Prinzessin Diana: Ende der Massenhysterie
Ihr Leben glich einer Seifenoper, ihr Ruhm speiste sich aus Trivialitäten. Zehn Jahre nach ihrem Tod hat die Lady Di-Hysterie ein Ende - wurde auch Zeit.
Zehn Jahre nach Prinzessin Dianas Tod haben die Briten ihre Fassung wieder erlangt. Fast erscheint ihnen die damalige Kollektivtrauer peinlich. Zu Recht. Der politische Kommentator Christopher Hitchens schrieb damals, Großbritannien sei aufgrund der zwanghaften Art der Trauer zu einem Ein-Parteien-Staat geworden. Ladenbesitzer mussten am Tag der Beerdigung schließen, Veranstaltungen mussten abgesagt werden, wollte man nicht die Empörung der weinenden Massen auf sich ziehen. Manche standen zehn Stunden an, um sich ins Kondolenzbuch einzutragen. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis die "Prinzessin der Herzen" selig gesprochen würde. "Es war wie der Nürnberger Reichsparteitag", sagt die Schriftstellerin Carmen Callil.
Inzwischen ist Dianas Gesicht nur noch selten auf den Titelblättern der Zeitschriften zu finden, viele britische Teenager würden sie auf Fotos gar nicht mehr erkennen. Jonathan Friedland schrieb neulich im Guardian, dass die Woche nach Dianas Tod am 31. August 1997 "ein Ausbruch von Massenhysterie war, eine Episode, bei der die britische Öffentlichkeit ihre traditionelle Zurückhaltung verloren und sich sieben Tage lang in vorgegaukelter Sentimentalität ergeben hat, aufgestachelt durch die Medien". Die Fadenscheinigkeit zeige sich daran, dass das Phänomen genauso schnell wieder verschwand, wie es aufgetaucht war.
Die Besucher an ihrem Grab auf einer Insel im See bei Althorp, damals ein Wallfahrtsort, werden immer spärlicher. Die Spenden für ihre Stiftung, den "Princess Diana Memorial Fund", sind ebenso stetig zurückgegangen: Im Jahr nach ihrem Tod flossen 20 Millionen Pfund in die Kasse, 2006 waren es gerade mal 222.000. Zum Konzert, das Dianas Söhne, die Prinzen William und Harry anlässlich ihres 46. Geburtstages im Juli gaben, kamen zwar 63.000 Menschen ins Wembley-Stadion, aber die meisten erklärten, dass sie lediglich Rod Stewart und Brian Ferry hören wollten.
Diana war 17 Jahre lang der Star einer Soap Opera. Ihr Ruhm beruhte auf Trivialitäten. Die Menschen waren an ihrem neuestes Kleid, ihrer neuesten Frisur und ihrem neuesten Liebhaber interessiert. Ihr Intelligenzquotient, so stand es bis zu ihrem Tod in den Zeitungen, liege nur unwesentlich über dem eines Blumenkohls. Sie hat nichts Bedeutendes hinterlassen keine Filme wie Marilyn Monroe und keine Lieder wie Elvis Presley.
Phil Hall, der frühere Chefredakteur des Schmuddelblatts News of the World, fühlt sich als Medienvertreter mitverantwortlich für ihren Tod. "Ich glaube, jeder in der Welt der Medien fühlt diese Verantwortung", sagt er. Aber er ist der einzige, der das öffentlich äußert. "Diana hat mit den Zeitungen manchmal kooperiert", sagt Hall, "und der Fahrer war betrunken. Aber ich glaube, wäre der Wagen nicht von den Paparazzi verfolgt worden, dann wäre der Fahrer nicht gerast, und vielleicht wäre der Unfall nicht geschehen."
Viele Menschen beschuldigten die Paparazzi, Diana in den Tod getrieben zu haben. Aber ebenso viele Menschen hatten die Auflagen der Zeitschriften mit heimlich geschossenen Diana-Fotos in die Höhe getrieben. Diana benutzte die Medien, und nicht nur für ihr tränenreiches Interview über den untreuen Gatten. Noch in den Tagen vor ihrem Tod hatte sie mit Dodi Bootsurlaub auf dem Mittelmeer gemacht und sich für die Teleobjektive der Fotografen auf dem Deck in der Sonne geräkelt.
Beim britischen Königshaus hat Dianas Tod jedoch weitreichende Veränderungen ausgelöst. Königin Elisabeth war damals ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, weil sie schwieg und sich weigerte, die Flagge am Buckingham-Palast auf Halbmast zu setzen. Die Medien attackierten sie dafür heftig, und für einen Moment schien es, als ob die Monarchie gefährdet sei.
Einen Monat später rief Elisabeth die Familie zu einer Krisensitzung zusammen. Ein Marktforschungsinstitut hatte den Windsors bescheinigt, sie seien "unnahbar, abgehoben, verschwenderisch, weder aufrichtig, noch verständnisvoll und ihr Geld nicht wert". Die Queen machte sich an die Öffentlichkeitsarbeit und modernisierte die Firma. Charles musste sich mit den Spice Girls fotografieren lassen, Elisabeth besuchte eine Kneipe und vertilgte einen Hamburger bei McDonald's. Die Krise war gemeistert.
"Die Woche nach Dianas Tod war eine Illusion", schrieb Friedland. "Es knisterte vor Emotionen, die sich innerhalb weniger Monate verflüchtigten. Sie waren - in Anlehnung an Elton Johns Lied bei Dianas Beerdigung - nicht dauerhafter als eine Kerze im Wind."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!