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Piraten betreten NeulandDie Partei übt noch

Obwohl niemand genau weiß, was Verhältniswahlrecht ist, schafft es die Piratenpartei, einen neuen Vorstand zu wählen. Und will professioneller werden.

Gehversuche: Piratenpartei verheddert sich in Formalia. Bild: dpa

Der kleine Saal im Eidelstedter Bürgerhaus ist gut gefüllt, als der Parteitag der Hamburger Piraten am Samstagmittag beginnt. Wie gewohnt stellen Männer die Mehrheit, dunkel gekleidet, die meisten zwischen 30 und 40 Jahre alt. Passwörter für den WLAN-Zugang werden verteilt. Die Protokollantin ruft nach einem Laptop und aus der dritten Reihe wird noch schnell ein Versammlungsleiter rekrutiert.

Richtig routiniert ist die Partei noch nicht, wenn es um Formalia geht. Wie ein Antrag an die Geschäftsordnung gestellt wird, was überhaupt zu beantragen sein könnte, muss erst erklärt werden - mit nicht zu überhörender Selbstironie. Solange es nicht um Wahlen geht, werden die Strukturen nicht sehr ernst genommen.

Der bisherige Vorsitzende Christian Bucher spricht das Begrüßungswort. Er selbst hatte sich auf eine ganze Amtszeit eingestellt - bis die Koalition zerbrach und Wahlen anstanden. Dann der Erfolg in Berlin. 150 neue Mitglieder habe er den Hamburger Piraten beschert. "Wer jetzt in den Vorstand gewählt wird, muss den Job auch wollen", sagt Michael Vogel. Die Kandidaten, die am Samstag auf der Bühne stehen, wollten in den Vorstand. Zumindest würden sie die Wahl annehmen, sagen sie.

Anne Alter, bislang politische Geschäftsführerin und Beisitzerin im Vorstand, ist die einzige Frau auf der Bühne - und die Einzige, die auf ihre Leitungserfahrung verweist. Auf die Bitte, "nochmal zu erläutern, dass sie nicht nur deswegen im Vorstand gewünscht ist, weil sie eine Frau ist", erwidert Alter: "Sobald ich hier nur stehe, um die Quotenfrau zu sein, trete ich zurück." Sie wird anstandslos gewählt.

Dass viele Medien den geringen Frauenanteil in der Partei kritisiert haben, zeigt Wirkung. Immer wieder heißt es: Mehr Frauen wären schön, doch eine Quote? Nein, danke. "Ich glaube, dieses Problem löst man am besten durch Vorleben", sagt Alter.

Das Thema ist eines von vielen, bei denen die Redner vage bleiben. Als umweltpolitische Themen ins Wahlprogramm sollen, herrscht Stille. "Ihr findet das alle gut, nicht wahr?", fragt der Antragsteller. Man vertraut ihm: Luftverkehrsabgaben auch für Güter - das klingt gut. Neu-Vorständler Burkhard Masseida bringt das Problem auf den Punkt: "Wir müssen professioneller werden."

Dabei kann man ihnen nicht vorwerfen, dass sie nicht üben: Ein neues Verhältniswahlrecht für Personenwahlen, dass noch am Vormittag neu eingeführt wurde, wird nach ersten Komplikationen verworfen. "Obwohl ich es selbst ausgerechnet habe, kann ich das Ergebnis nicht nachvollziehen", sagt Wahlleiter Robert Saade.

"Ich schlage vor, wir wählen noch mal - nach dem alten Verfahren." Ein Glück, dass die Piraten geduldig sind. Und optimistisch: "Genau deswegen probieren wir sowas jetzt und nicht erst im Bundestag", sagt Michael Büker. Er hatte das neue Verfahren vorgeschlagen.

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7 Kommentare

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  • S
    schreiber

    markus? hä?

    so heiße ich nicht. o.O

  • F
    FranKee

    Schön wäre es!

    Exakt welche Sätze dieses Artikels waren ironisch?

    Und: Welche hatten Biss?

     

    Mir erscheint das Gesamtkunstwerk schwach aber ernst gemeint. Nicht dasset wichtig wäre, aber mehr erkenne ich da nicht.

     

    EoD

  • F
    FranKee

    @schreiber

     

    Markus, das hast Du schön gesagt :o)

  • MB
    Michael Büker

    Ich bitte den Ausbruch von „FranKee“ zu entschuldigen.

     

    Wir sind uns des Problems bewusst und arbeiten in der Piratenpartei daran, das Verhalten mancher Mitglieder und/oder Sympathisanten in Reaktion auf ironische oder bissige Presseartikel zu zügeln. Es ist leider ein langsamer Lernprozess.

     

    Mir hat der Artikel gefallen, und das obwohl ich der Schuldige an der Wahlwiederholung war ;-)

     

    Bitte lassen Sie sich nicht davon abschrecken, uns wieder zu besuchen!

  • I
    Ike

    Hallo!

     

    Ich denke, der Artikel gibt recht gut den Tag wieder. Piraten sind in der Regel mit viel Spaß bei der Arbeit - aber gleichzeitig mit dem gebotenen Ernst, wenn es um Details geht.

     

    Michael

  • F
    FranKee

    Frau Leonie Brand, journalistisch ist das eine 5:

     

    > Männer die Mehrheit, dunkel gekleidet

    Was möchten Sie uns sagen? Grufties, Metal fans, Schwarzer Block? Auf meinen Weitwinkelbildern erkenne ich weder das eine noch das andere. Es ist Herbst, und wir sind im dezenten Hamburg, und unsere T-Shirts sind schwarz. Das haben Sie gut erfasst.

     

    Sie selber haben es in der Bildauswahl ja bei einem maximal-belanglosen dpa-Symbolphoto belassen.

    War versehentlich kein Film drin? Ui, eine Piratenflagge. Waren Sie *wirklich* da?!?

     

    > Der kleine Saal im Eidelstedter Bürgerhaus ist gut gefüllt

    "Klein". "Gut gefüllt". Zu den Antworten auf langweillige journalistische W-Fragen hätte gehört:

    Es waren etwa 80 Leute da, der Saal hätte für ca. 100 gereicht, eine gute Wahl.

    Und damit deutlich mehr als 10% aller Hamburger Mitglieder.

    Ob das klein ist? Was meinen Sie denn, wieviel Leute bei der FDP derzeit so aufschlagen?

     

    > Passwörter für den WLAN-Zugang werden verteilt.

    Es hing ein Schild über der Tür. Waren Sie überhaupt da?

    Bei der Jungen Union schreibt man auch nicht mehr auf Mamortafeln.

    Aber bei uns passt des scho so sche ins Klischee, gell?

     

    > Richtig routiniert ist die Partei noch nicht... werden die Strukturen nicht sehr ernst genommen.

    Ich glaub wir waren auf unterschiedlichen Veranstaltungen. Es ging derart diszipliniert, ruhig und ordnungsgemäß zu.

    Wahlen, Gegenreden, GO-Anträge, Satzungsänderungen, einfache und 2/3 Mehrheiten, das ganz Programm. Unser Satzungsexperte hat einen über Wochen vorbereiteten detaillierten Änderungsantrag eingebracht, damit etliche kleine technische Fehlerchen mal aus der Satzung verschwinden. Daben ging es um offizielle Bezirksverbände und informelle Stadtteil-Gruppen. Und wir "nehmen Strukuren nicht ernst"? Wo waren Sie eigentlich?

     

    Wenn ein nagelneuer Versammlungsleiter da am Anfang reinfinden muss, so what?

    Veteranen die in den 80er bei den Grünen waren, bestätigen das: Dagegen sind wir ein professioneller, hochorganisierter Traum.

     

    > Der bisherige Vorsitzende ... hatte sich auf eine ganze Amtszeit eingestellt -

    > bis die Koalition zerbrach und Wahlen anstanden.

    Ja... Und weiter? Exakt was hat die Amtszeit des Vorsitzenden (1 Jahr, von LPT zu LPT) jetzt mit den spontanten und regulären Wahlen in HH und Berlin zu tun?

     

    >...ist die einzige Frau auf der Bühne

    Es waren auch weibliche Wahlhelfer aus SH auf der Bühne.

     

    > Sie wird anstandslos gewählt.

    Das klingt nach: aufgestellt, durchgewunken, weiter im Text.

    Nochmal zu diesen langweilligen journalistischen W-Fragen:

    Es gab drei Kandidaten, 1 Frau, 2 Männer. Die sich respektieren, denen es um die Sache geht, ergo: keine "Kampfkandidatur" aber eine echte Wahl. Alle drei haben relevante Stimmenanteile erhalten. Was möchte Sie uns da "anstandslos" genau sagen?!? Im Deutschaufsatz wäre das der Rote Kringel mit S für "Stil".

     

    > Luftverkehrsabgaben auch für Güter - das klingt gut.

    Das klingt nicht nur gut, es gibt dahinter auch eine wohlbegründete Rationale, die gekürzt auch vorgetragen wurde, nämlich, daß es für die CO2 Belastung ziemlich egal ist, ob sie auf Passagier- oder Güterverkehr herührt.

     

    Waren Sie schon mal auf einem anderen Parteitag?

    Haben Sie auch nur ir-gend-was zur Vorbereitung auf unserem gelesen?!?

    Der hier Erwähnte hat in der Tat hervorragend und fachlich fundiert vobereitet und richtig Ahnung von seiner Materie. Insoweit herrscht in der Tat Vertrauen in seine Kompetenz, auch wenn -zugegeben- viele im Vertrauen auf ebendiese zugestimmt haben.

     

    Wenn Sie oberflächliches "mein Freund, der Baum" wollen, kann ich die Eimsbüttler Grünen sehr empfehlen!

     

    >... wird nach ersten Komplikationen verworfen.

    "nach ersten Komplikationen verworfen": Auch das, Frau Leonie Brand, ist auf jeder Journalistenschule eine 5: unsäglich unpräzise bis sachlich falsch:

     

    Etliche Wahlen, u.a. die zum Vorsitz, wurden mit diesem Verfahren einwandfrei durchgeführt.

    Erst bei der Beisitzerwahl (große Kandidaten- und Ämterzahl, enge Stimmenverhältnisse) kam die höhere Komplexität dieses Verfahrens derart zum Tragen, daß -erst für diese Wahl- wieder auf ein vereinfachtes Verfahren zurückgegriffen wurde.

     

    Bleibt noch die völlig sinnfreie Bildunterschrift:

     

    > verheddert sich in Formalia.

    Hä? Kassenprüfung, Vorstand entlastet, ein paar Formalia aus den Vorjahren nachgeholt, neuer Vorstand, Vertreter, Beisitzer, Schatzmeister gewählt. Satzung glattgezogen, zum Schluß gar noch ein programmatische Anträge hinterher. Echte, faire Wahlen, Kein Kampf, kein Krampf. Natürlich gäbe es immer noch mehr und mehr zu tun, aber alles Wesentliche hat 100% stattgefunden.

     

    Da hat es schon ganz andere Parteitage gegeben. Bei uns und anderen.

     

    Ich weiß nicht, wo Sie Sonntagnachmittag waren, mit Ihrer Aufmerksamkeit jedenfalls nicht in Bürgerhaus Eidelstedt.

  • S
    schreiber

    die einzige Frau auf der Bühne von insgesamt drei Piraten die zur Wahl standen. So viel Zeit muss sein ;O)

    Ich gratuliere Anne ganz herzlich und freue mich auf _einen_ äußerst kompetenten _Piraten_ als Vorsitzende :O)