: Grüne wollen es doppelt schwer
Justiz Traditionell schlagen die großen Parteien Union und SPD Verfassungsrichter vor. Gerade sind die Grünen im Bundesrat stark und verlangen dort ein Vorschlagsrecht
Aus Freiburg Christian Rath
Die Grünen verlangen mehr Einfluss bei der Verfassungsrichterwahl. Künftig wollen sie 2 von 16 Verfassungsrichtern vorschlagen – und so ihr Gewicht verdoppeln.
Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten mit je acht Richtern. Die eine Hälfte der 16 Richter wird im Bundestag gewählt, die andere im Bundesrat. Da für die Wahl der Verfassungsrichter jeweils eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, müssen sich die großen Parteien einigen.
Meist beschließen Union und SPD Personalpakete, wobei traditionell die Hälfte der Vorschlagsrechte bei der Union liegt, die andere Hälfte bei der SPD. Nach der Wahl sind die Richter selbstverständlich frei und nicht an Weisungen gebunden, ihre weltanschaulichen Hintergründe bleiben aber bestehen.
Kleinere Parteien wie FDP und Grüne konnten jahrzehntelang nur dann einen Verfassungsrichter vorschlagen, wenn sie an der Bundesregierung beteiligt waren. In solchen Fällen gab ihnen der große Regierungspartner eines seiner Vorschlagsrechte ab.
So konnten die Grünen erstmals 2001 mit dem Rechtsprofessor Brun-Otto Bryde einen Verfassungsrichter vorschlagen. Auch seine Nachfolgerin Susanne Baer, ebenso eine Rechtsprofessorin, schlugen die Grünen vor, erstmals aus der Opposition heraus. Denn die SPD war 2011 im Bundestag schon so schwach, dass sie allein kein Vetorecht mehr hatte und sich deshalb mit den Grünen absprechen musste.
Nun wollen die Grünen ihren Einfluss sogar verdoppeln und verlangen auch bei der Wahl im Bundesrat ein grünes Vorschlagsrecht. Abwegig ist das nicht: Immerhin sind sie derzeit an 9 von 16 Landesregierungen beteiligt, die Union nur an 7.
Konkret werden 2016 im Bundesrat zwei Verfassungsrichter gewählt: ein Nachfolger für Herbert Landau (CDU-Vorschlag), dessen Amtszeit Ende April endet, und ein Ersatz für Reinhard Gaier (SPD-Vorschlag), dessen Platz Mitte Oktober frei wird.
Die Grünen bevorzugen den Sitz von Landau, weil dieser am Zweiten Senat amtiert, während die von ihnen vorgeschlagene Susanne Baer schon im Ersten Senat sitzt.
Der Zweite Senat ist etwa für Parlamentsfragen, das NPD-Verbot, aber auch für die exzessive Rechtsprechung zum Europarecht zuständig. Und gerade Landau hat sich deutlich EU-skeptisch positioniert. Wenn die europafreundlichen Grünen seinen Nachfolger bestimmen könnten, würde das die Gewichte im Zweiten Senat wohl deutlich verschieben. Am Dienstag zum Beispiel verhandelt Landaus Senat über die Euro-Rettungspolitik der Europäischen Zentralbank, die Karlsruhe (bisher) kritisch sieht.
Hinter den Kulissen haben die Gespräche über Landaus Nachfolge bereits begonnen. Für die Grünen koordiniert sie die niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz. Verhandlungsführer der Union ist Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Bei der SPD dealt Angela Kolb, die Justizministerin von Sachsen-Anhalt.
Die CDU/CSU hat es bisher aber nicht eilig. Sie hofft, dass sich ihre Position im Bundesrat nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am 13. März verbessert und die der Grünen verschlechtert. Doch selbst wenn die Grünen aus beiden Landesregierungen fliegen sollten, könnten sie immer noch 31 von 69 Länderstimmen im Bundesrat mit ihrem Veto neutralisieren, deutlich mehr als ein Drittel also. Gegen die Grünen können die beiden wichtigen Richterposten also nicht besetzt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen