die wahrheit: Deutschland, deine Kindernamen
Eine Untersuchung hat kürzlich ergeben, dass viele Lehrer Vorurteile gegenüber bestimmten Vornamen hegen. Kinder mit den Namen Sophie und Alexander werden beispielsweise für sehr leistungsstark gehalten...
... Chantal oder Kevin dagegen sind die absoluten Nullnummern. Schon bevor die überhaupt den Mund aufgemacht haben! Kevin aufs Gymnasium? Vergiss es!
Eine Lehrerin sagte: "Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose." Wie soll ein Kind gegen so ein fundiertes Vorurteil ankämpfen? Aber neu ist das nicht. Klaus-Dieter war der Kevin der Siebzigerjahre. Rüdiger auch. Oder Ralf. Wer heute Chantal heißt, hieß früher Sylvia. Oder Birgit. Oder Monika. Mit diesen Namen warst du beim Lehrer schon unten durch. Da war die mündliche Beteiligung nur noch Störung im Unterricht! Wie ein Karl-Theodor da durch kam, ist mir ein Rätsel. Da muss Geld geflossen sein.
Diese Vorurteile haben einen großen Einfluss auf die Notengebung. Und das Verhalten von Lehrern im Unterricht hat wieder einen großen Einfluss auf die Selbstwahrnehmung von Schülern. Depressionen, nur weil man Manfred heißt. Abitur nicht geschafft, weil die Eltern dir den falschen Namen gegeben haben. Bei mir, mit Bernd, das war verdammt knapp.
Als "Bernd" musstest du mindestens ein Jahr wiederholen. Ich hatte, als ich in die 13. Klasse kam, tatsächlich einen zweiten Bernd Gieseking in der Klasse, der sie zum dritten Mal machte, obwohl er den Spitznamen "Jerry" trug. Wie sollte ich da beim ersten Mal durchkommen?
Der neue Gesundheitsminister Dr. Philipp Rösler von der FDP stammt aus Vietnam und ist bei deutschen Eltern aufgewachsen. Die haben ihm vorsichtshalber einen deutschen Namen gegeben, damit nicht jeder gleich merkt, dass Herr Rösler aus Vietnam stammt, denn es ist nicht ganz einfach, in Deutschland mit fremden Namen Karriere zu machen. Mit Ausnahme von Cem Özdemir, der aus Karrieregründen aber auch kurz eine Namensänderung zu "Klaus" überlegt haben soll. Philipp Rösler. Bei dem sagt sogar meine Mutter: "Was für ein netter Junge!" Ich sage dann: "Der ist aber in der FDP!" Dann sagt sie: "Da kann das Kind doch nichts für! Das liegt bestimmt an den Eltern!"
Bei Rösler fragen sich viele: "Warum ist so einer nicht bei den Grünen?" So witzig, so klug, so sympathisch! Und dann auch noch, trotz Philipp, ganz überraschend aus Vietnam. Gegen so welche haben die Amerikaner Krieg geführt? Unmöglich! Dann war das doch nicht ganz richtig, was die Amerikaner damals getrieben haben? Was bedeutet das für heute? Denken wir dann über den Afghanistan-Krieg auch anders, wenn erst mal in 20 Jahren Kabir, Masud oder Tariq aus Afghanistan in der FDP sind und einer von denen Bundesverteidigungsminister ist?
Der Ministerpräsident von Sachsen heißt Stanislaw Tillich. Neben Roland aus Hessen und Jürgen aus Nordrhein-Westfalen klingt Stanislaw auch 20 Jahre nach der Grenzöffnung noch befremdlich. Eine Svetlana oder Jekatarina Merkel wäre jedenfalls nicht Kanzlerin geworden. Ich bin mir da berndsicher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Auflösung der Ampel-Regierung
Holpriger Versuch endgültig gescheitert
+++ Ampelkoalition zerbricht +++
Lindner findet sich spitze
Scheitern der Ampelkoalition
Ampel aus die Maus
Ampelkoalition gescheitert
Endlich!
Ampelkoalition zerbricht
Scholz will Vertrauensfrage stellen
Antisemitismus-Resolution im Bundestag
Kritik an Antisemitismus-Resolution