piwik no script img

Frauenfußball-WMDie Fintenweiber

Am Montag beginnt in China mal wieder eine Fußball-WM. Für Kickerinnen allerdings. Elf Fragen und ebenso viele Antworten zum Frauenfußballsport.

Spielten in diesem Jahr bislang erschreckend schwach: die deutsche Frauen-Nationalelf. Bild: dpa

1. Wird Deutschland Weltmeister?

Das Team tritt als Titelverteidiger an. Vor vier Jahren schlug es die USA im Halbfinale, im Endspiel Schweden. Experten unken jetzt, für die Auswahl von Trainerin Silvia Neid könnte im Viertelfinale schon Schluss sein. In diesem Jahr spielte die Elf bisweilen erschreckend schwach. In den Begegnungen um den Algarve-Cup im Frühjahr kassierte der Weltmeister drei Niederlagen - gegen Frankreich, Norwegen und Italien. Neid will also lieber nicht von Titelverteidigung sprechen. Sie sagt: "Wir wollen nichts verteidigen, wir wollen etwas gewinnen." Und: "Der WM-Gewinn 2003 ist Geschichte. Das zählt nicht mehr, denn dem Weltmeister will jeder ein Bein stellen." Die Vorrunde überstehen die Deutschen bestimmt. In der Gruppe mit Argentinien (Montag, 14 Uhr MESZ), Japan und England kommen zwei Teams weiter.

2.Was kann Birgit Prinz?

Einst haute ihr Schuss die stärkste Torfrau um und sie wurde dreimal hintereinander zur Weltfußballerin des Jahres gewählt (2003-2005). Prinz bekam im Dezember 2003 sogar eine Offerte vom Präsidenten des AC Perugia, der sich merwürdigerweise in den Kopf gesetzt hatte, die spröde Deutsche nach Italien zu holen - in sein Männerteam und für das beachtliche Jahresgehalt von einer Million Euro. Prinz lehnte ab. Heute scheint es, als habe Prinz ihre besten Tage hinter sich. Trotzdem ist sie die effektivste Angreiferin im deutschen Team, sie kann "den Unterschied ausmachen" (Neid). Prinz' Wahrheiten liegen auf dem Platz. Abseits des Grüns sagt sie nicht viel, was der robusten Stürmerin oft als Bescheidenheit ausgelegt wird. Sie hat bereits über 160 Länderspiele. Davon träumen Lothar Matthäus (150) und Franz Beckenbauer (103).

3. Ist China der richtige Austragungsort für die WM?

Wenn im Land nicht gerade wieder die Lungenkrankheit SARS ausbricht, neigt der Fußballweltverband Fifa dazu, die Frauen-WM an China zu vergeben. Grassiert jedoch SARS, findet die WM ersatzweise in den USA statt. Derzeit besteht keine akute Gefahr, weswegen in Schanghai, Wuhan, in Tianjin, Hanghzou und Chengdu Fußball gespielt wird. Erst seit 1991 gibt es übrigens eine Fußball-WM der Frauen. Sie wurde seinerzeit in China ausgetragen, die USA gewann. 1995 holte Norwegen den Pott, vier Jahre später wieder die USA in den USA, wo die Chinesinnen immerhin den Fairplay-Preis mit nach Hause nehmen durften. 2003 räumten die Deutschen ab. Einmal fand die WM in Schweden statt, es siegte Norwegen. Das war im Jahre 1995.

4. Gibt es in Schanghai nicht viel zu viel Smog, um Sport zu treiben?

In Schanghai riecht es wie in besten Bitterfelder Tagen. Ein Hauch von Leuna steht über der ganzen Stadt, in der mehr als zwölf Millionen Einwohner für zusätzliche Emissionen sorgen. Die ungezählten Wolkenkratzer -- 3000 von ihnen sind über 18 Etagen hoch - lassen wiederum unzählige Häuserschluchten entstehen, in denen sich der Smog verfängt. Es mieft, aber das verkommt zur Nebensache, wenn eine Megacity erst so richtig ins Boomen kommt. Und wo es brummt, ist die Fifa mit von der Partie. China wächst sich ja wirtschaftlich zum Riesen aus. Deswegen ist die WM am rechten Ort. Sagt die Fifa.

5. Gehen die Chinesen überhaupt ins Stadion?

Der Vorverkauf lief recht schleppend. Jetzt, wo alle Chinesen gebannt nach Peking schauen und es kaum erwarten können, bis die Olympischen Spiele 2008 beginnen, haben es Randsportarten schwer. Außerdem waren die Fußball spielenden Chinesinnen in diesem Jahr lange Zeit außer Form. Ein schwedischer Trainerstab um Marika Domansky-Lyfors sollte die Asiatinnen noch schnell fit machen, doch ob es gelingt, weiß keiner so recht. So werden wohl die Stadien in den Millionenmetropolen mit einer eifrigen Komparserie aufgefüllt werden.

6. Seit wann treten Frauen eigentlich gegen den Ball?

In China nimmt die Sache ihren Anfang. In der Zeit der Qin-Dynastie und der Sui-Dynastie (221 v. Chr. Bis 618 n. Chr.) nehmen Frauen an fußballähnlichen Spielen teil. Ein paar Jahre später setzt England Maßstäbe. 1894 gründet die Londonerin Nettie Honeyball mit den "British Ladies" das erste englische Fußballteam. Es geht forsch voran. 1920 spielen die "Dick Kerr's Ladies" in Everton vor 53.000 (!) Zuschauern gegen das Team der "St. Helen Ladies". Danach wird der Frauenfußball systematisch zurückgedrängt; "das Treten ist nicht weiblich" wird noch in den fünfziger Jahren behauptet. In der Zeit des deutschen Wirtschaftsaufschwungs, 1955, kommt es sogar zum Verbot durch den Deutschen Fußballbund (DFB). Die Funktionäre halten das Spiel für eine geschmacklose Show. Erst am 31. Oktober 1970 beschließt der DFB-Bundestag in Travemünde offiziell "die Zulassung von Damenfußballspielen" - bei zwei Gegenstimmen. Es braucht noch über zwei Jahrzehnte, bis es auch eine Bundesliga gibt.

7. Sind Frauen technisch besser als Männer?

Ganz klar: nein. Es gehört zu den Mythen des Fußballsports, dass die Frauen zwar langsamer und behäbiger, dafür aber technisch brillianter Fußball spielen. Dieser Eindruck mag dadurch entstehen, dass viele Mädchen im Alter von elf, zwölf oder 13 Jahren gleichaltrigen Jungs überlegen sind und ihren Vorsprung erst dann einbüßen, wenn das Spiel wesentlich athletischer und schneller wird. Doch ab 16 Jahren dürfen sie nur noch unter sich spielen. Manchmal kommt es jedoch zu zirzensischen Kicks, wenn beispielsweise die männliche B-Jugend des VfB Stuttgart gegen die Frauen-Nationalmannschaft antritt - und gewinnt. Die 14- bis 16-jährigen siegten vor vier Jahren 3:0.

8. Warum liebt DFB-Chef Theo Zwanziger den Frauenfußball?

Zwanziger ist ein gutwilliger älterer Herr. Alle Randständigen drückt er an seine Brust: den Ostfußball, den Jugendfußball und auch den Frauenfußball. Zwanziger bekennt sein Faible offen. Andere DFB-Funktionäre scheuen den Kontakt zum schießenden Weibe, Zwanziger zeigt es der männerzentristischen Fußballbagage wieder einmal und reist an diesem Sonntag nach Schanghai, um in die Rolle des Delegationsleiters zu schlüpfen. Vielleicht muss er sich in China ein paar Vorwürfe anhören. Weil er dem Ausrüster Adidas und nicht Mitkonkurrent Nike den Vorzug gab, entgehen dem Frauenfußball 50 Millionen Euro.

9. Wen interessiert Frauenfußball, mal abgesehen von Theo Zwanziger?

Die Spiele werden in 200 Länder übertragen; in Deutschland zeigen neben ARD und ZDF auch der Spartensender Eurosport die WM. Die Quoten steigen kontinuierlich, doch hängen sie maßgeblich vom Erfolg der Deutschen ab. Es wird insgesamt aber mehr berichtet über die Nationamannschaft um Birgit Prinz, Renate Lingor und Nadine Angerer als noch vor einigen Jahren. Waren bei der verganenen WM in den USA nur die Reporter der Nachrichten-Agenturen von Anfang an vor Ort, so sind nun Journalisten aller wichtigen überregionalen Zeitungen dabei. Das Medieninteresse zahlt sich für die Spielerinnen aus. Sie erhalten vom DFB bei erfolgreicher Titelverteidigung jeweils 50.000 Euro. Vor vier Jahren kassierten sie nur 15.000 Euro pro Kopf. Das sind Peanuts, verglichen mit den Prämien der Männer. Klinsmanns Team hätte im Falle des WM-Sieges 300.000 Euro bekommen. Pro Akteur.

10. Die sind doch alle lesbisch, oder?

Wird im deutschen Männerfußball nach dem ersten bekennenden Homosexuellen gefahndet, so läuft das Spielchen unter Aufsicht der Stammtische bei den Frauen so: Wer ist hetero? Man fragt sich rein rhetorisch: Sehen die Fußballerinnen in den Männerdressen nicht ausgesprochen maskulin aus, kommen sie nicht insgesamt recht burschikos daher? Lässt sich aus den rustikalen Gesten, O-Beinen und einem Bürstenschnitt nicht darauf schließen, dass sich die Spielerin gleichgeschlechtlich orientiert? Auf 20 bis 40 Prozent schätzt die ehemalige Bundestrainerin Tina Theune-Meyer den "Lesbenanteil" (Emma) im Fußball. Andere, wie der Coach von Turbine Potsdam, Bernd Schröder, und diverse Spielerinnen sehen den Anteil höher. Dies, ob nun Faktum oder Fiktion, wird selbst vom Fachblatt Emma mit dafür verantwortlich gemacht, dass sich Frauenfußball in Deutschland eher schlecht vermarkten lässt.

11. Wer wird der Star dieser Weltmeisterschaft?

Vielleicht die Norwegerin Ingvild Stensland oder die Brasilianerin Marta oder Hua Dan aus China. Oder aber US-Stürmerin Carli Lloyd. Auf jeden Falle wird es immens spannend.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • G
    gudrun

    "Dies (hoher Lesbenanteil), ob nun Faktum oder Fiktion, wird selbst vom Fachblatt Emma mit dafür verantwortlich gemacht, dass sich Frauenfußball in Deutschland eher schlecht vermarkten lässt."

    Wann hört Homophobie endlich auf?

  • F
    Fadir

    Über 50.000 Frauen müssen jährlich in überfüllte Frauenhäuser. Viele Männer leben weiterhin ihre Wahnsvorstellungen gegenüber Frauen aus.