Alte Meierei in Kiel: Das Überbleibsel
Vor 25 Jahren sind die ersten Bewohner in die Alte Meierei in Kiel eingezogen. Jetzt feiert das alternative Veranstaltungszentrum, das aus der Hausbesetzerszene entstanden ist, sein Jubiläum.
"Als wir einzogen, hatte ich den Eindruck, die wollen uns zehn Jahre mit Renovieren beschäftigen, damit wir keine Politik mehr machen können", sagt Matthias Krause. In der kleinen Halle ist es leise, viele Stühle wurden aufgestellt, alle sind besetzt. Einige haben sich auf dem Steinboden niedergelassen, nippen an ihrem Bier und lauschen. "Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir hier länger als zwei Tage wohnen", ergänzt er. Und erntet ein paar Lacher. Seine Haare sind grau, wie sein Kapuzenpulli den er unter einer dunklen Jacke trägt.
Vor 25 Jahren war er einer der Gründer der Alten Meierei in Kiel, die damals Ausweichquartier der ehemaligen Hausbesetzer vom Sophienblatt war und heute linksalternatives Veranstaltungszentrum und Wohngemeinschaft ist. Als die Stadt 1983 den Sophienhof in Kiel abriss, zog er hierher, in ein Haus, das damals schon lange leer stand. Noch bis zum Sonntag feiern Bewohner und Veranstalter jetzt, dass es die Alte Meierei immer noch gibt. Trotz aller Widrigkeiten - mit der Stadt, mit den Nachbarn und mit Nazis. Schon öfters gab es Naziangriffe auf das Haus und seine Bewohner. Im Erdgeschoss sind seit vielen Jahren deshalb alle Fenster vergittert.
Zwölf Menschen wohnen heute hier im oberen Stockwerk, unter ihnen auch zwei Kinder. Unten, im Veranstaltungsraum und daneben, im Café, werden Konzerte gespielt und Treffen verschiedener Gruppen abgehalten. Freunde des Punkrocks kommen hier zusammen, Antifaschisten oder das Frauen-Lesben-Transgender-Café. "Es gab ab und zu mal einen Film, über den diskutiert wurde, meist hatten wir aber größeres vor", berichtet Luna, eine der Teilnehmerinnen des Frauencafés. "Der Veranstaltungsbereich hat in den letzten Jahren das auffangen müssen, was andere Zentren in der Stadt nicht mehr ermöglichen konnten", sagt einer der Bewohner.
Probleme gab es dabei immer wieder. Als die ersten 16 ehemaligen Besetzer das Haus übernommen, war es noch "unbewohnbar", erzählt Olaf, Bandmitglied und ein langjähriger Nutzer der Räume. "Die schliefen damals noch hier unten", sagt er bei einem Rundgang durch das Gebäude und deutet auf die kleine Halle mit den schwarz gestrichenen Wänden und den vielen bunten Plakaten. Dann renovierten die Bewohner das obere Stockwerk zu einem Wohnbereich, vermehrt wurden Konzerte gespielt, die Alte Meierei wurde bekannter. 1998 begannen die ersten Verhandlungen mit der Musik-Verwertungsgesellschaft Gema, 2003 kam das erste Mal Post von der Stadt. Es ging um Urheberrechte, Schallschutz, dann um Brandschutz, später um die Schankerlaubnis.
"Diese Sachen sind von der Meierei in Eigenarbeit erledigt worden", sagt der Pressesprecher der Stadt Kiel, Arne Gloy. Die Stadt als Eigentümerin und damit Vermieterin habe etwas Material dazu gestellt: "Das waren relativ kleine Werte." Die Stadt habe die "Meieristen, so nenne ich sie immer", aber nie "platt machen" wollen, sagt Gloy. Es gehe vielmehr um die Sicherheit der Besucher: "Das war der Stadt schon wichtig."
Der Wohnbereich in dem efeubewachsenen Haus am Rande von drei Schnellstraßen ist heute getrennt von den Veranstaltungsräumen. Hinter dem Tresen führt eine Tür zu einem dunkel gekachelten Flur, an dessen Ende eine Holztreppe nach oben führt. Dort ist es hell, die Wände und die Böden der breiten Flure sind zusammen gewürfelt aus Farben, Kacheln, Holz und Bildern.
Udo ist 40, er wohnt hier seit 15 Jahren und ist der älteste Bewohner der Meierei. "Ich habe schon mit 70 Leuten zusammen gewohnt", sagt er bedächtig. Er geht langsam durch die Räume, trägt Brille und hat eine Glatze. Über ein kleines Treppchen klettert er durch ein Fenster, steht dann auf dem Dach des Hauses. Ein paar Blumenkübel stehen hier herum und eine Gießkanne, aus der Teerpappe ragt ein gläsernes Spitzdach, darin liegen Schallschutzmatten. "Es ist schon manchmal laut hier, wenn abends Veranstaltungen sind", sagt Udo. Er nimmt einen Zug von seiner Zigarette: "Das ist schon manchmal anstrengend".
Es gibt mehrere Gemeinschaftsküchen und einen Aufenthaltsraum, in dem sich regelmäßig das Plenum trifft. Auf den bunten Sofas nehmen dann die Bewohner, aber auch die Nutzer der Alten Meierei Platz und diskutieren. Über das Haus, die Wohngemeinschaft und über Politik. "Es geht darum, was ich machen will und wie ich mit Leuten umgehe", sagt Olaf: "Jeder bringt seine Fähigkeiten ein." "Es gibt so viele Möglichkeiten, Politik zu machen", sagt Markus. "Die Leute sind halt immer da."
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