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Die Furcht irakischer FrauenPrügel, Tritte, Ehrenmorde

Seit dem Sturz von Saddam Hussein müssen Frauen im Irak zunehmend Einschüchterung, Misshandlung und Ermordung fürchten - durch Islamisten oder ihre eigenen Angehörigen.

Die Zahl der Frauenmorde steigt. Die Täter werden nur selten vor Gericht gestellt. Bild: dpa

ERBIL taz Wie viele Frauen mit gewalttätigen Ehemännern hoffte Tara Mohammed jeden Tag, dass die Prügel nur ein Ausrutscher waren und ihr Mann am nächsten Tag wieder der Alte sein würde. Aber es wurde immer schlimmer. Er zwang die Verwaltungsfachfrau, ihren Job an den Nagel zu hängen und verbot ihr, alleine das Haus zu verlassen - nicht einmal ihre Eltern durfte sie besuchen. Aus den Ohrfeigen wurden Tritte und Faustschläge, die auf sie einprasselten. Immer häufiger dachte sie an Selbstmord. Nach zwei Jahren floh die zierliche Frau zu ihren Eltern und reichte die Scheidung ein.

Wie der Kurdin aus Erbil ergeht es inzwischen vielen Frauen im Irak. Während des Saddam-Regimes litten Frauen unter politischer Verfolgung, wurden in Gefängnissen vergewaltigt und zu Tausenden verschleppt. Auch so genannte Ehrenmorde durch Stammesangehörige gab es damals bereits. Doch für Frauen galt es als normal, berufstätig zu sein, sie konnten in hohe Staatsämter aufsteigen, und vor allem konnten sie sich frei bewegen - mit oder ohne Kopftuch.

"Heute maßen reaktionäre Islamisten sich an, zu entscheiden, was Recht ist", sagt die Frauenaktivistin Madschda Dschuburi aus Bagdad. Im südirakischen Basra sind im vergangenen Herbst mindestens vierzig Frauen ermordet worden. Extremisten warnten mit Graffiti an Hauswänden: "Dir wird der Tod zuteil, wenn du kein Kopftuch trägst oder dich schminkst." In der ehemals liberalen Großstadt übertreffen sich heute Schiitenmilizen darin, angeblich islamische Werte mit harter Hand durchzusetzen - notfalls mit Mord. Für Dschuburi sind die Morde in Basra nur die Spitze des Eisbergs. "Beinahe täglich tauchen irgendwo verstümmelte und manchmal sogar enthauptete Frauenleichen auf." Die Dunkelziffer der Frauenmorde sei hoch, weil sich in den Ministerien niemand zuständig fühle. Aber es sind nicht nur verbohrte Islamisten, denen Frauen zum Opfer fallen. In Kurdistan, wo die Islamisten kaum Einfluss haben, verzeichnet man nach Jahren, in denen die Frauenmorde stetig zurückgingen, einen dramatischen Anstieg. In den vergangenen drei Jahren wurden mindestens 500 Frauen umgebracht, wie aus offziellen Statistiken hervorgeht.

"Die Täter kommen fast immer aus der Familie des Opfers", erklärt die Psychologin Nigar Bekir. "Oft reicht schon ein Blickwechsel mit einem anderen Mann, damit der Vater, Bruder oder Ehemann ausrastet." Gemeinsam mit einer Sozialarbeiterin betreut Bekir im Frauenhaus Nawa in Erbil die Gewaltopfer. Derzeit leben neun Frauen in der noblen Villa. Diese gleicht allerdings eher einem Gefängnis, weil es die Frauen aus Furcht vor Übergriffen ihrer Angehörigen nicht wagen,das Haus zu verlassen. Keine will öffentlich über ihre Leidensgeschichte reden. "Ehrenmord nennen sie das", sagt Bekir. "Aber was für eine Ehre ist das, die auf Prügeln und Morden basiert?"

Zugenommen haben in Kurdistan auch die Selbstmorde von Frauen. Über 1.500 starben seit 2005 an den Folgen von Verbrennungen, bei denen sich die Frauen mit Kerosin, das zum Kochen und Heizen verwendet wird, übergossen und sich anzündeten. Häufig stecke hinter den Selbstverbrennungen jedoch kaltblütiger Mord, versichert Bekir. Dimen Mohammed, Sozialarbeiterin und Leiterin des Nawa-Zentrums, vermutet hinter dem extremen Gewaltanstieg einen Zusammenstoß der Kulturen. "Frauen haben heute Zugang zu Satellitenfernsehen, Internet und Handy. Sie verlangen auch für sich selbst mehr Freiheiten", erklärt Mohammed. "Die Männer reagieren auf diesen drohenden Kontrollverlust mit verstärkter Gewalt."

Der kurdische Regierungschef Necirvan Barsani hat angesichts der katastrophalen Entwicklung die Stärkung von Frauenrechten zum Schwerpunkt seiner Politik erklärt und eine Polizeisondereinheit geschaffen. Barsanis Einsatz sei löblich, räumt die Vorsitzende des parlamentarischen Frauenausschusses, Pachschan Zangana, ein. "Aber nur selten wird ein Täter vor Gericht gestellt. Das muss sich endlich ändern."

Tara Mohammed ist froh, dass sie der Ehehölle entfliehen konnte. Heute ist sie wieder berufstätig und genießt ihre Unabhängigkeit. "Ich würde gerne wieder heiraten", sagt sie nachdenklich. "Aber nie wieder werde ich zur Sklavin eines Mannes. Nie wieder."

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