Ehrenkreuz der Bundeswehr: Die vergiftete Tugend Tapferkeit
Die Regierung greift mit "Tapferkeit" auf das Heldische zurück. Doch "Tapferkeit" ist nicht "Courage". Anmerkungen zum Ehrenkreuz.
Die Zustimmung der deutschen Bevölkerung zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan sinkt von Monat zu Monat. Darüber unterrichten uns die Umfragen der beiden letzten Jahre. Im Gegensatz zur politischen Führung glauben die Befragten nicht an den Erfolg der militärischen Aufstandsbekämpfung. Bis jetzt schob daher die Bundesregierung propagandistisch die zivilen Elemente des Einsatzes in den Vordergrund: Brunnen bohren, die medizinische Versorgung verbessern, Polizisten ausbilden. In dem Maße, in dem auch in der deutschen Besatzungszone Afghanistans die Kampfhandlungen zunehmen und verstärkt Opfer unter den deutschen Soldaten zu befürchten sind, muss die Regierung aufs Repertoire des Heldischen zurückgreifen.
Für das Verteidigungsministerium gilt es jetzt, ein Bedeutungsfeld zu erschließen, das den Tod "auf dem Schlachtfeld" ideologisch überhöht. Von den Toten soll jetzt als von den "Gefallenen" gesprochen werden, ihnen soll das Mahnmal im Bendlerblock, das ohne jede demokratische Konsultation beschlossen wurde, gewidmet werden. Auch das Vaterland ist nicht mehr fern. Denn es sind schließlich auch deutsche Sicherheitsinteressen, für die nach dem Worten des ehemaligen Verteidigungsministers Struck am Hindukusch gekämpft wird. Und für das Vaterland zu sterben ist, das wissen wir seit Horaz, dulce et decorum - süß und ehrenhaft. Die Tapferkeit des Soldaten nimmt in diesem vom Soldatentod determinierten Rehabilitierungsversuch des Militärischen den zentralen Platz ein. Hierfür ist das Ehrenkreuz ein sinnfälliges Zeichen.
Der Vorläufer des Ehrenkreuzes, das "Eiserne Kreuz" als Tapferkeitsauszeichnung, geht ursprünglich auf die antinapoleonischen Kriege Preußens zurück und sollte ohne Rücksicht auf Rang und Namen vergeben werden. Von seinem Material, dem einfachen Eisen, und von seiner Bestimmung her hatte die Stiftung dieses Kreuzes ursprünglich einen antifeudalen und gegen die Fremdherrschaft gerichteten Beigeschmack. Der aber verlor sich vollständig, als die deutschen Armeen im Ersten, dann aber vor allem im Zweiten Weltkrieg zu Instrumenten des Massenmords und der Versklavung vieler Völker wurden. Vollends im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion, wo unterschiedslos "der Feind", ob Zivilist oder Militär, niedergemacht wurde, pervertierte sich der Begriff der Tapferkeit. Tapfer hätten nach einem humanen Verständnis des Wortes nur diejenigen Soldaten gehandelt, die sich der Tötungsmaschine durch Desertion entzogen. Die aber galt bis weit nach 1945 in der Öffentlichkeit als Feigheit und Verrat.
"Militärische Tapferkeit" ist ein vergifteter Begriff, denn er schließt die weihevolle Überhöhung des Tötens wie des Getötetwerdens auf dem Feld der Ehre ein. Der Einwand, das Kreuz werde doch in erster Linie für Rettungstaten unter Einsatz des eigenen Lebens verliehen, zieht nicht. Denn es wäre einfach, für solche Fälle des Einsatzes eine Rettungsmedaille zu stiften. Sie böte den Vorteil, einer Rettungstat im zivilen Bereich vergleichbar zu sein und damit den militärischen Sonderstatus hinter sich zu lassen. Es ist aber gerade dieser Status, auf den es die Bundesregierung mit der Verleihung des Ehrenkreuzes abgesehen hat.
Tapferkeit im zivilen Bereich ist eine republikanische Tugend. Sie lebt vom Mut des Einzelnen in schwierigen Situationen, wo es cleverer wäre, abzuwarten, zu schweigen oder wegzuschauen. Wir bezeichnen diese Tugend als Zivilcourage. Zivilen Mut beweist, wer dem Opfer einer Gewalttat zu Hilfe eilt, selbst wenn er oder sie allein bleibt. Zivil mutig handelt auch, wer trotz überwältigenden Konformitätsdrucks auf seinen Ansichten und Prinzipien beharrt. Zivilcourage wünscht sich Anerkennung, wer sie übt, ist allerdings in der Regel allergisch gegenüber dem Heldenstatus, gegenüber Podesten und Denkmälern. Auch hier im Unterschied zur soldatischen Tapferkeit.
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