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Haftbefehl gegen zwei Schüler aufgehobenHalber Freispruch im Molli-Prozess

Kein dringender Verdacht: Gericht hebt Haftbefehl gegen zwei Schüler auf, die mit einem Molotowcocktail eine Frau verletzt haben sollen. Jubel bei Familien und Mitschülern. Anwälte fordern nun Freispruch.

Überraschende Prozesswendung: Das Landgericht Berlin Bild: dpa

Als Richterin Petra Müller am Donnerstagmittag gleich zu Beginn des Prozesstages die Aufhebung des Haftbefehls gegen die Angeklagten verkündet, ist im Saal kein Mucks zu hören. Für eine Sekunde. Dann bricht unter den Zuhörern Applaus und Jubel aus. Der 20-jährige Yunus K. springt auf, nimmt seinen Freund und Mitangeklagten, den 17-jährigen Rigo B., in die Arme. Die Eltern schlagen weinend die Hände vors Gesicht. Selbst die Verteidiger wischen sich Tränen aus den Augenwinkeln.

Es ist das vorweggenommene Ende des spektakulärsten Prozesses nach dem diesjährigen 1. Mai. Seit September wird gegen die beiden Waldorfschüler Yunus K. und Rigo B. vor dem Landgericht wegen eines Molotowcocktail-Wurfes und versuchten Mordes, der bisher schwersten Anklage nach einem 1. Mai, verhandelt. Mehr als sieben Monate saßen die Jungen in U-Haft. Der Brandsatz hatte Polizisten verfehlt, verletzte aber eine 28-Jährige schwer. Alles sei eine Verwechslung, bestritten die Schüler stets die Tat. Zwei Polizisten hatten dagegen behauptet, die Angeklagten vom Brandsatz-Wurf bis zur Festnahme unablässig beobachtet zu haben.

Dagegen begründet Richterin Müller die Aufhebung der U-Haft damit, dass ein dringender Tatverdacht nicht mehr gegeben sei. Zwar sei davon auszugehen, dass die Polizisten nicht gelogen hätten. Dennoch könne die Kammer "Zweifel nicht überwinden", dass die Täter nach dem Wurf tatsächlich "ununterbrochenen beobachtet" wurden und nicht die Angeklagten Opfer einer Verwechslung seien. Das kommt überraschend - zuvor hatten die Richter wiederholt eine Verwechslung ausgeschlossen. Nun steht auch ein Freispruch kurz bevor.

"Wir hatten immer damit gerechnet, dass das Gericht seine Blockade aufgibt und den Tatverdacht fallen lässt", jubelt Verteidigerin Christina Clemm. Es habe keine objektiven Beweise gegen die Jungen gegeben, etwa Videos oder Benzinspuren an der Kleidung. Zeugen, die die Brandsatz-Werfer gesehen hatten, hatten Yunus K. und Rigo B. als Täter ausgeschlossen. "Jetzt muss es auch einen Freispruch geben", fordert Clemm.

Auch Freunde hatten in einer Kampagne die Freilassung von Yunus K. und Rigo B. verlangt. Am Donnerstag kommen über 100 Mitschüler zum Gericht. Es sei gelungen, das Klima der öffentlichen Vorverurteilung zu kippen, freut sich eine Mutter. Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen, begrüßt ebenfalls die Freilassung: "Sieben Monate U-Haft ohne Tatverdacht am Ende, das darf nicht nochmal passieren." Auch Juristen hatten bereits den hochgehängten Mordvorwurf kritisiert. Doch Staatsanwalt Ralph Knispel zeigt sich weiter vom dringenden Tatverdacht gegen Yunus K. und Rigo B. überzeugt.

Aber auch zwei andere Prozesse gegen vermeintliche Autobrandstifter ergaben zuletzt mangels Beweisen keine Verurteilungen. Im Oktober wurden aber zwei 19-Jährige wegen eines Brandsatzwurfes am 1. Mai zu 3 Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt - wegen gefährlicher Körperverletzung.

Mit Applaus und Umarmungen werden Yunus K. und Rigo B. empfangen, als sie aus dem Gericht treten. "Krass", stammelt Yunus K. "Ich kann das nach den letzten Monaten alles noch gar nicht raffen." Rigos Vater Axel B. steht mitgenommen daneben. "Wahnsinn, unfassbar." Der Prozess wird am Montag fortgesetzt, ein Urteil Mitte Januar erwartet.

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12 Kommentare

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  • K
    Kand.in.Sky

    Wurden eigentlich die beiden Angeklagten befragt bevor man über sie hier in der taz schrieb?

    Nein? Ist aber so Usus. Fragen sie mal Eva Schweitzer.

     

     

    #k.

  • B
    beate

    @ andreas

     

    Ach so du weißt wer geschmießen hat? Wenn die beiden so unschuldig sind warum sagst du uns denn nicht wer geschmiessen hat? Und das alle lügen ist auch klar sind doch alle unschuldig und nur ein Opfer der Justiz die wegen linker sachen angeklagt werden...

  • R
    Riga

    Unabhängig davon, daß ich die Situation auch mit Sorge betrachte, wie Polizei oft unbesonnen bis hirnlos, und die höhere Ebene panisch weil offensichtlich unter gossem Druck (Springer/RTL und co?) reagiert, frage ich mich tatsächlich auch warum immer wieder betont wird, daß es sich bei den beiden Angeklagten um Waldorfschüler gehandelt hat.Ich verbinde mit dieser Schulform gehobenes Bildungsbürgertum. Wenn die Jungs nicht aus diesem "gehobenen" Umfeld kämen, wo ständen sie dann wohl jetzt?

  • M
    mir

    @beate

    bevor man so etwas schreibt, sollte man sich vielleicht erst einmal mit den fakten auseinandersetzen. tatsache ist, dass die aussagen der polizisten sich nicht nur widersprochen haben, sondern auch nicht nachvollziehbar sind. sie haben die beiden 50 m vom angeblich tatort festgenommen, für die strecke allerdings 2-3 min gebraucht (solange braucht kein mensch egal wie voll es ist). auch ist es bei dem durcheinander beim ersten mai unmöglich jemand unablässig zu beobachten und gleichzeitig mitzubekommen wie die junge frau in entgegengesetzter richtung in flammen aufgeht.

    für mehr informationen am besten mal auf: www.yunus-rigo-prozess.de gehen.

    ich hab mich mit dem thema ganz unabhängig auseinandergesetzt und bin zu dem schluss gekommen, dass ein freispruch aufgrund mangelnder beweise das einzig richtige wäre. und die entlassung ist der erste schritt dazu.

     

     

     

    übrigens sucht sich jeder seine zeitung selber aus, da sind beschwerden über die politische richtung völlig unangebracht. wenns nicht passt am besten mal zu axel springer rübergehn.

  • A
    andreas

    ... Beate du bist echt lustig und leidest wahrscheinlich unter verfolgungswahn oder der wahrheit.

    im gegensatz zu dir, war ich, als die beiden brandsätze am kottbusser tor geflogen sind zugegen und es waren nicht yunus und rigo, die geworfen haben.

    schlimm auch, dass du anscheinend nicht wahrhaben willst, dass auch polizisten nur menschen sind und fehler machen, die frage aber ist, gerader bei der berliner polizei, ob die fehler bewusst geschehen oder nicht?

    nicht nur die beiden langjährig "erfahrenen" polizeizeugen aus dem yunus-rigo - prozess handelten frechtswiedrig, u.a. mit ihren falschaussagen.

  • B
    beate

    @sixtie4

     

    Ja ist völlig klar das die zeugen nicht gegen die beiden aussagen sind es doch alles zeugen die ebenfalls randaliert haben...

  • T
    TeufelsAdvokat

    -.- don`t feed the trolls...

  • B
    Beate

    Der eigentliche Skandal ist doch das die beiden jetzt wahrscheinlich freigesprochen werden. Zwei Zivilbeamte haben sie ganz klar erkannt. Und das ihre Autonomen Freunde sie nicht wiedererkannt haben wollen, ist doch völlig klar, wer scheißt denn seine freunde an???? Und ist es nicht so, dass Yunus bereits wegen einem ähnlichen Vorfall schon vorbestraft ist??? Erst große Klappe denn einen auf unschuldig machen und denn auch noch freigesprochen werdend das ist der Skandal!!!!

  • H
    hellacharlot

    Herr Peter PAn, soll das heißen, Sie wollen wieder in Zeiten zurück, in denen Linke ohne Beweise für Taten im Knast verschwanden?

  • S
    sixtie4

    @Peter Pan

     

    Wo wird in diesem Artikel linke Gewalt gejubelt? Wo wird jemand zum Held gemacht?

     

    Ich zitiere: "Zeugen, die die Brandsatz-Werfer gesehen hatten, hatten Yunus K. und Rigo B. als Täter ausgeschlossen."

     

    Hier geht es um offentsichtlich Unschuldige, welche vor Gericht um Ihre Freiheit bangen.

  • P
    P.Haller

    Hallo Peter Pan,

    was bejubelt die taz denn hier ??

    Hier werden lediglich Fakten und Tatsachen dargestellt, die dir und deinesgleichen zwar nicht passen, aber darauf ist auch gesch...

     

    Mir wäre es jedenfalls viel lieber, wenn ihr euch in den online-Kreisen bewegen würdet, wo ihr offensichtlich hingehört.

    Das andauernde Gejaule über Linke o.ä. geht mir inzwischen auf den Sender.

    Die taz ist nun mal eine etwas linkere Zeitung und das ist auch gut so. Rechte Hetzblätter gibts zur Genüge !

    Also lasst uns doch bitte mit eurem dumpfen law and order Gesülze in Ruhe.

    Schönes WE

  • PP
    Peter PAn

    Warum wird linke Gewalt in der Taz immer bejubelt.

    Ich bin für eine völlige Videoüberwachung in der Öffentlichtkeit. Nur so wird man die linke Gewalt in den Griff bekommen. Die die Menschen und Autos anzünden werden in der TAZ zu Helden gemacht.Sobald die Gewalt von rechts kommt, ist keine Strafe hoch genug.Ihr Gutmenschen der TAZ bezieht auch mal Stellung gegen linke Gewalt.