Ehemalige Schule in Kreuzberg: Flüchtlinge machen die Grenzen dicht
Die Flüchtlinge wollen selbst entscheiden, wen sie in die Schule lassen. Vor unkontrolliertem Zuzug schützen gesicherte Fenster, verschließbare Türen und die Polizei.
Die Flüchtlinge ziehen die Konsequenzen aus den Fehlern, die sie bei der Besetzung im Dezember 2012 gemacht haben. Damals sollte das Gebäude ein offener Ort für alle sein, ein "freier, emanzipatorischer, barrierefreier und selbstbestimmter Raum", wie eine Besetzerin damals der taz sagte. In der Schule waren Konzerte und Filmvorführungen geplant, politische Plena und Workshops: "Wenn alle mit anpacken, kann hier ein besonderer Raum für alle entstehen."
Die Besetzung war der vorläufige Höhepunkt der Bewegung für Flüchtlingsrechte, die im März 2012 in Würzburg mit einem Hungerstreik begonnen hatte. In einem Fußmarsch ging es nach Berlin, um den politischen Protest in die Hauptstadt zu tragen. Die Forderungen: Abschaffung der Residenzpflicht, Stopp der Abschiebungen und die Behandlung von Menschen wie Menschen statt wie Tiere.
Schule sollte politischen Protest ermöglichen
Die besetzte Schule sollte ein Ort zum Schlafen und Ausruhen sein, sie sollte im Winter wärmen und somit den Protest ermöglichen. Die Tür war aber offen für alle, und schnell waren mehr Menschen eingezogen, als es für die politische Arbeit gut war. Es kamen Obdachlose, Wanderarbeiter aus anderen EU-Staaten, Drogendealer, Drogenabhängige - viele Menschen mit vielen Problemen.
Nach einem knappen Jahr, im September 2013, sagte der Flüchtlingsaktivist Patras Bwansi in der taz: "Nach der Besetzung kamen immer neue Leute, die meinten, sie wollen uns unterstützen oder sie bräuchten einen Platz für den Winter. Was sollten wir machen? Hätten wir sie abweisen sollen? Vielleicht war es ein Fehler, jedenfalls leben heute viele Menschen in der Schule und sie hat ihre eigene Struktur. Nicht alle dort sind politisch aktiv, und natürlich gibt es auch Probleme."
Unterstützerin: "Wir sind keine Serviceeinrichtung für Sozialarbeit"
Die Unterstützerin Sara Walther sagte damals: "Nur ist die Schule heute völlig überbelegt, da stößt Selbstorganisation an ihre Grenzen. Dass dort so viele Menschen leben, zeigt aber, wie groß das gesellschaftliche Problem ist. Es gab von Anfang an Unterstützer aus der linken Szene, aber wir sind auch keine Serviceeinrichtung für Sozialarbeit, die andere nicht leisten."
Evi Gülzow vom Diakonischen Werk: "Es muss schnell was passieren, sonst explodiert hier was."
Zwei Monate später, im November 2013, wird ein Bewohner von zwei anderen mit dem Messer attackiert und schwer verletzt. Vor drei Monaten wird ein Bewohner von einem anderen bei einer Messerstecherei erstochen. Anwar war bei seinem Tod 29 Jahre alt, er stammte aus Marokko.
Letzte politische Veranstaltung: Vor elf Monaten
Die politische Arbeit wurde durch die sozialen Probleme und körperlichen Auseinandersetzungen zusehends gelähmt. Die letzte Veranstaltung fand vor elf Monaten statt.
Nachdem das Land Berlin in der vorigen Woche Unterkünfte für die Bewohner der Schule zur Verfügung stellte, zog die große Mehrheit um. Ein Kern der politischen Gruppe entschied sich, das Gebäude weiter zu besetzen. Sie stellten viele Forderungen auf - nur eine nicht: Dass die Schule offen für alle sein soll. Im Gegenteil solle es nur den Leuten auf ihrer Liste möglich sein, das Gebäude frei zu betreten (Punkt 3 der Forderungen: "a list of people able to move in and out freely"). Sie wollten nicht nur entscheiden dürfen, wer dort wohnen darf, sondern auch, wer dort arbeiten darf: "We will choose which projects will enter the school."
Fenster werden mit Platten gesichert
Der Bezirk hat am Ende in dem Einigungspapier (PDF) alle zehn Forderungen der Flüchtlinge angenommen. Über die Umsetzung heißt es: "Die Kontrolle am Eingang wird zunächst durch Personal eines Sicherheitsdienstes gesichert, das - soweit notwendig zur Vermeidung des Zuzugs Dritter - von Polizeibeamten unterstützt werden kann." Grünen-Bezirksstadtrat Hans Panhoff erläuterte am Donnerstag: "Das ist in ihrem Sinne, dass die Polizei sie schützt vor einer Situation, die außer Kontrolle gerät. Das sind Wendungen, mit denen man am Anfang nicht wirklich mit gerechnet hat, aber so ist das halt im Leben.“
Zudem hat der Bezirk kurzfristige Baumaßnahmen zugesagt: "Wir werden die Fenster mit Platten sichern, wir werden im Gebäude selbst Türen sichern, verschließbar machen und zusehen, dass diese Wiederbesiedelung nicht stattfindet", erläuterte Panhoff. Auch das passiere "in Übereinkunft mit den Bewohnern im Hause, die auch diesen Schutz haben wollen, die auch wollen, dass die Security die Zugangskontrolle übernimmt". Ziel sei, "dass dieser wilde Zuzug, dieses völlig unkontrollierte herein- und herausgehen ein Ende hat und dass Strukturen reinkommen, um letzten Endes die politische Arbeit im Sinne der Flüchtlinge auch machen zu können".
Flüchtlinge entscheiden, wer Gästekarten bekommt
In das Gebäude dürfen aber nicht nur die Flüchtlinge rein, die es derzeit besetzt halten. Auch Inhaber eine Gästekarte werden hereingelassen - wobei die Besetzer entscheiden, wer eine Karte bekommt. Punkt 7 ihrer Forderungen war: "We will give visitor cards to people who don't live here."
Unklar ist noch, nach welchen Kriterien die Gäste zugelassen werden. Ob zum Beispiel nur reingelassen wird, wer bei der politischen Arbeit für Flüchtlingsrechte benötigt wird, oder ob es auch eine Aufnahme aus humitären Gründen gibt. Jedenfalls werden die Flüchtlinge sicher nicht noch einmal den Fehler machen, so viele Menschen bei sich aufzunehmen, dass sie damit überfordert sind.
Siehe auch: Mitschnitt der Aussagen von der Pressekonferenz am Donnerstag
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