Klima-Juristin Camilla Bausch: "UN haben einzigartige Legitimität"
Foren wie die G-20 können die Vereinten Nationen bei internationalen Verhandlungen nicht ersetzen, sagt die Juristin Camilla Bausch. Ein neues Abkommen in diesem Jahr hält sie für "ambitioniert".
taz: Frau Bausch, die EU scheint die Hoffnung auf ein Klimaabkommen in diesem Jahr aufgegeben zu haben. Zudem hat Yvo de Boer, der als wichtiger Verfechter des Kioto-Protokolls galt, zum 1. Juli seinen Rücktritt als Chef des UN-Klimasekretariats angekündigt. Rückt das Protokoll damit jetzt als Grundlage für die UN-Verhandlungen in weite Ferne?
Camilla Bausch: Yvo de Boer hatte eine wichtige Funktion inne, doch die Zukunft des Kioto-Protokolls und des internationalen Klimaregimes hängt nicht von de Boer ab, sondern vom Willen der Staaten gemeinsam zu handeln. Das war schon 1997 in Kioto so. Im Kioto-Protokoll wurden erstmals verbindliche nationale Pflichten zur Reduktion von Treibhausgasemissionen für die Periode 2008 bis 2012 festgelegt. Das heißt nicht, dass nach dieser Periode das Kioto-Protokoll aufhört zu existieren, aber für das Herzstück, die nationalen Reduktionspflichten, gibt es keine konkreten Vorgaben nach 2012. Es gilt jetzt, sich auf neue Verpflichtungen nach 2012 zu einigen. Der Erfolg ist dabei abhängig vom Willen der Vertragsstaaten des Klimaregimes, einschließlich etwa der USA.
Warum sträuben sich die USA gegen Kioto?
Die 37-jährige Juristin leitet den Bereich Klima- und Energiepolitik im Ecologic Institute. Sie forscht zum "UN-Zukunftregime" nach 2012.
Politisch hat sich in den USA sehr viel Widerstand gegen das Kioto-Protokoll aufgebaut. Bereits 1997 wurde eine Resolution einstimmig von Demokraten und Republikanern verabschiedet, die Folgendes sagt: Der Senat wird keinem internationalen Vertrag zustimmen, der der US-Wirtschaft schwerwiegend schaden könnte oder nicht auch Verpflichtungen zur Emissionsminderung für Entwicklungsländer niederlegt. Da das Kioto-Protokoll diesbezüglich ausschließlich Pflichten für die Industriestaaten umfasst und keine entsprechenden Verpflichtungen für Schwellen- und Entwicklungsländer enthält, ist es quasi ausgeschlossen, dass es im Senat angenommen würde.
Welcher Art von Abkommen könnten sich die USA anschließen?
Es wäre möglich, ein rechtlich verbindliches Abkommen zu schaffen, etwa ein neues Protokoll. Man muss sich aber fragen, was in diesem neuen Protokoll stehen wird. So wie sich die USA bisher positioniert haben, würde das Abkommen nicht dem Kioto-Protokoll gleichen, sondern einen Ansatz verfolgen, in dem die Staaten darlegen, welche Minderungsleistung sie national erbringen wollen, ohne sich völkerrechtlich dazu zu verpflichten. Die EU und andere Staaten haben im Gegensatz dazu bisher den Kioto-Ansatz mit international verbindlichen Emissionszielen verfolgt. Aufgrund dieser grundsätzlichen Differenzen ist der Abschluss eines internationalen Abkommens für die Verhandlungen in Mexiko im Dezember wohl ein recht ambitioniertes Ziel.
In Kopenhagen gab es neben dem Abschlussdokument ja noch die Entwürfe der Arbeitsgruppen. Auf welcher Textgrundlage soll denn nun Ende Mai in Bonn weiterverhandelt werden?
Die Verhandlungsmandate der Arbeitsgruppen unter der Klimarahmenkonvention und unter dem Kioto-Protokoll laufen weiter, und die Gruppen werden weitgehend auf der gleichen Grundlage wie in Kopenhagen weiterverhandeln. Entscheidend wird sein, wie die Ergebnisse des Abschlussdokuments, des "Copenhagen Accord", in die Verhandlungen bis Mexiko integriert werden können.
Nach Kopenhagen wurde viel diskutiert, ob das die letzte Klimakonferenz dieser Art war. Wie sinnvoll ist es, die Verhandlungen auf anderen Ebenen fortzuführen?
Interessanterweise wurde nach Kopenhagen gefragt: Sind das Major Economies Forum, in dem sich 17 der weltweit größten CO2-Emittenten treffen, oder die G 20 nicht die besseren Foren zur Lösung des Problems? Doch zum einen ist das keine Frage von "entweder - oder", sondern alle Foren sollten so gut wie möglich zur Lösung des Problems beitragen. Das Major Economies Forum kann seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten, ebenso wie die G 20 oder bilaterale Aktionen. Zum anderen aber liegt das verhältnismäßig magere Ergebnis von Kopenhagen auch an den sehr unterschiedlichen Ansätzen der USA und Chinas. Diese entscheidenden Spieler sind an allen Foren, die jetzt vorgeschlagen werden, beteiligt.
Was folgt daraus?
Nicht das Forum ist entscheidend, sondern der Wille der Staaten, zusammenzuarbeiten. Die genannten Foren können aber kein Ersatz für die UN-Verhandlungen sein. Die Vereinten Nationen haben eine einzigartige Legitimität durch die Anwesenheit aller Staaten, insbesondere auch der Staaten, die besonders stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, ohne wirklich dazu beigetragen zu haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann