Neuer Detlev-Buck-Film: Ein knallhartes Liebesmärchen
Leben, Tod und Globalisierung: Mit "Same Same But Different" hat Detlef Buck die Geschichte eines deutschen Abiturienten verfilmt, der sich in eine junge Prostituierte verliebt.
Dass er auch anders kann, wissen wir seit seinem Neuköllner Ghettofilm "Knallhart" (2005). Brachial ging es da zu, mit roher Gewalt und rauer Kraftprotzerei. Und nicht nur die Protagonisten, allen voran Bucks damalige Neuentdeckung David Kross, schlugen verzweifelt um sich. Auch Bucks Versuch, für sich eine neue Ästhetik auszumachen, mit der sich angemessen vom Leben, genauer gesagt: vom knallharten Leben erzählen ließe, hatte etwas Berserkerhaftes. Damit auch wirklich jedem bis zur letzten Kinoreihe klar wurde, wie ernst es Detlev Buck mit seiner neuen filmischen Gangart ist und wie sehr er seiner eigenen, schon seriellen Bearbeitung der Humordiaspora in norddeutschen Landstrichen anscheinend überdrüssig geworden war.
Überspringt man Bucks hübschen und erfolgreichen Kinderfilm "Hände weg von Mississippi", stellt man schnell fest, dass sein jüngstes Werk, "Same Same But Different", Bucks erste Auslandsproduktion, bündig an den Befreiungsschlag von "Knallhart" anschließt. Wieder geht es ernst und unschön zu wie im echten Leben. Wieder spielt David Kross die Hauptfigur, nur dieses Mal kommt er als wohlerzogener Abiturient von der anderen Seite der Gesellschaft. Und das Herz der Finsternis, das er zu entdecken und überwinden hat, schlägt nicht in Neukölln, sondern in Kambodscha.
Nach bestandenem Abitur zieht es den 20-jährigen Ben gemeinsam mit seinem WG-Kumpel Ed nach Asien. Sie begegnen Gleichgesinnten, Neohippies und Goa-Partygängern, nehmen Ecstasy oder Marihuana. Man diskutiert Kant, den Empirismus, die Beatgeneration, baumelt in der Hängematte und baut sich eine Welt zusammen, die man verstehen könnte. In Phnom Penh trifft Ben in einem Club auf die junge Prostituierte Sreykeo. Mit ihr betritt er einen Kosmos, der in keinem "Lonely Planet" zu finden ist. Er lernt ihre Familie kennen, begreift schließlich, dass der Spaß durchreisender Touristen zu Sreykeos Job gehört, mit dem sie ihre Mutter und ihre Geschwister ernährt. Er geht mit ihr zum Arzt, schenkt ihr einen Ring und verliebt sich. Zurück in Deutschland, hält er weiter Kontakt zu Sreykeo und erfährt, dass ihr Husten Symptom einer HIV-Infektion ist. Ben, der inzwischen bei seinem Bruder Henry ein Zeitungspraktikum macht, fährt nach Kambodscha, um Medikamente aufzutreiben und die große Liebe seines Lebens wiederzusehen. Und er wird darüber schreiben. Denn "Same Same But Different" ist nach der Vorlage des autobiografischen Romans "Wohin du auch gehst" des Journalisten Benjamin Prüfer entstanden.
Ein Liebesfilm also. Ein knallharter, versteht sich. Schließlich geht es um Leben und Tod, dazu noch auf der anderen Seite des Erdballs und gegen alle Zweifel und Widerstände der Freunde und der eigenen Familie.
Einmal sieht man Ben bei der Erntearbeit auf dem Land im Kreise von Sreykeos Sippschaft stehen und denkt sich: Warum eigentlich nicht? Und das ist genau die Utopie des Films - dass es gehen könnte. In der Fremde mit einer todkranken Frau und ihrer Familie, die von dem jungen Mann aus Deutschland nichts weniger als Rettung, Überleben und Zukunft erwartet; dass die Liebe reicht, ewig oder doch ziemlich lange währt und alles wieder ganz und gut macht.
In diesem Sinne ist "Same Same But Different" auch kein verfilmter Entwicklungsroman geworden, in dem der Held seinen unbändigen Idealismus auf die Belange einer kleinlichen Welt herunterbrechen muss. Es ist ein modernes Märchen von einem guten Menschen, einer übergroßen Liebe in einer globalisierten Welt.
Das kann man dumm oder kitschig finden. Und man kann sich fragen, warum Buck für die Zuspitzungen in seinem Reich der Seligkeit Kambodscha, Prostitution und Aids bemühen muss. Aber eines muss man dem Regisseur lassen, und das ist sein unermüdlicher und beeindruckender Versuch, sich neu zu erfinden. Anders als in "Knallhart" versucht er es kameraoptisch dieses Mal auf die sanfte Tour. Mit weichen Bewegungen, sanftem Licht und bunten, verwischten Reflexen, wie man das aus den frühen Filmen Wong Kar-Wais kennt. Man merkt "Same Same But Different" die Auseinandersetzung mit dem asiatischen Kino an, das Bemühen, für die unterschiedlichen Länder und Kulturen eine eigene Filmsprache zu finden. Und anders als bei seinem ersten Versuch der eigenen Neudefinition hat das nichts Kraftmeierisches mehr, sondern etwas Anrührendes und beinahe Zärtliches.
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