Klimaforschung aus dem Orbit: Das fliegende Öko-Auge
Der japanische Satellit "Ibuki", der am Freitag ins Weltall geschossen wird, soll Herkunft und Verteilung der Klimagase Kohlendioxid und Methan beobachten.
Japan überwacht die wichtigsten Treibhausgase künftig aus dem Weltraum. Der Satellit "Ibuki" (Atem) wird am Freitag in den Orbit geschossen und dann aktuelle Daten für den Kampf gegen den Klimawandel liefern. Zum ersten Mal lässt sich dann aus dem All die Dichte von Kohlendioxid und Methan auf dem ganzen Globus messen. Die Wissenschaft bekommt dadurch eine viel solidere Basis, um die Erderwärmung zu berechnen. Kohlendioxid macht etwa 60 Prozent jener Gase aus, die aufgrund des Treibhauseffekts die Atmosphäre erwärmen, Methan hat einen Anteil von 20 Prozent.
Das fliegende Öko-Auge umrundet die Erde in 666 Kilometer Höhe 14 Mal täglich in jeweils 100 Minuten und kehrt alle drei Tage an dieselben Stellen zurück. Dadurch kann der Orbiter die Gaskonzentrationen an 56.000 Punkten in einer Höhe von bis zu drei Kilometern über der Erdoberfläche messen. "Die Datenflut aus dem Weltall dürfte die Genauigkeit der Klimamodelle deutlich verbessern", sagt Takashi Hamazaki, Manager für das "Ibuki"-Projekt bei der japanischen Weltraumbehörde Jaxa.
Bisher beruhen die Computerkalkulationen für die Erderwärmung auf den Messwerten von lediglich 283 Landstationen, die meisten davon in Europa und den USA, sowie auf Schätzungen über den Verbrauch von fossilen Brennstoffen.
Unbekannt ist bisher auch, wie viel Kohlendioxid von Wäldern und Ozeanen aufgenommen wird. Der Satellit kann zudem auf 10 Kilometer genau Methan orten, das aus Erdgaspipelines etwa in Sibirien oder der Nordsee leckt.
Der auch Gosat genannte Satellit wird ab April oder Mai genaue Bilder liefern, welche Länder wie viele Treibhausgase ausstoßen. Klimasünder lassen sich dann aus dem All auf frischer Tat ertappen, wenn sie gegen Umweltverträge wie das Kioto-Protokoll verstoßen. Bisher sind die Vereinten Nationen auf Selbstauskünfte der Länder angewiesen. Außerdem kann man künftig nachmessen, welche Maßnahmen die Treibhausgase am effektivsten verringern.
Jaxa hat den Satelliten extra für eine besonders lange Lebensdauer konstruiert, so dass er auch noch 2014 genutzt werden kann - die Vereinten Nationen werden dann ihren nächsten Klimareport herausgeben. "Ibuki" hat deshalb ein zweites Sonnenpanel sowie Ersatzmessgeräte an Bord. Der Orbiter wurde dadurch mit umgerechnet 153 Millionen Euro relativ teuer.
Gosat misst die Dichte von Kohlendioxid und Methan mithilfe eines Spektrometers, das 18.000 Farben im Infrarot der Wärmestrahlung unterscheiden kann. Je dichter die Gase, desto mehr Infrarot absorbieren sie. Die Dichte von Kohlendioxid in der Atmosphäre schwankt um etwa vier Millionstel Teile jährlich. Das Spektrometer kann diese Differenzen nachweisen. Im Idealfall misst das Gerät bis zu einem Millionstel Teil genau. Das entspricht vier Wassertropfen in einer Badewanne mit 200 Litern.
"Bei genügender Genauigkeit von Ibuki können wir entscheiden, ob wir den Ausstoß von Treibhausgasen halbieren oder noch mehr verringern müssen, um die Erderwärmung zu begrenzen", erklärt Hiroshi Ono vom japanischen Umweltministerium. Ein zweiter Sensor überprüft, ob Wolken vorhanden sind. In diesem Fall werden die Messdaten gelöscht, weil Wolken die Infrarotwerte verfälschen.
Japan bereitet drei weitere Satellitenmissionen vor, um die Atmosphäre genauer zu beobachten. Die Projekte sollen das angeschlagene Klima-Image des Landes verbessern. Japan hatte sich im Kioto-Protokoll verpflichtet, bis 2012 sechs Prozent weniger Treibhausgase zu erzeugen als 1990. Derzeit sind es sieben Prozent mehr. Selbst wenn die Wirtschaft 2009 wie erwartet um ein Prozent schrumpft, der Ausstoß wird immer noch um drei Prozent höher sein. Japan will daher zumindest die Daten liefern, um den Klimawandel besser zu verstehen.
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