Fragwürdiges CDU-Sponsoring: Intim mit Rüttgers für 6.000 Euro
Nordrhein-Westfalens CDU verkauft Stände auf ihrem Parteitag für 14.000 Euro an Firmen. Für 6.000 Euro mehr gibt`s einen Plausch mit Regierungschef Jürgen Rüttgers dazu.
Die CDU in Nordrhein-Westfalen hat versucht, vertrauliche Gespräche mit ihrem Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und seinen MinisterInnen an zahlungskräftige Sponsoren zu verkaufen. Für den CDU-Landesparteitag am 20. März hat die Parteizentrale in Düsseldorf Unternehmern in Werbebriefen sogenannte Partnerpakete angeboten, in denen auch "Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen" versprochen wurden.
20.000 Euro sollte ein solches "Partnerpaket" kosten. Ein 15 Quadratmeter großer Ausstellungstand ist beim CDU-Parteitag dagegen schon für 14.000 Euro zu haben - allerdings ohne persönliche Unterredung mit dem Regierungschef. Geboten werden dann nur noch ein "Fototermin und Rundgang mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen".
Rüttgers, der am 9. Mai Landtagswahlen zu bestehen hat, distanzierte sich am Sonntag von den Schreiben seiner Parteizentrale. Er habe "die Briefe an die Sponsoren nicht gekannt", ließ der CDU-Landesvorsitzende verkünden. Außerdem habe er seinen Generalsekretär Hendrik Wüst "angewiesen, dies sofort zu beenden".
Die Opposition hält Rüttgers dennoch für käuflich. SPD-Generalsekretär Michael Groschek warf der CDU vor, "sich den Staat zur Beute" zu machen. Der Bundesvize der Linkspartei, Klaus Ernst, hält das CDU-Angebot für "beschämend" und sprach von einer "illegalen Parteispende". Die grüne Landesvorsitzende Daniela Schneckenburger fragte ironisch, ob die Christdemokraten, wenn schon "nicht käuflich, so doch zumindest mietbar" seien. Und der Chef der SPD-Landesgruppe im Bundestag, Axel Schäfer, rückte Rüttgers gar in die Nähe des Rotlichtgewerbes: "Wenn sich jemand auf Zeit einer nicht bestimmten Zahl von Menschen gegen Geld anbietet, nennt man das im alltäglichen Sprachgebrauch Prostitution", sagte Schäfer der taz.
Die CDU bemühte sich um Schadensbegrenzung. Mit dem Schreiben sei ein "falscher Eindruck" entstanden, den man bedauere, versicherte Parteisprecher Matthias Heidmeier. Allerdings sei lediglich "der Sprachgebrauch in einigen Punkten falsch" - an der auch bei anderen Parteien üblichen Standvermietung wolle man festhalten. Doch hinter den Kulissen muss Rüttgers Generalsekretär Wüst um seinen Job bangen. Die Spekulationen sind nicht die erste peinliche Panne, für die der erst 34-Jährige die Verantwortung trägt. Im vergangenen Jahr musste die CDU einräumen, dass die permanente Beobachtung der SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft nicht aus der Parteizentrale in der Düsseldorfer Wasserstraße, sondern mit Steuergeldern direkt aus Rüttgers Staatskanzlei gesteuert wurde.
Im Dezember musste Wüst dann zugeben, unrechtmäßig Zuschüsse des Landtags zu seiner eigenen privaten Krankenversicherung kassiert zu haben. Jetzt lässt die Wut seines Regierungschefs Wüst devot werden: "Ich bedauere ausdrücklich, dass ein falscher Eindruck entstanden ist, und entschuldige mich insbesondere bei dem Vorsitzenden der CDU Nordrhein-Westfalen Jürgen Rüttgers", lässt er seine Pressestelle mitteilen.
Hektisch wird in der CDU-Zentrale nach den Informanten gesucht, die Wüsts Skandale immer wieder weitergeben. Trotz Entlassungen und laufender Arbeitsgerichtsprozesse bleibe die CDU-Geschäftsstelle ein "Intrigantenstadl", sagen Insider in Düsseldorf. "Da kommt jeden Monat was Neues." Sofort entlassen werde Rüttgers sein einstiges Nachwuchstalent aber nicht. Die Generalrevision der Parteizentrale ist auf die Zeit nach den Wahlen verschoben. "Der Generalsekretär ist angeschlagen, die CDU muss selbst entscheiden", sagt Grünen-Chefin Schneckenburger verständnisvoll.
Die Zurückhaltung der Grünen ist verständlich. Wie die SPD vermieten auch sie bei Parteitagen Standflächen. Sprecher beider Parteien versichern, diese viel billiger anzubieten als die Regierungspartei CDU, und beteuern: "Wir verkaufen keine Gespräche." Umsonst sind Stände bei der Linkspartei. "Wir haben kein Interesse, unsere Parteitage zu kommerzialisieren", sagte Sprecher Ralf Michalowsky. "Bei uns kommt sowieso nur ein T-Shirt-Verkäufer, das Neue Deutschland und der Bund konfessionsloser Atheisten."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört