, ein Workshop der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der Telefónica-Stiftung zu Hass im Internet und wie man damit umgeht. In Kleingruppen sitzen die Jugendlichen zusammen und sollen sich zunächst mal überlegen, wo ihnen Mobbing im Netz begegnet. „Ich fand die Beleidigungen in unserem Klassenchat echt sinnlos, da hab ich mich abgemeldet“, sagt einer.
Das Workshop-Projekt tourt durch mehrere deutsche Städte, diese Woche ist Station an fünf Berliner Schulen. Neben Cybermobbing geht es grundsätzlich um die Themen Zusammenhalt und Vielfalt: am Neuköllner Albert-Schweitzer-Gymnasium haben Schüler am Montag eine Website für anonymisierte Bewerbungsverfahren entworfen, sodass Geschlecht oder Herkunft keine Rolle spielen, ob jemand ein Vorstellungsgespräch bekommt.
Nun kann man zu Recht kritisieren, dass ein Konzern wie Telefónica, zu dem etwa O2 gehört, an den Schulen präsent sein darf. Man kann sich zu Recht fragen, warum solche Angebote nicht über die gemeinnützigen Träger im Gewaltpräventionsprogramm der Senatsbildungsverwaltung laufen.
Sinnvoll ist das Anti-Hate-Speech-Projekt aber allemal. Die Statistik der Bildungsverwaltung zu gemeldeten Gewaltvorfällen an den Schulen zeigt seit einigen Jahren eine steigende Tendenz bei Mobbing und Beleidigungen. Und was uns da besonders Sorgen macht, sagen Schulpsychologen und Lehrer unisono, sind Smartphones, die die Jugendlichen gerne als Waffe der Wahl benutzen.
„Den Jugendlichen muss klar sein: Was ihr da macht im Netz, das hat sehr reale Konsequenzen“, sagt Sandro Brandl, der als Medienpädagoge an der Pankower Schule arbeitet. Dafür soll auch das Anti-Hate-Speech-Projekt sensibilisieren: „Wir wollen den Jugendlichen bewusst machen, was Mobbing mit jemandem macht und sie motivieren, sich mit eigenen Ideen dagegen einzusetzen“, sagt Projektmitarbeiterin Lisa Benezan.
Marlene aus der 8b steht im Treppenhaus. Sie trägt gerne bauchfreie Tops, Mitschüler haben sie deshalb Schlampe genannt. Jetzt dreht sie mit drei Jungs aus ihrer Klasse ein Video, das zeigen soll, wie sie sich gefühlt hat: Sie läuft die Treppe runter, „Nutte“ rufen die Jungs. Sie zieht die Schultern hoch und wird ganz klein. Was Mobbing eben mit einem macht.
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