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Mutmaßliche PolizistenbeleidigungGericht erkennt kein öffentliches Interesse

Ein Mann kritisiert Polizisten, weil sie gezielt schwarze Fahrgäste kontrollieren. Dann soll er Strafe zahlen, weil er die Beamten als "Rassisten" beleidigt habe. Nun wird das Verfahren eingestellt.

Darf man Polizisten, die in einem U-Bahnhof dunkelhäutige Menschen kontrollieren, Rassisten nennen - oder ist das Beamtenbeleidigung? Das Amtsgericht Tiergarten konnte diese Frage am Mittwoch nicht entscheiden. Das Verfahren wurde eingestellt. Die Richter seien zu der Ansicht gelangt, dass die Schuld geringfügig und das öffentliche Interesse zu gering sei, um die Tat weiterzuverfolgen, sagte Gerichtssprecher Tobias Kaehne. Eine Grundsatzentscheidung darüber, ob solch eine Äußerung angesichts politisch unkorrekten Verhaltens erlaubt ist, sei damit aber nicht gefallen.

Kläger in der Verhandlung war Brian J. (47), der im vergangenen Herbst zwei Polizisten als "Rassisten" bezeichnet haben soll, weil sie im U-Bahnhof Pankstraße in Wedding aus einer größeren Gruppe weißer Personen heraus gezielt nur zwei schwarze Frauen kontrollierten. Den deswegen ergangenen Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten über 20 Tagessätze hat er zurückgewiesen und Einspruch eingelegt. J. engagiert sich nach Angaben seines Anwalts Eberhard Schultz unter anderem im "Bündnis Mitte gegen Rechts".

Der Anwalt argumentierte, dass die Äußerungen vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Er wertete die Anzeige der Polizisten wegen Beleidigung als Versuch, Kritik an staatlichem Handeln zu kriminalisieren. Nach Beobachtungen von Menschenrechtsorganisationen sind derartige Beleidigungsklagen von Polizeibeamten kein Einzelfall. Brian J. muss jetzt doch die Hälfte seiner Tagessätze zahlen. (taz, epd)

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8 Kommentare

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  • MH
    Martin Herrnkind

    In der Tat handelt es sich bei einem solchen Vorfall um einen bedeutsamen Unterschied, ob der Polizist als Rassist betitelt wird oder das Polizeihandeln als rassistisch.

    Denn den meisten von uns gelingt es nicht, in den Kopf des Polizisten hinein zu schauen, um das Motiv seines Handelns zu ergründen.

    Möglich ist, er kontrolliert Schwarze und keine Weiße, weil er rassistische Attitüden in sich trägt.

    Möglich ist aber auch, dass er keinen rassistischen Attitüden folgt, sondern den Handlungsmustern seiner Dienststelle. Und sei es nur, weil diese Art selektiver Kontrollen die Wahrscheinlichkeit erhöht, den Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen aufzudecken.

    Auch das ist im Effekt rassistisches Handeln, aber es ist eben institutionalisierter Rassismus, bzw. instiutionalisierte Diskriminierung.

    Die Rechtsanwältin Brigitte Kiechle wurde vor bereits über zehn Jahren durch das Amtsgericht Karlsruhe vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Sie hatte die Kontrollpraxis der Polizeibeamten als "rassistisch angehaucht" bezeichnet(Süddeutsche Zeitung, 14.10.2000, S. 13). Das Gericht gestand Kiechle zu, sie habe nicht die Einstellungen der Beamten kritisieren wollen, sondern die allgemeine Polizeipraxis.

  • P
    Prozessbeobachter

    So ein Quatsch - Die Polizisten waren die Kläger, die haben Anzeige erstattet. Und Brian J. muss auch nichts zahlen, nur die Hälfte der Anwaltskosten. Echt schlecht recherchiert... Das ND ist besser, deren Reporter war wenigstens vor Ort:

    http://www.neues-deutschland.de/artikel/197990.das-ist-rassismus.html

  • AA
    alf ator

    @welfare1: ach wie süß... und gefährliche körperverletzung seitens der staatsmacht wohl nicht?! außerdem exisitiert der tatbestand der "beamtenbeleidigung" aufgrund des gleichbehandlungsgrundsatzes gar nicht mehr (welcher übrigens auch die ordnungshüterInnen zu nicht-rassistischem verhalten veranlassen sollte)...

     

    mich verwirrt nur, wieso er trotzdem die hälfte zahlen muss, wenns eingestellt wurde?

  • O
    Oliver

    Aber, aber, Welfare1 :)

     

    Die Berliner Polizei lässt sich doch gelegentlich gerne beleidigen und übernimmt sogar die Kosten dafür:

     

    http://www.berlinkriminell.de/2/gericht_akt16.htm

     

    Erinnern Sie sich noch an Michael Naumann? Den leitenden Staatsanwalt im Fall Friedman nannte er "durchgeknallt". Außerdem hatte er Straffreiheit bei Kokainbesitz von Prominenten gefordert, die er seine Freunde nennt. Außerdem regte er an, das Wort "Menschenhandel" bei der gleichen Personengruppe durch "Bordell" oder "Nachtclub" zu ersetzen :)

     

    Naumann wurde nach fünf Jahren auf Kosten des Steuerzahlers freigesprochen...

     

    Welfare1, ist bei der Berliner Polizei vielleicht alles nur eine Frage des Einkommens? Hier haben wir schon zwei Fälle einer Ungleichbehandlung.

     

    AI sieht die Berliner "Markenträger" des Öfteren auch etwas skeptisch, wofür sie schnell als "Querulanten" abgestempelt werden. Jetzt kann sich jeder selbst fragen: Was ist Demokratie bzw. Meinungsfreiheit, was bedeutet "gleich vor dem Gesetz" und wer beleidigt hier wen? :)

  • F
    Fenriswolf

    entweder ist es eine Beleidigung oder nicht, und wenn nicht ist Freispruch nötig. Alles andere ist Willkür.

  • F
    Fred

    @Welfare1

     

    Sowas wie Beamtenbeleidigung gibt es nicht in unserem Land. Das Gesetz gilt für alle Bürger.

  • G
    Gudrun

    "Das ist Rassismus" war's und nicht "Rassisten". Hat er ja auch im Prozess so bestätigt. Abgesehen davon: Dürftiger Artikel. Die Problematik um den strukturellen Rassismus, die ja eigentlich im Gerichtsverfahren diskutiert werden sollte das dann wie im Artikel erwähnt eingestellt wurde wäre eigentlich das Thema...

  • W
    Welfare1

    Er hätte die vollen Tagessätze zahlen sollen. Beamtenbeleidigung steht in Berlin auf der Tagesordnung und ist kein Kavaliersdelikt.