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Wie sich der DFB-Chef zerlegtDie Causa "Demagoge"

DFB-Chef Theo Zwanziger hat sich hoffnungslos verrannt: Er droht mit Rücktritt, weil er es nicht verknusen kann, dass ihn ein Journalist attackiert.

Ehrpusselige Dummheit: DFB-Chef Theo Zwanziger. Bild: dpa

Theo Zwanziger ist beleidigt. Seit längerem schon. Da ärgert ihn doch tatsächlich ein Sportjournalist, ihn, den Präsidenten des großen Fußballbundes. Man hat ihn einen "unglaublichen Demagogen" genannt. Das ist die Höhe. Zwanzigers Kamm will gar nicht mehr abschwellen. Der Journalist, der ein Blog betreibt und überdies die Plattform "Sportnetzwerk", er neigt gern zu Übertreibungen, weswegen dessen "unglaublicher Demagoge" wohl eher als "unglaublicher Populist" zu verstehen ist. Das macht die Sache nur noch unglaublicher.

Zwanziger hat geklagt und zweimal schon verloren. Das Gut der Meinungsfreiheit ist ein hohes in der Republik. Der Journalist Jens Weinreich, früher einmal Chef des Sportressorts der Berliner Zeitung, darf Zwanziger also einen Demagogen heißen, einen Volksverführer, wie der Duden übersetzt. Doch Zwanziger will sein Recht erzwingen - oder was er dafür hält. Wenn nötig, gehe er bis zum Verfassungsgericht, ließ er nun wissen. Erlaube die letzte Instanz gleichfalls die Majestätsbeleidigung von diesem aufmüpfigen und erstaunlich gut vernetzten Schreiber, dann müsse er - zurücktreten. Damit drohte Zwanziger am Montag. Will er deutsche Richter unter Druck setzen? Überschätzt er seine Rolle über alle Maßen?

Fest steht: Zwanziger hat sich hoffnungslos verrannt. Aus einer relativ harmlosen Geschichte, die allenfalls das Zeug gehabt hätte, am Sportstammtisch unter Kollegen erzählt zu werden, ist eine Riesensache geworden. Mittlerweile interessiert sich allerdings keiner mehr für die Hintergründe, sondern nur noch für das irrlichternde Auftreten des DFB-Bosses. Es geht nicht mehr um die Substanz und Zwanzigers mehr als kritikwürdige Aussagen zum Kartellamt und übers Bosman-Urteil, nein, alle Welt fragt sich, was in Zwanziger gefahren ist, dass er es auf ein Duell ankommen lässt, aus dem er nicht als Sieger hervorgehen kann. Zwanziger sitzt im Sandkasten seines Fußballreichs und behauptet, seine Förmchen seien schöner - und natürlich hat niemand, schon gar nicht irgendein Journalist, das Recht, seine Sandburg zu stürmen. Das ist Trotz auf hohem Niveau.

Die ehrpusselige Dummheit Zwanzigers verwundert, stammt doch von ihm der Satz: "Wenn sie die Kommunikationsherrschaft nicht haben, sind sie immer Verlierer." Geschickter hätte Zwanziger sich verhalten, wenn er sich von seinem Mediendirektor Harald Stenger richtig hätte beraten lassen und beide übereingekommen wären, dass hier nicht persönliche, sondern substanzielle Dinge zu klären sind. Weil das aber nicht geschehen ist und der DFB in alter Manier versucht, Kritiker einzuschüchtern, mit Klagen zu überziehen oder von Informationssträngen abzuschneiden, ist das PR-Desaster riesengroß. Der Fußballbund unter Führerschaft des 63-Jährigen zeigt in der Causa "Demagoge" sein wahres Gesicht. Zwanziger erscheint nicht als "Pater Theo", der nur das Gute für den deutschen Fußball will, sondern als rechthaberischer Potentat.

Die Kommunikationsherrschaft hat Theo Zwanziger verloren. Ein Rücktritt im Sinne seiner Ankündigung wäre nur konsequent. MARKUS VÖLKER

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14 Kommentare

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  • B
    Ben

    Wenn die inhaltlich eventuell fragwürdige Bezeichnung eines Demagogen bereits eine Beleidigung darstellenn soll, ist das Grundrecht der freien Meinungsäusserung stark anzuzweifeln.

     

    Sich im Zuge dieser Äusserung in einer Reihe mit Personen wie Göbbels zu setzen, ist ein Schuh den sich der kritikresistente Präsident selbst anzieht.

     

    Gerichtsstand Koblenz?

    Auch nur ein Versuch der Rechtsbeugung - armselig!

  • K
    Kubeg

    Es ist wie immer unter dem Deckmäntelchen der Pressefreiheit glaubt jeder Journalist, nein nicht jeder aber eben doch immer wieder einige,andere beleidigen zu können! Wehe es wagt sich jemand zu wehren dann ist natürlich die gesamte Meute auf dem Plan und verteidigt vehemennt die Pressefreiheit! Toll, ich gratuliere

  • A
    AndreasJ

    Für mich ist der DFB sowieso eher ein archäologisches Phänomen, mit Machtfetischisten, die nicht abtreten wollen, Haarshampoo-Models mit großzügig finanzierter, sinnfreier Existenz und in dubio pro FCB-Haltung (ist Kahn nicht der straffreie Erfinder des Würgegriffs?).

  • PP
    Peter Pander

    Aber wieso ist Zwanziger ein falscher Fuffziger? Ich verstehe einfach den Tenor der Leute hier nicht, die ihn scheinbar auf dem Kiecker haben. Was hat er Ihnen getan? Als ich zum erstenmal las, dass es einen Rechtsfall Zwanziger/Weinreich gab, habe ich versucht zu ergründen, warum Zwanziger als "unglaublicher Demagoge" bezeichnet wurde. Als Fußballer, der ich den DFB zu kennen glaube, kann ich nur sagen, einen solchen vorurteilsfreien, aufgeschlossenen, sozialen, fairen und anständigen Präsidenten hat der DFB noch nicht gehabt. Das ausgerechnet er ein "Demagoge" sein soll, will sich mir nicht erschließen.

  • JB
    Johnny Bingo

    Ein Zwanziger ist nun einmal ein falscher Fuffziger.

  • EA
    Ein anderer Oliver

    Bitte keine Verdrehung der Gegebenheiten.

     

    Daß die eingereichte Klage gegen eine Meinungsäußerung abgewiesen wird, heisst weder, daß sie richtig oder zutreffend ist, noch daß sie nicht als zu Recht als beleidigend zu empfinden ist.

     

    Das bedeutet lediglich, daß die Meinungsäußerung im Rahmen der Meinungsfreiheit als zulässige, persönliche Meinung einer einzelnen Person gewürdigt wird, der das Recht zugesprochen wird diese zu äußern.

     

    Sie kann dennoch eine Beleidigung enthalten, oder die Ehre einer Person unzulässig beschneiden. Dies müßte in einem Hauptverfahren ermittelt und beurteilt werden. Dazu wird es jetzt wohl kommen.

     

    Vorläufiges Ende der Story und kein Grund, einen Abgesang auf Herrn Zwanziger zu singen, es sei denn, man hält sich qualifiziert, ihm einen Rat zu erteilen (über die Medien wohlgemerkt!).

  • PD
    Pittiplatsch der Liebe

    Noch einmal ich, Herr Pander, zu der von mir aufgeworfenen Frage des Gerichtsstandes Koblenz und zu Ihrem Kommentar hierzu: Es gilt im deutschen Zivilprozeßrecht immer noch der Grundsatz, dass am Ort des Beklagten Klage zu erheben ist. Dies wäre hier Berlin. Geanuso haben es die Anwälte von Zwanziger zunächst gehandhabt: Die einstweilige Verfügung wurde in Berlin beantragt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist: Der Ort der sogenannten unerlaubten Handlung. Weitere Ausnahme -wenn Sie so wollen, eine Unterausnahme: Bei Äußerungen im Internet gilt nach der Rechtsprechung der meisten deutschen Obergerichte ein sog. fliegender Gerichtsstand, d. h. hier kann der Kläger den örtlichen Gerichtsstand frei wählen wegen der allgemeinen Abrufbarkeit der Meinungsäußerung im gesamten Bundesgebiet. Also, Herr Pander, was Sie als Grundsatz und Selbstverständlichkeit darzustellen versuchen, ist es nie und nimmer!

  • O
    Oliver

    Es gibt keine Kampagne, die von Weinreich geführt wird. Weinreich reagiert im Gegenteil auf die Kampagne, die Zwanziger gegen ihn führt. Die Demagogen-Bemerkung bezog sich wiederum auf Weinreichs vorherige Kampagne gegen das Kartellamt und war, wenn auch in der Wortwahl unglücklich gewählt, so doch in der Bedeutung absolut passend, was ja auch zwei Mal gerichtlich bestätigt wurde. Anstatt dies anzuerkennen bestätigt Zwanziger den Vorwurf demagogischen Verhaltens, indem er eine auf Lügen aufgebaute Kampagne gegen Weinreich fährt - und beweist nebenbei, dass ihm das Rechtssystem dieses Staates komplett unverständlich ist und er sich außerhalb dieses wähnt.

     

    Ich empfinde die Ankündigung seines Abtritts deshalb als erfrischend. Und als nichts anderes kann seine Drohung verstanden werden - schließlich hat er bereits zwei Mal in der gleichen Sache verloren.

  • PP
    Peter Pander

    @Martin

    "unbescholtener Bürger" klingt absolut spießig. Das hätte ich so nicht schreiben dürfen. Aber was ich sagen wollte ist, dass der jetzige DFB Präsident, im Gegensatz zu seinen Vorgängern, überhaupt nicht die Kriterien erfüllt, dessen er bezichtigt wird.

    Als Randbemerkung möchte ich noch anfügen, dass er als Rheinland Pfälzer, in Altendiez wohnend, am nächstgelegenen Gerichtsstand, nämlich in Koblenz klagt. Viel mehr würde ich da nicht hineininterpretieren. Selbstverständlich war er schlecht beraten, so etwas zu tun. Soviel Ehre hätte er diesem Journalisten niemals gestatten dürfen.

    Trotzdem halte ich meine Aussage aufrecht, dass der aktuelle Journalismus mit seinen inszenierten Medienkampagnen keine guten Einflüsse auf die weiteren gesellschaftlichen, politischen Entwicklungen ausübt. Heutzutage muss man als "Normalo" hellwach und ziemlich gescheit sein, um gezielte tagespolitische Inszenierungen von der Realität unterscheiden zu können.

  • PD
    Pittiplatsch der Liebe

    Zum Beitrag von Herrn Peter Pander:

    Ich wundere mich erstens über den Passus "kein vernünftiger Mensch möchte heute noch in der Öffentlichkeit stehen". Mir sind eine Menge Leute bekannt, die genau dem nicht ansatzweise abgeneigt sind, einschließlich eines hiesigen Bundestagsabgeordneten.

    Ich wundere mich zweitens über den Passus "unbescholtener Bürger". Herr Pander möge diese Floskel bitte definieren. Drittens wäre es schön, wenn Herr Pander den Begriff "Demokratie" erläutern würde, der meiner Auffassung nach in diesen Tagen insbesondere von Politikern, "Funktionären" und Journalisten zu oft und unerläutert verwendet wird.

    Dank im voraus, Herr Pander.

  • HV
    Harald van Crüchten

    zu Peter Pander:

    Ihrer Logik entsprechend ist Theo Zwanziger kein vernünftiger Mensch, da er ja in der Öffentlichkeit steht. Wer hat ihn überhaupt dazu gezwungen? Die Medien? Kampagnen? Moralische Gesichtspunkte? Unsere Gesellschaft? Wohl nichts von alldem. Demokratie sollte immer und überall wehrhaft bleiben, denn sonst würde sie nicht in anarchische Verhältnisse verfallen sondern den kürzeren ziehen.

  • M
    Martin

    Es gibt keine "unbescholtenen Bürger". In welchem Märchen lebst Du denn?

  • PP
    Peter Pander

    Er mag sich verrannt haben. Aber mal ganz ehrlich. In unserer heutigen Mediengesellschaft möchte doch kein vernünftiger Mensch mehr in der Öffentlichkeit stehen. Journalisten scheuen vor nichts mehr zurück. Und sei es einen unbescholtenen Bürger einen "unglaublichen Demagogen" zu nennen. In früheren Jahren war die Moral noch auf ihrer Seite wenn es darum ging "Sauereien" aufzudecken. Heute werden Kampagnen gefahren, die unter moralischen Gesichtspunkten eine Katastrophe für unsre Gesellschaft sind. Wenn hier kein grundlegender Wandel stattfindet, wird sich die Demokratie verabschieden und anarchiche Verhältnisse an deren Stelle treten. Jede Wette!

  • PD
    Pittiplatsch der Liebe

    Liebe TAZ-Redakteure, diese Sache enthält noch weiteren "Sprengstoff": Die Hauptsacheklage will Zwanziger ausgerechnet in Koblenz anhängig machen. Genau dort war er in der Vergangenheit selbst u.a. Verwaltungsrichter und Regierungspräsident. Noch Fragen? Bitte diese Sache weiterverfolgen. Gruß, Pittiplatsch der Liebe.