US-Geheimdienst-Chef Keith Alexander: Amerikas Internet-Krieger
Der Boss des US-Geheimdienstes NSA soll bald das "Cyber Command" leiten. Der Generalleutnant Keith Alexander vertritt eine offensive Netzpolitik: US-Militärs sollen auch mal zurückschlagen.
Wenn in internationalen Scharmützeln bislang vom "Cyberkrieg" die Rede war, hatte das praktisch gesehen verhältnismäßig harmlose Auswirkungen: Da greifen dann Hacker eines Landes Server eines anderen an (iranische Aktivisten leiten Twitter um), werden Websites von Regierungsorganisationen blockiert (russische Hacker zeigen Estland im Netz, was eine Harke ist) oder Geschäftsgeheimnisse entwendet (China gegen Google und andere große US-Firmen). Echte "harte" Gefahren, etwa Attacken auf das Finanzsystem eines Staates, aufs Stromnetz oder andere wichtige Infrastrukturen, bestehen bis dato nur auf dem Papier.
Beim US-Militär ist man fest davon überzeugt, dass es bald soweit sein könnte. Deshalb hat die Regierung im vergangenen Sommer die Einrichtung eines so genannten "Cyber Command" beschlossen, wo Uniformträger, Schlapphüte und IT-Experten zusammenkommen sollen, um Netzangriffe zu erkennen und abzuwehren. Wenn es nach Keith Alexander, derzeit noch Direktor des US-Supergeheimdienstes NSA und designierter Leiter des Cyber Command, geht, bekommt das "USCYBERCOM" getaufte Unterfangen noch eine zusätzliche, scharfe Komponente. Die Truppe solle in die Lage versetzt werden, nicht nur zu verteidigen, sondern auch angemessen zurückzuschlagen, betont Alexander - was immer das im Bereich des leidlich ambivalenten Begriffes "Cyberkrieg" auch praktisch heißen mag.
Die militaristische Rhetorik verschaffte dem Generalleutnant, der im Studium eine Wirtschaftsausbildung mit einem Diplom in Physik und elektronischer Kriegsführung verbunden hatte, zunächst nicht nur Freunde. Seine Berufung als Cyber Command-Chef zog sich über sechs zusätzliche Monate hin und soll erst in den nächsten Monaten abgeschlossen sein. In diese Woche musste er dem US-Senat erklären, wie sehr sich die NSA in die Cyberkriegsführung einklinken will und welche Auswirkungen das alles auf Netzwerke außerhalb der Regierungsinfrastruktur haben wird. Ganz ausschließen, dass man auch nichtmilitärische Netze angreifen würde, wollte er nicht. Zwar sei es kaum vorstellbar, dass etwa eine Bank oder Finanzinstitution von Cyber Command-Kriegern attackiert wird. "Doch vielleicht existiert die ja nur dafür, die Militäroperationen des Feindes zu unterstützen." Als Reaktion auf einen Cyberangriff könnte so möglicherweise sogar militärisch agiert werden, auch einen Präventivschlag gegen "Schurkenstaaten" lehnt Alexander nicht gänzlich ab.
Das IT-Fachmagazin "The Inquirer" schrieb leicht zynisch, unter den Einsatzregeln Alexanders hätten die USA wohl kürzlich Großbritannien von der Landkarte tilgen können, weil von dort aus vor einigen Jahren ein Hacker probiert hatte, auf der Suche nach Beweisen für die Existenz von UFOs Rechner des Pentagons zu penetrieren. (Der Verdächtige wehrt sich derzeit mit aller Kraft gegen eine Auslieferung an die USA, aber das nur am Rande.)
Das kleine Problem, dass man bei Internet-Angriffen fast nie weiß, wo sie wirklich herkommen - Regierungen nehmen selten die Verantwortung auf sich -, ficht Alexander nicht an. "Wir müssen computerbasierte Angriffe schnell und stark beantworten und die Gefahr abwehren oder ausschalten, auch wenn die Identität des Angreifers nicht bekannt ist." Man dürfe sich nicht vor Ländern wie Nordkorea oder Iran fürchten, nur weil die Cyberattacken durchführen könnten. "Wir müssen auch auf das Schlimmste vorbereitet sein."
Wie so eine Cyberselbstverteidigung aussehen könnte und was Alexander als Präventivschlag ansehen würde, ist bislang öffentlich nicht bekannt - Informationen dazu wurden nur im geheimen Teil der Senatsbefragung erteilt. Es kostet nicht viel Fantasie, sich die Probleme dabei vorzustellen. Wenn Twitter von der "Iranian Cyber Army" die Domain entführt wird, schnappt sich dann das Cyber Command die Adresse des Blogs von Mahmud Ahmadinedschad? Wenn chinesische Hacker (von denen die Pekinger Regierung ablehnt, sie auch nur zu kennen) bei Google und zig anderen Hightech-Firmen einbrechen, muss es das Cyber Command dann auch bei asiatischen Marktriesen? Ist das Aufsetzen von Botnetzen, die Einzelpersonen und Firmen ausspionieren, schon Cyberkrieg? Die Menschheit könnte sich noch wundern, was da an kriegerischem im Netz auf sie zukommt. Alexander, mit 58 Jahren kein Jungspund mehr, gibt sich derweil am Puls der Zeit: Gerade hat der potenzielle Cyber Command-Boss sich ein iPad von Apple gekauft - mit dem Kommentar "ich liebe Computer".
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