Tage der Architektur in Berlin: „Es wird gemeckert, teilweise zu Recht“

Christine Edmaier, Präsidentin der Architekten­kammer, will mehr Verdichtung als Neubauten auf der grünen Wiese. Heute und morgen stehen viele Gebäude offen.

Die Malzfabrik in Berlin

Erfolgreich umgenutzt: die Malzfabrik, umgesetzt von ioo Elwardt & Lattermann Architekten oHG. Foto: Matthias Friel

taz: Frau Edmaier, am Wochenende veranstaltet die Berliner Architektenkammer den zwanzigsten Tag der Architektur in Berlin. Ist das ein Grund zur Freude oder eher nicht?

Christine Edmaier: Das ist auf jeden Fall ein Grund zur Freude. Es hat sich gezeigt, dass es ein wenig dauert, bis sich solche Formate etablieren. Aber wir verzeichnen Jahr für Jahr immer mehr Zulauf.

In Berlin werden 91 Projekte vorgestellt. Welche sind das?

Das sind zum Teil Führungen durch Gebäude, aber auch offene Büros, wo man den Architekten über die Schulter schauen kann. In den vergangenen Jahren war es oft nicht so einfach, die Kollegen, vor allem die bekannten Büros, dazu zu bewegen, da mitzumachen, schließlich gibt es hier ohnehin zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Architektur und Städtebau. Aber das klappt nun auch, und vor allem für die Jüngeren ist das auch eine gute Werbung.

Auch die taz ist beim Tag der Architektur der Berliner Architektenkammer vertreten. Im Mittelpunkt stehen die beiden taz-Gebäude in der Rudi-Dutschke-Straße, die auch schon beim ersten Tag der Architektur 1996 dabei waren. Über den Neubau und den Umbau des Kontorhauses von 1909 berichten der Architekt Gerhard Spangenberg und taz-Geschäftsführer Karl-Heinz-Ruch. Moderation: taz-Redakteur Uwe Rada.

geboren 1961 in Stuttgart, studierte Architektur in Berlin und Venedig. Seit 1992 hat sie ein eigenes Büro für Architektur und Städtebau in Berlin. Seit 2013 ist Edmaier Präsidentin der Berliner Architektenkammer

Im Gegensatz zum Publikumszuspruch ist das öffentliche Interesse an Architektur rückläufig. Vor zwanzig Jahren wurde erbittert über die Architektur der Friedrichstadt gestritten, heute ist es eher still geworden.

Heute wird eher gemeckert, teilweise auch zu recht. Es wird wenig inhaltlich gestritten, vielleicht sogar zu wenig. Themen, über die man streiten könnte, gibt es aber genug.

Vielleicht liegt das auch daran, dass immer die gleichen Stars bauen. Soeben hat der neue Investor des Tacheles bekannt gegeben, dass er das Büro Herzog & de Meuron ins Rennen schickt. Und zwar ohne einen Wettbewerb. Ist das der Trend?

Ich sag es mal vorsichtig: Natürlich versucht man als Investor, über eine gute Architektur von der Verwaltung Zugeständnisse zu bekommen.

Welche?

Dass man zum Beispiel mehr bauen darf. Das ist das, was Investoren interessiert. Bislang hat man das eher über Wettbewerbe gemacht, weil man solche Fragen auch im Wettbewerbsverfahren aushandeln konnte. Aber es gibt natürlich auch den Weg, dass man gleich einen Star präsentiert. Eine gewisse Tendenz ist das schon.

Was bedeutet das für die jungen Architekten?

(lacht) Dass sie sich beeilen müssen, möglichst schnell ein Star zu werden. Das geht natürlich nicht. Oder bei Stars zu arbeiten. Es gibt die berühmten Büros, die werden immer größer. Das sind inzwischen Größen, die es in Deutschland früher nicht gab. Mehrere hundert Mitarbeiter. Das ist ein Konzentrationsprozess, den wir gerade beobachten.

Das Meckern, von dem sie sprechen, betrifft ja unter anderem das Umfeld des Hauptbahnhofs, wo eine Fassade der anderen gleicht.

Es gibt einen Mainstream, der noch aus der Zeit des ehemaligen Senatsbaudirektors Hans Stimmann stammt. Also Natursteinfassaden, teilweise plastisch, teilweise langweiliger. Und über all entsteht der gleiche Städtebau. Das sind Bauten, die zu klein sind, um ein richtiger Blick zu sein und zu groß, um ein Gebäude zu sein. Es soll immer gleich ein kleines Viertel sein, das ist es aber nicht.

Ein großes Thema ist inzwischen der Wohnungsbau.

Da hat eine Wohnungsbaugesellschaft gerade in einem Wettbewerb den Nachweis gefordert, schon mal ein zehnstöckiges Wohnhochhaus gebaut zu haben. Das ist kurios, weil in Berlin Wohnhochhäuser bis vor Kurzem gar nicht genehmigt wurden.

Und auf der Elisabethaue in Pankow soll die Gartenstadt des 21. Jahrhunderts entstehen. Ist das noch zeitgemäß?

Ich hab nichts gegen Gartenstädte. Einige wollen sicher so wohnen. Aber andererseits muss man sagen, dass wir von solchen Quartieren in Berlin schon sehr viele haben. Ich bin mir nicht sicher, ob das das Lebensmodell der Zukunft ist. Die meisten wollen inzwischen in die Innenstadt. Wenn man schon am Stadtrand baut, müsste man eher in Stadtteilen wie Rudow oder Waidmannslust verdichten, als neue Quartiere zu bauen.

Rächt es sich jetzt, dass der Senat 2013 beschlossen hat, die Internationale Bauausstellung Berlin zu streichen? Die sollte sich ja genau mit dem Thema der Außenstädte beschäftigen?

Das ist sehr bedauerlich, dass die IBA nicht gekommen ist. Teilweise wurde sie aber auch von den eigenen Kollegen und vielen Beteiligten zerredet, bevor überhaupt das Konzept stand. Das ist nicht untypisch für Berlin, dass man sofort kritisiert, bevor es im Ansatz fertig ist. Da muss man auch selbstkritisch sein. Nun geht alles nach Nullachtfünfzehn. Und nach Geld. Selbst der Bausenator sagt: Architektur wäre ganz schön, können wir uns aber nicht leisten.

In Osteuropa, aber auch in Asien werden zunehmend Wohntürme gebaut. Könnte dies auch ein Trend für Berlin und Deutschland sein?

Was uns als Architekten interessiert, ist, ob man ein Hochhaus bauen kann, das nicht so hochpreisig ist wie bisher. Da wird es in Zukunft Lösungen geben müssen. Da kann die Leipziger Straße durchaus ein Vorbild sein. Das ist ein spannendes Thema.

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