Portrait Andreas Pinkwart: Chaotischer Chaosforscher
2002 verdrängte er Möllemannn, der sich mit antisemitischen Parolen unmöglich gemacht hatte. Jetzt wirbelt er gegen Westerwelle – die FDP könnte das weiter ins Chaos stürzen.
Nordrhein-Westfalens FDP-Chef Andreas Pinkwart kämpft. Auf dem Spiel steht nicht nur das politische Überleben des 49-Jährigen: Angesichts von Umfragen, die für CDU und FDP im größten Bundesland keine Mehrheit mehr sehen und den Liberalen bei den Landtagswahlen im Mai nur noch sechs Prozent versprechen, muss der Vize-Ministerpräsident einmal mehr um die Präsenz seiner Partei im Düsseldorfer Landtag fürchten.
Pinkwart, der sich selbst gern "Innovationsminister" nennt, setzt deshalb auf Aktionismus. Der gelernte Bankkaufmann forderte die Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung für Hotels, die seine Landesregierung im Bundesrat mitbeschlossen hatte.
Außerdem nahm sich der promovierte Ökonom den eigenen Regierungschef vor: NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers liebäugelt nicht nur mit einem Bündnis mit den Grünen, sondern hält auch die von den Liberalen immer wieder geforderten Steuersenkungen für aus der Zeit gefallen.
Jetzt geht der einstige Betriebswirtschafts-Professor auch FDP-Bundesparteichef Guido Westerwelle frontal an: Der Außenminister sei überfordert und müsse parteiintern Macht abgeben, glaubt Pinkwart. Vom eigenen Machtinstinkt überzeugt, bringt er als neue liberale Führungsfiguren auch "einige Landespolitiker" und damit sich selbst ins Gespräch.
Erfolgreich geputscht hat der Ex-Büroleiter des langjährigen FDP-Bundestagsfraktionschefs Otto Solms schon einmal: 2002 verdrängte er Jürgen Möllemann als NRW-Parteichef, der sich mit antisemitischen Parolen und dubiosen Parteispenden ins Abseits manövriert hatte.
Dabei bezahlt der Vater von zwei Kindern den drohenden Machtverlust mit zunehmender Orientierungslosigkeit: So lobte Pinkwart, dessen wissenschaftliches Spezialgebiet die "Chaossteuerung in Unternehmen" ist, am Wochenende etwa CDU-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für dessen Weigerung, Hartz IV-Empfängern mehr Geld zahlen zu wollen - und ging ihn wegen seiner Kritik an der Kopfpauschale im Gesundheitswesen scharf an. Der Chaosforscher mag das für eine gut kommunizierbare Strategie halten - die eigene Partei könnte er mit seinem aggressiven Kurs weiter ins Chaos stürzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen