Gender-Debatte bei Piratenpartei: Meuterei der Piratinnen
Die Piraten streiten aktuell über Gender. Eine Aktivistin startete eine Mailingliste "nur für Frauen" – dafür hagelte es sofort harsche Kritik bis hin zu Parteiausschluss-Forderungen.
Lena Simon meutert. Die 25jährige Philosophiestudentin ist Mitglied in der Piratenpartei, und sie hat ein Problem. "Ich fühle mich als Frau bei den Piraten oft unwohl. Aber wenn ich das anspreche, rollen die meisten anderen Mitglieder nur mit den Augen - und sagen: 'Wir sind Post-Gender'."
Simon rief das Netzwerk der "Piratinnen" ins Leben, meldete eine Homepage an und veröffentlichte darauf eine Pressemitteilung. Das Netzwerk wolle "zu einem besseren Verständnis von Zielen, Wünschen und Nöten der Frauen in einer von Männern dominierten Piratenpartei" beitragen, heißt es darin. Und weiter: "Die Piratinnen möchten einen Schutzraum bieten, in dem auch die leisen Stimmen unter den Frauen Gehör finden können."
Die Mitteilung hat sie am vergangenen Samstag veröffentlicht, an dem die Mitgliederversammlung des Berliner Landesverbandes stattfand. Seitdem tobt in der Piratenpartei ein verbissen geführter Gender-Streit.
Eine von Simon initiierte Mailingliste mit derzeit 40 Mitgliedern ist exklusiv Frauen vorbehalten. Darin schildern Geschlechtsgenossinnen ihre Probleme. Eine erzählt, dass Frauengruppen von männlichen Piraten oft abschätzig als "Häkelgruppen" bezeichnet würden. Eine andere berichtet, dass ihre Parteikollegen sie nicht als "potentielle Parteifunktionsausüberin" sähen, sondern vor allem als "Sexualpartnerin". Eine dritte schreibt: "Die Anti-Gleichberechtigungstendenzen, die mir regelmäßig aus den Reihen der Männer entgegenschlagen, werden mich unter Umständen zu einem Austritt zwingen."
Der Berliner Landesvorsitzende Andreas Baum sagt: "Ich sehe nicht, dass wir ein Gender-Problem haben. Mir persönlich sind Vorfälle von Diskriminierung nicht bekannt." Baum will jetzt Kritikerin Simon treffen - und reagieren. "Natürlich müssen sich Frauen äußern können, ohne mit Witzen belästigt zu werden. Und es ist nötig, ihnen Schutzräume und Ansprechpartnerinnen zu verschaffen."
Den Focus nur auf Frauen zu setzen, lehnt er ab. Es sei falsch, Gleichberechtigung nur auf Mann und Frau bezogen zu diskutieren und damit Unterschiede zu zementieren, betont auch seine Stellvertreterin, Manuela Schauerhammer. "Die Piraten müssen generelle Diskriminierung diskutieren - zum Beispiel auch die von Kindern."
Die Piratenpartei hat bundesweit derzeit 12.000 Mitglieder. Wie viele davon Frauen sind, weiß niemand - auf den Beitrittsformularen fehlt die Angabe zum Geschlecht. Doch auch wenn jüngst Frauen an die Spitze der Landesverbände Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Rheinland-Pfalz gewählt wurden, sind Frauen in der internetorientierten Partei massiv unterrepräsentiert.
Die Auseinandersetzung über den Piratinnen-Aufruf wird äußerst scharf geführt. Der Thread zur Initiative wächst täglich, häufig ist der Ton beleidigend. "Ich bin gegen Schutzräume und andere Käfige für weibliche Piraten", schreibt ein Nutzer. Ein anderer argumentiert etwas widersprüchlich: "Gegen eine Gruppe, die Genderprobleme innerhalb der Gesellschaft diskutieren will, habe ich nichts. Sehr wohl aber gegen eine,die welche innerhalb der Piratenpartei diskutieren will - damit unterstellt sie nämlich, die PP hätte Probleme mit Männlein und Weiblein und ihrer Gleichberechtigung und diskriminiert damit sowohl Männer wie Frauen."
Eine häufig geäußerte Kritik passt nicht recht zum basisdemokratischen Verständnis, das die Piratenpartei offiziell vor sich herträgt: Lena Simon und ihre Mitstreiterinnen würden sich nicht ausreichend von der Partei abgrenzen. So hat Simon ihre Homepage an das offizielle Piraten-Partei-Wiki gekoppelt. Einmal wurde die Seite eigenmächtig von einem User gelöscht, dann von anderen wieder hergestellt. Ein anderer User stellte danach wieder einen Löschantrag.
Mit ihrer Initiative hat Simon angestoßen, was sie als ersten Schritt für nötig hält: "Eine Bestandsaufnahme darüber, wie sich die Frauen in der Partei fühlen." Die Studentin, die sich nicht als "typische Emanze" sieht, hat das Wohl der Partei im Blick: "Die Piraten werden niemals die fünf Prozent Hürde schaffen, wenn sie sich dem Gender-Thema weiter so verschließen."
Simon will aus ihrer Partei austreten, wenn sich langfristig nichts ändert. "In den Diskussionen im Netz fehlt teilweise die Hochachtung vor Menschen. Wenn User etwa schreiben, dass man sich für Piraten-Frauengruppen künftig mit Menstruationsblut anmelden müsse."
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