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Explosionen in Rush-hourAnschlag auf Moskaus Metro

Zwei Selbstmord-Attentäterinnen sprengen sich in der Moskauer U-Bahn in die Luft – und töten mindestens 35 Menschen.

Entsetzen: Heute Morgen an der Moskauer U-Bahn-Station "Lubjanka". Bild: reuters

MOSKAU dpa/apn | Mitten im Berufsverkehr haben sich am Montagmorgen Selbstmordattentäterinnen in zwei Zügen der Moskauer U-Bahn in die Luft gesprengt und mindestens 35 Menschen mit in den Tod gerissen. Mehr als 70 Fahrgäste wurden verletzt. Hunderte Rettungskräfte waren im Einsatz.

Wie der russische Inlandsgeheimdienst FSB mitteilte, zündeten die Frauen ihre Sprengsätze an den Stationen "Lubjanka", wo auch die FSB-Zentrale liegt, und "Park Kultury" im Zentrum der russischen Hauptstadt. An der Station "Lubjanka" befindet sich auch das Hauptquartier des russischen Geheimdienstes.

Zuletzt hatten islamistische Terroristen aus der Konfliktregion im Nordkaukasus immer wieder damit gedroht, im ganzen Land Anschläge zu verüben. Nach Angaben von Ermittlern tragen die Anschläge auf die Metro die Handschrift der Islamisten. Die Sprengstoffanschläge mit einer Wucht von 3 beziehungsweise 1,5 Kilogramm TNT erfolgten im Abstand von weniger als einer Stunde: der erste um 7.56 Uhr Ortszeit (zu Moskau gibt es zwei Stunden Zeitverschiebung), der zweite 44 Minuten später.

Es waren die ersten Anschläge in der Moskauer Metro seit sechs Jahren. Zuletzt sprengte sich 2004 ein Selbstmordattentäter in der U- Bahn in die Luft und riss 41 Fahrgäste mit in den Tod. 250 Menschen wurden verletzt. Bei dem Täter handelte es sich damals um einen Untergrundkämpfer aus dem Nordkaukasus.

Von Außen kann man den Schrecken nur ahnen: Rettungskräfte an der Metrostation "Park Kultury". Bild: reuters

Im November vergangenen Jahres kamen bei einem Anschlag auf den Schnellzug "Newski Express" zwischen Moskau und St. Petersburg 26 Menschen ums Leben. Etwa 100 weitere wurden verletzt. Tage später bekannten sich islamistische Extremisten zu der Tat und kündigten einen "Sabotagekrieg" gegen die "blutige Besatzungspolitik" Moskaus im Kaukasus an.

Experten in Moskau vermuten, dass es sich bei dem neuen Anschlag um einen Racheakt islamistischer Separatisten handeln könnte. Russische Sicherheitskräfte hatten in der Konfliktregion, in der auch das frühere Kriegsgebiet Tschetschenien liegt, zuletzt Dutzende Rebellen getötet.

Die Islamisten kämpfen für ein von Moskau unabhängiges Kaukasus-Emirat. Die Einsätze gegen die Untergrundkämpfer werden maßgeblich auch vom FSB gesteuert. Der russische Präsident Dmitri Medwedew hatte angesichts einer Vielzahl von Anschlägen in den vergangenen Jahren eine verstärkte "Jagd" auf die Banditen, wie sie offiziell genannt werden, gefordert.

Die Selbstmordattentäterinnen hätten die Bomben am Montag bei sich getragen, sagte der Moskauer Staatsanwalt Juri Semin nach Angaben der Agentur Interfax. Es wurde geprüft, ob sie über ein Mobiltelefon gezündet wurden. Die genaue Zahl der Toten und Verletzten stehe noch nicht fest, sagte er.

Die Moskauer Polizei rief die Bevölkerung in der 10-Millionen-Metropole zur größten Wachsamkeit auf. Wegen der Gefahr weiterer Anschläge wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft.

Russland wird immer wieder von schweren Terroranschlägen erschüttert. Da die Bluttaten sich meistens im Nordkaukasus weit weg von der russischen Hauptstadt ereignen, nehmen viele Russen keine Notiz davon. Auch die russischen Medien berichten in aller Regel nur dünn über die Konflikte in der Unruheregion. Die Islamisten hatten immer wieder angedroht, den Terror in das russische Kernland zu tragen, um sich Gehör zu verschaffen.

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4 Kommentare

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  • A
    Ayla

    @Hanne:

    erst einmal ist hier meiner Ansicht nach nicht der Ort Rassismus zu verbreiten. Was hat das ganze tscheteschenische Volk damit zu tun, wenn sich zwei Geistesgestörte in die Luft jagen. Genauso verhält es sich mit ihrer Trauer um die russischen Opfer. Natürlich ist zu bedauern, dass so viele Menschen dem Anschlag zum Opfer gefallen sind; aber woher nehmen sie die Sicherheit, dass alle Opfer Russen waren. In Moskau leben mit Sicherheit auch Menschen mit anderer ethnischer Zugehörigkeit. Ich denke Sie sollten die Kritik der Einseitigkeit, die Sie diesem Artikel unterstellen, an ihre eigene Adresse richten. Schwarz- Weiss -Malerei ist bei so komplexen politischen Themen sehr vereinfachend und wenig konstruktiv. Es ist einfach schade, dass wieder umsonst Menschen sterben mussten; die wahrscheinlich auch noch nichts mit dem Konflikt im Kaukasus zu tun haben. Ich würde mir eine tatsächlich bewusste und korrekte Kritik wünschen, wenn schon bei so einem schmerzhaften Thema der Senf dazu gegeben werden muss. Zynismus bringt da auch nicht weiter,#

    MfG.

  • JR
    Jörg-Martin Rassow

    Jetzt werden die Tschetschenen auch schon Islamisten genannt. Die haben doch mit Al Qaida nichts zu tun! Waum es dort Krieg gibt, und warum denen dort kaum noch eine andere Möglichkeit bleibt als Anschläge zu verüben, das kann am besten Rußland beantworten.

  • K
    Knarz

    Huch, ist wieder Wahlkampf, hab ich was verpasst?

    Möchte an dieser Stelle an die Hochhaussprengungen 1999 in Moskau erinnern, die laut inzwischen mysteriös verschiedenen (remember polonium?) FSBlern von Putin höchstselbst angeordnet waren (s. http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/%5Cleichen-wurden-in-suempfen-versenkt%5C/). Litwinenko nutzte damals eine Livesendung in einem der letzten unabhängigen Sender, um gemeinsam mit einem ehemaligen Kollegen, der auf ihn angesetzt war, die Liquidation jedoch verweigerte, dieses Fass aufzumachen. Also Hanne, nicht alles vermeintlich offensichtliche glauben, keine Panik und die Bild mal ganz weglassen.

  • H
    Hanne

    Interessant wie rege sich hier die Kommentare häufen...

    ist ja beim russ.geheimdienst gewesen...schadet ja nix 8oder so ungefähr).

    Jetzt würde ich mal ein wenig mehr darüber nachdenken wieso ein Dialog mit tschetschenen nicht so einfach ist.Aber immer schön einseitig nur die tschetschenische Bevölkerung verteidigen...

    Meine tiefe Anteilnahme und mein Bedauern gelten hier ausnahmslos der russischen Bevölkerung.