piwik no script img

Abrechnung mit Opportunien

Kino Das Arsenal ehrt ab heute den Schweizer Filmautor Clemens Klopfenstein mit einer viertägigen Reihe

Vor beinahe zehn Jahren trifft der Dokumentarfilmer Peter Zach den Schweizer Filmemacher Clemens Klopfenstein in Berlin. Er filmt Klopfenstein an der Stelle zwischen Spree und Schlesischem Tor, auf diesem kleinen Vorsprung stehend, von dem aus man gut auf das andere Spreeufer gucken kann. In „Sehnsucht Berlin“, Zachs Film, sieht man die O2 World Berlin (jetzt Mercedes Benz Arena) in der Bauphase. Ein Berlin mit freier Luftlinie, großen Brachen.

Nicht zufällig sind Zach und Klopfenstein hier. Denn, noch einmal viele Jahre zurück, war Klopfenstein auch schon da. Für seinen Film „Das Schlesische Tor“ von 1982. Ein DAAD-Stipendium hatte ihn nach Westberlin gebracht, einige tausend Mark gab man Klopfenstein, von denen er wiederum „Das Schlesische Tor“ realisierte. Darin: all die Straßen rund um den gleichnamigen U-Bahnhof, Menschen in und vor Telefonzellen und ebendieser Blick auf die andere Spreeseite, auf der einst die Mauer verlief. Unheimlich sei ihm das gewesen, mit seiner Kamera auf diese zu zielen, erzählt Klopfenstein. Ein gefühlt provokantes Unternehmen, das aber einen schönen Film ergeben hat.

Unsichtbare Stunden

Diese und eine ganze Reihe weiterer Arbeiten Klopfensteins können zwischen dem 24. und 27. November im Kino Arsenal gesichtet werden, wobei der „Filmautor“, wie der deutsche Filmhistoriker Ulrich Gregor ihn nennt, sogar sein Kommen versprochen hat. „Das Schlesische Tor“ – jene Schwarzweiß-Beobachtung um nahezu kleinstädtisch anmutendes Schalten und Walten, das sich außerdem mit Aufnahmen aus Tokio und Hongkong vermischt (riesige Wohnblöcke, die an das Kottbusser Tor erinnern, nur dreimal so hoch) und verwestlichte, doch wohlklingende asiatische Jazz-Interpretationen einfügt, eröffnet die Klopfenstein-Schau.

Am selben Abend ist auch, stilistisch gibt das durchaus Sinn, „Geschichte der Nacht“ (1978) zu sehen, ein Film, der sich mittels hochempfindlichem Filmmaterial durch unsichtbare Stunden schleicht. Es geht nach Italien, Irland, die Türkei, Polen, Rumänien und noch einige Länder mehr. Auf Ortsangaben wird verzichtet, manchmal deuten kleine Zeichen auf die geografische Position.

Ansonsten unterscheidet sich das restliche Programm stark von diesen beiden Filmen, in denen Klopfenstein ein bisschen auf der Lauer scheint, mehr an einer Stimmung inter­essiert wirkt als an konkreten Personen – die dafür in den Folgetagen umso nachdrücklicher eingeführt werden. Allen vor­an Max Rüdlinger mit seinem markanten Gesicht, der in fast allen Klopfenstein-Filmen anzutreffen ist.

In „E nachtlang Füürland“ (1981) etwa bewegt er sich durch zahlreiche Kneipen, legt sich an, diskutiert. Ein letztlich apathisch gewordener Nachrichtensprecher, der eine vormittägliche Verkündung des Bundespräsidenten den ganzen Tag nicht aus dem Kopf bekommt: „Jeder Mensch hat Anspruch auf ein wenig Glück.“

„E nachtlang Füürland“ ist auch eine Abrechnung mit der Schweiz, ihren rechtschaffenen Bürgern, die in diesem „Opportunien“ vor sich hin werkeln. Eine Wortschöpfung des Bieler Autoren Alex Gfeller, der die Vorlage für das „Füürland“ (Feuer­land) geliefert hat. Max wird hier sogar zum Max Gfeller.

Eine große Langeweile erleben Klopfensteins Figuren immer wieder, der sie sich mit verschiedenen Methoden zu entziehen versuchen. Alkohol spielt eine wichtige Rolle, er gerät gar zum Wundertrunk („Der Ruf der Sibylla“, 1982/85) oder das (Weg-)Wandern („Das Schweigen der Männer“, 1997). Auch Frauen mischen das Geschehen häufig auf, besonders jene von Christine Lauterburg gespielten, die den vielen Mäxen das nur zum Teil echte Phlegma auszutreiben versuchen. Zum Glück zumeist erfolglos. Carolin Weidner

24. bis 27. November, Kino Arsenal

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen