Rebellen der Freien Syrischen Armee: Oberster Militär abgesetzt
FSA-Generalstabschef Selim Idriss muss seinen Posten räumen. So will es der Militärrat, der ihn für die Misserfolge auf den Schlachtfeldern Syriens verantwortlich macht.
BEIRUT afp | Angesichts ausbleibender militärischer Erfolge hat sich die vom Westen unterstützte Freie Syrische Armee (FSA) von ihrem Generalstabschef Selim Idriss getrennt. Führende Vertreter des Obersten FSA-Militärrats gaben am späten Sonntagabend bekannt, dass die Entlassung einstimmig beschlossen worden sei. Zum Nachfolger wurde der aus der Armee desertierte Brigadegeneral Abdel al-Ilah bestimmt. Um die Rebellenhochburg Jabrud bei Damaskus wurde am Montag heftig gekämpft.
Umgeben von anderen Militärratsmitgliedern sagt Oberst Kassem Saadeddin in einem im Internet veröffentlichten Video, innerhalb des Generalstabs der FSA habe in den vergangenen Monaten "Lähmung" geherrscht. Es bestehe die Notwendigkeit einer „Umstrukturierung“.
Wie die Nachrichtenagentur AFP aus Rebellenkreisen erfuhr, wurde dem im Dezember 2012 zum FSA-Chef ernannten Idriss eine „schlechte Verteilung der Waffen“ an die Rebellenkämpfer vorgeworfen. Er habe zudem die Kämpfe vernachlässigt und sei "weit von den Sorgen der Aufständischen entfernt".
Die USA und Großbritannien hatten im vergangenen Dezember nach der Eroberung mehrerer Stellungen und Waffenlager der FSA durch dschihadistische Kämpfer entschieden, ihre „nicht tödliche Hilfe“ für die Aufständischen auszusetzen. Experten erwarteten nun, dass nach der Umstrukturierung der FSA-Spitze die Waffenlieferungen an die FSA wieder in Gang kommen könnten.
Die FSA war aus dem bewaffneten Aufstand gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad entstanden. Die vor drei Jahren begonnene Rebellion entwickelte sich zu einem Bürgerkrieg, in dessen Verlauf Schätzungen zufolge mehr als 140.000 Menschen getötet wurden. Eine politische Lösung blieb bislang aus. Erst am Samstag endete die zweite Genfer Gesprächsrunde zwischen der syrischen Führung und den Regierungsgegnern ohne Ergebnis oder Termin für ihre Fortsetzung.
Heftige Kämpfe in Jabrud
Die Rebellen hatten in der Hoffnung auf eine Änderung des militärischen Kräfteverhältnisses im September 2013 auf einen Angriff der USA gesetzt. Als dieser ausblieb, erlitten die Aufständischen eine Niederlage nach der anderen. Die Armee eroberte eine großen Teil der Rebellenstellungen zurück. Nahezu täglich bombardieren und beschießen die Regierungstruppen Aleppo im Norden, Homs im Zentrum und Deraa im Süden. Am Montag trieben die Soldaten die Einkreisung der Rebellenhochburg Jabrud nahe der Grenze zum Libanon voran.
Nach Informationen der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte gab es am Stadtrand von Jabrud heftige Kämpfe zwischen Regierungstruppen und islamistischen Einheiten wie der Al-Nusra-Front. An den Kämpfen war demnach auch die syrische Luftwaffe beteiligt, die mit Bombenangriffen versuchte, den Nachschub für die Rebellenhochburg zu unterbrechen. Die Angaben der Beobachtungsstelle können von unabhängiger Seite kaum überprüft werden.
In Babbila, einem Vorort im Süden von Damaskus, einigten sich Armee und Rebellen am Montag auf eine Waffenruhe. In den vergangenen Tagen waren solche Vereinbarungen bereits in den meisten Ortschaften rund um die Hauptstadt geschlossen worden, einschließlich dem Palästinenserlager Jarmuk. Weitere Verhandlungen gab es um die Rebellenhochburg Harasta im Nordosten und um Daraja im Südwesten von Damaskus.
Die Waffenstillstandsabkommen besagen, dass die Regierungstruppen ihre Belagerung der von Rebellen kontrollierten Orte aussetzen und dringend benötigte Nahrungsmittel durchlassen. Im Gegenzug händigen die Aufständischen ihre schweren Waffen aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“