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Die WahrheitHacke, knülle, rotzevoll

Eine Ethnologin aus Grönland untersucht den größten linguistischen Schatz der Deutschen: ihr überreiches Vokabular zur Trunkenheit.

Hundert Wörter für Trunkenheit. Aber nur ein Schild zur Prävention der schlimmen Folgen. Bild: Matthias Schrader/ap

In jeder Kultur gibt es bestimmte Dinge, für die es besonders viele Wörter gibt, und andere, für die ein einziges Wort reicht. „Das ist kein Zufall, sondern Ausdruck der Wertschätzung einer Gesellschaft“, sagt Dr. Arnapkapfaaluk Ashevak, Dozentin für Mitteleuropäische Ethnologie an der Universität Nuuk. Jetzt hat die grönländische Wissenschaftlerin eine aufsehenerregende Entdeckung gemacht: Die Deutschen kennen hundert Wörter für den Zustand der Trunkenheit.

„Sie leben nun mal in einer ganz anderen Welt als wir Inuit. Für uns ist Besoffensein eben einfach Besoffensein. Wer aber verschiedenste Aggregatzustände der Trunkenheit unterscheiden kann und dies sogar in seine Sprache festschreibt, für den hat dieser Teil des Lebens besondere Bedeutsamkeit“, erklärt die zierliche Expertin mit den eisblauen Augen.

Eine schier beindruckende Fülle an fein abgestuften Begriffen hat Dr. Arnapkapfaaluk Ashevak herausgefiltert: Ob alkoholisiert oder betrunken, hackedicht oder stockbesoffen, knülle, bums- oder rotzevoll, beschickert, beduselt, benebelt, stralle, lattenstramm, angeheitert, angesäuselt, berauscht, beschwipst, sturzbesoffen und 84 mehr. Was den Inuit der geliebte Schnee und den Engländern der Penis (ding-a-ling, beef-thermometer, to name but a few) ist den Deutschen eben der Suff.

Mithilfe eines Postdoc-Stipendiums hat die junge Ethnologin zwei Jahre in Deutschland gelebt, mitten unter der Bevölkerung, und die rauschhaften Synonyme gesammelt: Auf Spielplätzen und in U-Bahn-Schächten, auf SPD-Parteitagen und in Leitartikeln der FAZ, auf DAX-Treffen und Abi-Flatrate-Partys, bei ausufernden Damenkränzchen und exzessiven Suhrkamp-Empfängen war die Forscherin unermüdlich zugange, um die deutsche Sprachvielfalt möglichst eingehend zu studieren.

Vier, fünf Hefeweizen weggeschädelt

Das Interessante dabei: „Zum Teil zeigen sich erhebliche Bedeutungsunterschiede“, analysiert Dr. Arnapkapfaaluk Ashevak ihren Fund. „Betüddelt“ zum Beispiel meine den lediglich leicht angetrunkenen Zustand der sonst beherrschten, norddeutschen Dame. Das verwandte „angeschnasselt“ wiederum enthalte die kaum ernst zu nehmende Pseudo-Angetrunkenheit rheinischer Abiturientinnen. Außerdem, so Dr. Ashevak, stünde es unbedingt in Verbindung mit sahnigen Likören.

„Angetrunken“ sei wiederum das Zwischenresultat des langsamen, gediegenen, eher kontemplativen Alkoholmissbrauchs, „knülle“ hingegen des taghellen, raschen, geselligen Mittagspausensuffs und „allzeitbreit“ ein postmodern-ironisches Versatzstück der dauerbreiten Generation Alkopop. „Abgefüllt“ bezeichne, so die Inuk-Wissenschaftlerin, in seiner passiven Anmutung die willenlose deutsche Hausfrau zwischen zwanzig und fünfzig, „bumsvoll“ das solide mittlere Stadium der Trunkenheit, kurz vorm Klimax, wo das Gefühl der Euphorie beinahe ins Melancholische kippe. „Lattenstramm“ sei dagegen eindeutig im äußeren Endstadium der Trunkenheit anzusiedeln.

Daneben existierten noch zahlreiche regional gefärbte Begriffe, insbesondere in Norddeutschland. „Hier ist das Saufen nun mal zentraler Teil der Alltagskultur“, erklärt Dr. Arnapkapfaaluk Ashevak die verschwenderische nordische Bandbreite von „betütert“ bis „benusselt“. Letzteres ist Ashevaks Lieblingsterminus, welchen sie bislang jedoch nur ein einziges Mal gehört hat: auf der Reeperbahn kurz nach Sonnenaufgang aus dem Munde von Udo Lindenberg höchstselbst.

Doch nicht nur als Zaungast hat Ashevak ihre Feldstudien betrieben. „Ab und an“, sie lächelt ihr verschmitztes Inuit-Lächeln, „auch als teilnehmende Beobachterin!“ Dutzende Selbstversuche habe sie an sich durchgeführt: vier, fünf Hefeweizen weggeschädelt, sich zum eigenen Erstaunen plötzlich in süddeutscher Mundart wiedergefunden, um sich lallend als „zua“ oder „blunzenvoll“ zu titulieren.

Mit ihren spektakulären Ergebnissen hat sich Dr. Arnapkapfaaluk Ashevak in der Fachwelt einen Namen gemacht. Im September geht sie zurück an ihre Uni in Nuuk. Doch: „Wer weiß“, sagt die Inuk, „vielleicht kehre ich in ein paar Jahren nach Deutschland zurück.“ Denn hier, das habe sie beim letzten Bundespresseball bereits erspüren können, existiere ein weiteres, üppiges Sprachfeld, das geerntet werden wolle: „Eimerweise Wörter für Erbrechen!“ Reihern, kotzen, rückwärts essen, über die Zunge scheißen, göbeln, bogenhusten - aber dieser linguistische Schatz harrt noch der Hebung durch Dr. Arnapkapfaaluk Ashevak.

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7 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Ein Mindestmaß an Allgemeinbildung kann man selbst taz-Autoren zutrauen - dachte ich bisher. Lichtenberg nicht zu kennen zeigt mir, dass man das nicht darf.

  • ich finde die leute, die sich immer wieder über die relevanz von artikeln aufregen müssen, etwas merkwürdig. leichte kost ist doch auch immer mal wieder ganz angenehm und die überschrift ließ ja nun auch wirklich nicht auf einen wissenschaftlich hochtrabenden artikel schließen.

     

    was im artikel auffällt ist jedoch, dass es gerade am anfang eher um die betrunkenheitsbezeichnungen weiblicher personen geht. ob es wohl geschlechtsspezifische trunkenheitsbezeichnungen und vermutlich auch trinkverhalten gibt? klingt auf jeden fall nach genderstudies auf höchstem niveau!

  • so ein unglaublich überflüssiger bericht. dazu noch so unrichtig. natürlich kann man aus jedem mist eine wissenschaft machen, aber ich habe noch nie erlebt das es 100 abstufungen gibt! es gibt evtl 100 ausdrücke für den gleichen zustand, bzw 2 x 50 wörter (könnte man zugestehen.) für angetrunken und betrunken. der rest ist aber einfach wieder typisch für menschen mit akademischen titeln, nur heiße luft im kopf!

  • Bei derartigen Zeitungs-Referaten über wissenschaftliche Forschungen wird gemeinhin nur zu Beginn der akademische Grad der forschenden Person mitgeteilt, im weiteren Verlauf des Artikels diese nur mit dem Namen benannt, Frauen bemerkenswerterweise vielfach mit Vor- und Nachnamen. Die bloße Namensnennung geschieht hier nur zweimal, sechsmal aber mit Doktortitel. Will die Autorin damit betonen, dass es auch wissenschaftlich gebildete und graduierte Eskimos gibt?

     

    Zusätzlich heißt die Wissenschaftlerin dann aber auch mal Inuk-Wissenschaftlerin, eine fragwürdige Bezeichnung, wie ich meine, oder nennt man vielleicht eine Ethnologin der Uni-München Bayern-Wissenschaftlerin?

    Außerdem heißt es DIE Klimax, also nicht „kurz vor DER Klimax“ statt „kurz vorm Klimax“, wobei „vorm“ auch schon umgangssprachlich ist, auch wenn es Sommer vor dem Balkon ist.

     

    Aber Frau Werner ist auch keine Inuk-Wissenschaftlerin nicht, sondern eine deutsche Journalistin, und solcher nehmen es mit der Schriftsprache nicht immer so genau.

    • Bruno , Moderator
      @Heinrich Ebbers:

      Bitte vermeiden Sie den Begriff "Eskimo" und nutzen stattdessen "Inuit".

       

      Danke, die Redaktion

  • "... erklärt die zierliche Expertin mit den eisblauen Augen."

     

    - Besondere Wertschätzung für sexistisch-rassistische Ausdrücke?

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Grönländer trinken nicht so viel Bier weil sie Eiswürfel pinkeln - das ist sehr schmerzhaft.