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Vorsichtig fragt das Knie

KINO Maßvoll kritische Selbstbespiegelung: „Gefühlt Mitte Zwanzig“, eine neue Komödie von Noah Baumbach, beobachtet eine doppelte Midlife-Crisis in Brooklyn

von Ekkehard Knörer

Josh (Ben Stiller) und Cornelia (Naomi Watts) sind nicht mehr jung und noch nicht alt: definitiv Mitte vierzig. Sie sind nicht unglücklich und nicht glücklich, kinderlos erst gegen ihren Willen, irgendwann haben sie, scheint es, beschlossen, die damit verbundene Flexibilität zu genießen, auch wenn sie eine ziemlich eingebildete ist. Man steckt in den privaten und beruflichen Beziehungen mehr oder weniger fest; alles verdammt viel Routine. Josh hatte als Dokumentarfilmer mit seinem Debüt ein wenig Erfolg, unterrichtet an der Universität und sitzt seit zehn Jahren an einem höchst ambitionierten Projekt über „Macht in Amerika“. Nach allem, was man davon sieht, ein unvollendeter und unvollendbarer Rundumschlag, den alle, die auch nur mehr als einen flüchtigen Blick darauf werfen, mit bleierner Langeweile quittieren. Nicht zuletzt Cornelias Vater, der als Dokumentarfilmer mehr als berühmt ist, viel berühmter als Josh, mit einem Lebenswerk, das den Vergleich mit dem eines Frederick Wiseman oder D. A. Pennebekar nicht scheuen muss.

Kurzum: Das mittelglückliche Paar in den mittleren Jahren ist bereit für ein Erweckungserlebnis. Das schneit ihnen in Gestalt eines Paars junger Verehrer ins Haus. Jamie (Adam Driver) steht nach einer Vorlesung da und strahlt Josh, dem das selten passiert, voller Bewunderung an. Er ist Mitte zwanzig, hat selbst Dokumentarfilmambitionen und hat Joshs letzten vollendeten Film auf Ebay erstanden. Josh sieht sich mit den Augen dieses anderen gern, man nähert sich an, auch Cornelia kommt mit Jamies Freundin Darby (Amanda Seyfried) bestens zurecht. Es entsteht eine Freundschaft, in der die Alten die Energie und auch Arglosigkeit der Jungen bestaunen. Geschmeichelt, wenngleich ganz sicher nicht neidlos.

Kurz zusammengezuckt

Noah Baumbach, selbst Mitte vierzig, spielt diese Generationenkonfrontation, wie bei ihm üblich, nicht zuletzt übers Register der Popmusik. In „Greenberg“, dem Vorvorgänger, war Ben Stiller ein unausstehlicher Snob, der die Jugend und nicht zuletzt ihre Musik nur mit Verachtung betrachten konnte. Aber Josh ist nicht Greenberg, auch insgesamt ist „Gefühlt Mitte Zwanzig“ ein viel milderer Film. So scheinen Jamie die feinen Unterschiede der Pop-Sozialisation wenig zu kümmern. Seine Wohnung ist ein vollgestopftes Archiv kurz oder lang vergangener Zeiten und ihrer kulturellen Relikte, aus dem er sich ziemlich wahllos bedient. Er kann sich etwa für die Rocky-III-Hymne „Eye of the Tiger“ von Survivor ohne Schuldgefühle begeistern. Angesichts dieser distinktionsbefreiten Unterschiedsloskeit zuckt Josh zwar zusammen („Wir fanden das früher noch schlimm“), nimmt sie dann aber hin.

Ach was, nimmt sie hin. Es ist, als hätte ihm die Begegnung völlig überdosierte Vitaminspritzen gesetzt. Am liebsten begänne er sein Leben nochmal von vorne. Er erkundet mit Jamie das Tag- und Nachtleben von Bushwick im tieferen Brook­lyn. Er kauft sich einen Fedora-Hut, den er immerzu trägt, was seine älteren Freunde lächerlich finden. Das kümmert Josh nicht. Gemeinsam mit dem jüngeren Paar nimmt das ältere die Hipsterdroge Ayahuasca zu sich und kotzt sich, wenn nicht glücklich, dann jung. Cornelia hält in der Hip-Hop-Dance-Session erstaunlich gut mit. Das eine oder andere Zipperlein, im Kreuz und im Knie, fragt vorsichtig an, ob das wirklich der richtige Lebensstil für einen Mann in Joshs Alter ist.

Im Schlussdrittel stellt der Film vergleichsweise ernsthaft ethische Fragen. Schlechte Idee

„Gefühlt Mitte Zwanzig“ ist, falls das bis hierhin nicht klar war, eine Komödie, kein Drama. Im Schlussdrittel biegt der Film in eine andere Richtung ab und stellt vergleichsweise ernsthaft ethische Fragen. Schlechte Idee. Bis dahin ist er zwar arg vorhersehbar, hat aber seine Momente. Joshs Versuch etwa, einem in ästhetischen Dingen unbeleckten Hedgefondsmanager sein Filmprojekt zu erklären, scheitert in peinvoller Weise.

Ganz reizend ist auch die Besetzungspolitik. Ein politisch unbeugsamer Herr in Joshs Doku wird von Peter Yarrow von Peter, Paul & Mary gespielt. Als glücklich in seinen mittleren Jahren versackten Mann und späten Vater hat Baumbach den Ex-Beastie-Boy Adam „Adrock“ Horovitz gecastet.

Trotz der Feinheiten im Detail bleibt das alte Baumbach-Problem: Es geht bei ihm sehr narzisstisch eigentlich immer um Nabelschauen weißer gehobene-Mittelschicht-Männer in Brooklyn. Aus dem erstickend engen Rahmen der maßvoll kritischen Selbstbespiegelung dieses Milieus bricht auch dieser Film nirgends aus. Selbst ich, weißer Gehobene-Mittelschicht-Mann in Berlin, habe Mühe, mich dafür zu interessieren.

„Gefühlt Mitte Zwanzig“, Regie: Noah Baumbach. Mit Ben Stiller, Naomi Watts u. a. USA 2014, 98 Min.

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