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Der Badesöder im Herren-BurkiniEin Frage des Anstands und der Kultur

Markus Söder geht voll bekleidet schwimmen. Kann der CSU-Mann auf diese Weise ein Vorbild für andere Politiker sein?

Ob am oder im Wasser, Markus Söder bekennt sich klar zur Verhüllung seiner körperlichen Reize Foto: dpa

Ja, Söder ist ein Mann des Volkes und ein Vorbild!

August 1919, der Erste Weltkrieg ist vorüber und verloren, der Kaiser abgesetzt, das konservative Deutsche Reich in Trauer, da posiert der gerade erst zum Reichspräsidenten gewählte Friedrich Ebert an einem Ostseestrand in Badehose. In Badehose! Als die Berliner Illus­trirte Zeitung das Bild auf ihren Titel hebt, ist der Aufschrei laut. Ein Foto vom Reichspräsidenten beim Baden ist schon peinlich genug, aber dann auch noch in Badehose, wo doch der einteilige Badeanzug das Herrenmodell der Wahl ist. Haben SPD und Ebert keine Ehre? Der Kaiser hätte bestimmt in Paradeuniform gebadet.

Und heute alles anders. Heute posten Politiker ihre Badefotos gleich selbst, wie zuletzt Markus Söder von der CSU. Der ist jung, ein Hoffnungsträger, gut drauf, kann schwimmen – das darf das Wahlvolk ruhig alles sehen: ein Landesfinanzminister in Badehose und Badeshirt.

Natürlich kamen sofort die hämischen Kommentare mit ihren bösen Fragen, ob der Söder da auf den Bildern einen Burkini trage. Aber nein, tut er natürlich nicht. Söder weiß einfach nur, was sich gehört: Er kennt die Geschichte mit der Badehose, er kennt die konservative Seele und trägt deswegen ein Badeshirt. Mit populistischen Oben-ohne-Fotos bei den Wählern zu punkten, so was macht der Söder nicht. So was machen die Putins oder die Obamas, aber kein Markus Söder. JÜRN KRUSE

Nein, Söder verhüllt mit seiner Plautze auch das christliche Abendland!

Was Markus Söder nicht einsehen mag: Hier geht es nicht allein um ihn und was er gerne von sich zeigen oder nicht zeigen will. Söders Oberkörper ist Volkskörper – und der gehört selbstverständlich unverhüllt. Die Freiheit des Abendlands ist fragil und muss tagtäglich verteidigt werden. Und zu dieser Freiheit gehört nun mal, dass jeder das Recht hat, am Badesee männliche Oberkörper ansehen zu dürfen.

Der repräsentative Auftrag, den der Finanzminister vom bayerischen Volk erhalten hat, beschränkt sich nun mal nicht allein auf das Geistige, sondern umfasst auch das Körperliche. Söders Torso ist symbolisches Wirkungsfeld der aufgeklärten Gesellschaft. In der Vergangenheit ist sich der CSU-Politiker dieser Verantwortung bewusst gewesen: Er trat in Frauenkleidern auf, als Punk, Shrek, Stoiber und Mahatma Gandhi. Söders Körper steht für die Vielfalt Deutschlands. Und zu der gehört von jeher Nacktheit im Allgemeinen und die Omnipräsenz geblähter Männerbäuche im Besonderen. Söder verhüllt hier nicht nur sich selbst, er verhüllt das Volk.

Politiker wie Barack Obama und Wladimir Putin wissen, wie ein Mann auf der politischen Weltbühne seine nackte Haut geopolitisch einzusetzen hat. Bayern hingegen, schamgetrieben, verhüllt sich. Wer als Bayer dieses Foto sieht, muss das als Provokation begreifen. PETER WEISSENBURGER

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