: Kill their Darlings
Literatur Lauter Liebhaberbücher: die Shortlist zum Deutschen Buchpreis
Ist es Chuzpe? Ist es Kalkül? Auf jeden Fall hat diese Shortlist eine Anmutung von: Uns doch egal, was sonst der Literaturbetrieb so denkt, welche Bücher gelesen und prämiert werden müssten; wir packen jetzt mal die Bücher auf die Liste, die wir am liebsten gelesen haben. Herausgekommen sind reihenweise gekillte Darlings des Betriebs.
Kein Feridun Zaimoglu, der in seinem „Siebentürmeviertel“ weit in die deutsch-türkische Geschichte abtaucht. Kein Ilija Trojanow, dessen „Macht und Widerstand“ gewichtig daherkommt (und der, auch nicht zu unterschätzen, im Betrieb gut vernetzt ist). Und vor allem kein Clemens J. Setz, aktueller Lieblingsdarling des Betriebs, bei dessen tausendseitigem Buch „Die Stunde zwischen Frau und Gitarre“ man zwischen Genie- und Nerd-Vermutungen hin- und herschwankt und nicht weiß, ob man sich darüber freuen oder sich davor fürchten soll.
Stattdessen also: Jenny Erpenbecks das Flüchtlingsthema covernder Roman „Gehen, ging, gegangen“, den die Buchhändler lieben und auf den als Preisträger zu wetten nun fast schon langweilig wäre. Rolf Lapperts ins Literaturkitschige lappender Romanschmöker „Über den Winter“, den auch die Buchhändler lieben – was die Gelegenheit bietet zu erwähnen, dass dieses Jahr gleich zwei Buchhändler der siebenköpfigen Jury angehören.
Wenigstens cool
Außerdem Inger-Maria Mahlkes historischer Frauenroman „Was Ihr wollt“, ein Überraschungsgast, über den man sich – denn er ist wirklich großartig und bisher unterbewertet – sehr freuen kann. Dabei ist auch Ulrich Peltzers Roman „Das bessere Leben“, der auf der Liste nun den Platz des Betriebsschwergewichts einnimmt, was sich, da er der (neben Setz) formal anspruchsvollste Entwurf dieses Herbstes ist, auch gut begründen lässt. Und Monique Schwitters von den Feuilletons hochgeschriebener Liebhaberreigen „Eins im Andern“, übrigens noch so ein Buch, das die Buchhändler lieben. Außerdem Frank Witzels „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“, in dem ein renitenter popinteressierter Teenager die Sixties nicht swingend, sondern im Mief der deutschen Provinz ertragen muss.
Lauter einzelne Liebhaberbücher sind das, für unterschiedliche Geschmäcker. Ein literarischer Trend ist nicht zu erkennen. Diese Liste ist so etwas wie eine gehobene Leseempfehlung – aber darin wenigstens cool. Am 12. Oktober wird die Preisträgerin des Deutschen Buchpreises verkündet. drk
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