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Alkoholversorgung in AfghanistanAusländer werden trockengelegt

Die Beziehungen zwischen Westen und afghanischer Regierung verschlechtern sich. Gleichzeitig stockt in Kabul die Alkoholversorgung der zahlreichen Ausländer.

Kabul ohne Alkohol: In Hotels wie dem "Serena" sitzen neuerdings Ausländer auf dem Trockenen. Bild: dpa

"Geschlossen" steht auf dem Schild an der Stahltür. Eine Wache schiebt den Sichtschlitz auf und sagt, die "Lounge" werde erst nächste Woche wieder öffnen. Ob das stimmt, weiß keiner. In der "Lounge" in Kabuls schickem Wazir-Akbar-Khan-Viertel gab es im Winter Glühwein. Bei Boeuf bourguignon und Bier saß die Expat-Gemeinde um kleine Heizungen auf Sofas und Sesseln. Trinken hinter hohen Mauern und gesicherten Toren hat in Kabul Tradition. Doch damit scheint erst mal Schluss zu sein.

Kürzlich hat die Kabuler Polizei einige von den Westlern frequentierte Lokale durchsucht, kistenweise Alkohol beschlagnahmt und einige ukrainische Kellnerinnen wegen Verdachts auf Prostitution festgenommen. Die wenigen Restaurants, die nach den Razzien wieder geöffnet haben, servieren jetzt lieber Wasser, Tee und Softdrinks.

Verzehr und Verkauf von Alkohol ist im islamischen Afghanistan verboten. Die durchsuchten Restaurants hatten eine Sondererlaubnis des Informationsministeriums, um Ausländern Drinks zu servieren. Afghanische Beamte sagen, die Razzien erfolgten auf Wunsch des Innenministeriums. Das behauptet, es sei eine eigenständige Entscheidung der Polizei gewesen.

"Es ist der sanfte Weg, die Ausländer aus dem Land zu treiben", sagt ein Brite, der in Kabul eine Sicherheitsfirma betreibt. "Im Irak haben sie das auch so gemacht." Ende Oktober 2009 hatte Iraks Regierung den Verkauf und Transport von Alkohol in Bagdads "grüner Zone" verboten, wo in den letzten Jahren legendäre Partys stattfanden.

Mit seiner jungen und gut bezahlten Ausländergemeinde aus Diplomaten, Söldnern und Mitarbeitern internationaler Hilfsorganisationen hat Kabul ein abwechslungsreicheres Nachtleben als Neu-Delhi, Karatschi oder Teheran, die jeweils viel größer sind. Hinter Mauern und bewacht von Männern mit Kalaschnikows müssen Besucher strenge Sicherheitskontrollen durchlaufen, bis sie an die Bars gelangen. Schilder am Eingang weisen oft darauf hin, dass Afghanen der Eintritt verboten ist. Ohnehin kostet hier ein Abend einen durchschnittlichen afghanischen Monatslohn.

Razzien gab es schon öfter. Oft waren es Nachforderungen von Bestechungsgeldern, ohne die hier niemand Geschäfte macht. Doch die antiwestliche Stimmung hat in Kabul den letzten Monaten zu genommen, seit der Ton zwischen den USA und Präsident Hamid Karsai schärfer geworden ist. Die Reibereien zwischen den Westlern und den afghanischen Behörden sind im Alltag immer stärker zu spüren.

Bereits im Januar hatte es in Kabul Razzien bei ausländischen Sicherheitsfirmen gegeben. Ihnen wurden Verwicklung in Drogenhandel und Korruption vorgeworfen. Der Chef der Antikorruptionsbehörde, Mohammed Osmani, erklärte jüngst, Ausländer seinen für 80 Prozent der Bestechung im Land verantwortlich. Der Manager einer britischen Firma, die Londons Botschaft bewacht, wurde am 27. April zu einer zweijährigen Haftstrafe wegen Bestechung verurteilt. Die soll er jetzt im berüchtigtem Pul-e-Charkhi-Gefängnis zwischen Schwerverbrechern und Taliban-Kämpfern absitzen.

"Sie wollen den Spieß umdrehen", meint ein südafrikanischer Personenschützer in Kabul.

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4 Kommentare

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  • LT
    le tapir

    Ich kann durchaus nachvollziehen, dass Leute, die unter schwierigsten Umständen über Monate in Afghanistan arbeiten und unter Umständen kaum noch vor die Tür gehen können, weil sie ihr Leben riskieren, ab und zu einen Sekt oder Whisky trinken möchten. Da muss man nicht gleich an Orgien mit Prostituierten denken. Es wäre eine Geste der Freundschaft, in dieser Frage etwas toleranter zu sein. Warum dieser Puritanismus?

     

    Natürlich sollen Ausländer die Gesetze legitimer Regierungen beachten. Aber auch dann muss man noch zwischen lässlichen Sünden, kleinen Zollvergehen und schweren Delikten unterscheiden. Wo ordnen wir es ein, wenn jemand ein, zwei Liter Whisky im Gepäck hat. Wollen wir dafür wirklich 60 Stockhiebe? Zudem ist offensichtlich, dass sich Karsai-Regierung in der Alkohol-Frage rein populistisch verhält und den Druck auf Ausländer erhöht.

     

    Aber ich verstehehe schon: Der gute Linke ist gegen das westliche Engagement im Land - also sollen die bösen Imperialisten, die trotzdem hinfahren, dort auch bitte recht freudlos leben. An alle, die hier in Deutschland gerne mal einen Rotwein trinken oder sich politisch für die Legalisierung von Marihuana einsetzen, appelliere ich: Die Freiheit ist auch die Freiheit der anderen.

  • T
    Trinkschnecke

    Trinken für den Frieden ?

  • N
    Näm

    Wir kämpfen gegen afghanisches Opium und Afghanistan eben gegen den Alkohol.

     

    Aber jetzt mal ernst: Jeder kann sich vorstellen, wie diese Abende in Kabul oder auch die legendären Partys in Bagdad ausgesehen haben. Westliche Arroganz, die als Hilfe getarnt, in ein Land kommt und meint, sich so benehmen zu können wie zu Hause. Natürlich gibt es in Kabul/Afghanistan auch eine Alkoholkultur. (überhaupt sollte man auf das Alkoholverbot im Koran nicht so viel geben, wie das gerne gemacht wird. Überall in der islamischen Welt findet man Alkohol. Nur nicht überall ist er auch legal. Aber selbst in Iran ist der legale Erwerb von Alkohol möglich)

     

    Dass aber solch ein Auftreten nicht unbedingt dazu führt, dass die einfache Bevölkerung die Westler nun feiert, dürfte auch jedem klar sein.

     

    Afghanistan war und ist Spielball der Großen. Dieses schöne Land und seine Menschen haben besseres verdient. Denn wenn der Westen wirklich wollte, hätte er dem Land besser helfen können. In Afghanistan hat kein Mensch Lust auf Krieg und Gewalt, aber durch permanentes Fehlverhalten (Arroganz) gelingt es nicht, Vertrauen aufzubauen, was Extremisten fördert, die ja auch von fremden Mächten unterstützt werden, da diese ihre Stellung als Regionalmacht halten und ausbauen wollen.

     

    PS: So lange unsere Freiheit vielen Menschen den Genuss von zum Beispiel Marihuana nicht gestattet (ja ja, Konsum ist nicht illegal, aber eben der ganze Rest, von den Gesundheitsrisiken wegen skrupelloser Dealer mal ganz zu schweigen), muss man sich nicht über Alkoholverbote aufregen. Alkohol ist ebenso eine Droge wie Cannabis o.a.

  • J
    jojo

    Wer alks "Befreier" in ein Land kommt, der mag durchaus berechtigte Kritik an dort üblichen Menschenrechtsverletzungen (z.B. in Sachen Frauenrechten) üben, aber er sollte doch solche dort üblichen Regeln einhalten, die ohnehin Gesundheitsschädliches zusätzlich tabuisieren. Kein westlicher Ausländer ist gezwungen, nach Afghanistan zu gehen. Es mag vielleicht idealistische Gründe geben, dorthin zu gehen. Es gibt keinen Grund, dort Alkohol zu trinken. Erst recht nicht, wenn man dort wirklich helfen wollen sollte.