Das Detail: Keine Wahl?
KIEZ In Berlin sind mehr Leute zur Wahl gegangen, aber nur, um für Rassisten zu stimmen – stimmt’s? Das ist die falsche Frage
Diese Rubrik heißt „Das Detail“, aber in dessen Mehrzahl wollen wir uns keineswegs verlieren. Wir wollen nur schildern, wie überrascht wir waren, als wir entdeckten, dass im Kreuzberger Wahllokal 306 die Wahlbeteiligung magere 54 Prozent erreicht, weniger als bei der Berlin-Wahl 2011.
In den umliegenden Wahllokalen sieht es nicht besser aus. Und das, obwohl hier im städtebaulich schwer amorphen Kreuzberger Westen, unweit vom Checkpoint Charlie, die Probleme auf der Hand liegen: Im Süden gilt der Mehringplatz als einer der ärmsten Kieze Berlins, von Norden rücken Gentrifizierungsgeschäfte vor. Und damit können wir nun sagen, warum uns Wahllokal 306 besonders interessiert: In seinem Einzugsgebiet entsteht das neue taz-Gebäude. Wir ziehen hier her, wo zwar überdurchschnittlich links, aber eben auch deutlich zu wenig gewählt wird: wie in allen armen Gegenden dieser Republik.
Um es mal ganz altmodisch zu sagen: Daran müssen wir etwas ändern. Der Widerstand gegen den Ist-Zustand in Stadt, Land, Kontinent und Welt formiert sich derzeit auf grotesk verzerrte Weise über Ausgrenzungs-, Hass- und Angstdiskurse; und das liegt nicht daran, dass die hysterischen Hetzer in der Mehrheit wären, sondern daran, dass viele Menschen, die mit ihren Lebensumständen nicht zufrieden sein können, keine Hoffnungen in linke Reformpolitik setzen. Was wiederum daran liegt, dass „Reform“ in den letzten beiden Jahrzehnten zum Synonym von „es wird immer schlechter“ geworden ist. AW
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