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Neue Väter-LiteraturSeid fruchtbar und schreibt drüber

Eine neue Männerliteratur entdeckt die Freuden von Vaterschaft und Windelschlacht. Wie deutsche Autoren zu ideologischen Begleitern des Familienministeriums werden.

Unterwandert: die deutche Männerschaft Bild: x-verleih

Neue Kinder braucht das Land, neue und vor allem viel mehr Kinder. Denn die Deutschen sterben aus, und bevor sie aussterben, werden sie immer älter. Wie wir von Familienministerin Ursula von der Leyen wissen, sind beim rentensichernden Großprojekt der Volksverjüngung auch die Väter gefragt. Sie sollen nicht nur Erzeuger sein, sondern mit dem Lockmittel des neu gestalteten Elterngeldes ihre Vaterrolle aktiv ausleben. Erste Erfolge sind statistisch belegt. Sieben Prozent der Anträge auf Elterngeld werden mittlerweile von Männern gestellt. Nach der alten Regelung waren es nur 3,5 Prozent. Allerdings bedeutet die Steigerung nicht, dass deshalb mehr Frauen berufstätig bleiben. Wenn Männer für ein paar Monate an die Windelfront wechseln, dann zumeist neben ihrer Frau, als Begleitschutz. Die Mutter-Kind-Symbiose bleibt unangetastet.

In der Literatur hat die ideologische Offensive schon deutlichere Spuren hinterlassen. Deutsche Autoren entdecken ihr Vaterglück, als würden sie vom Familienministerium dafür bezahlt oder hätten demnächst eine Auszeichnung mit dem Vaterkreuz zu erhoffen. Dabei entsteht eine Männerliteratur der besonderen Art, die in ihrer Fortpflanzungsfreude und Familienseligkeit an die 50er-Jahre erinnert - auch wenn es mit der Fruchtbarkeit nicht immer zum Besten bestellt ist.

Dirk von Petersdorff, bisher vor allem als Lyriker hervorgetreten, meldet in "Lebensanfang" die Geburt von Zwillingen und glaubt, dass das ein Ereignis von allgemeinem Interesse sei. Petersdorff ist Jahrgang 1966, als Vater also eher spät dran. Umso größer ist seine Feierbereitschaft. Max und Lisa heißen die beiden Kleinen, die sich einigermaßen erwartungsgemäß entwickeln: Sie haben Hunger, schreien in der Nacht, bekommen erste Zähne, brabbeln vor sich hin, freuen sich, wenn sie auf Papas Schulter sitzen dürfen, und so weiter und so fort. Papa ist so begeistert davon, dass er alles aufschreibt, als wäre er der Erste, der so etwas erlebt. Der Text wird als "Erzählung" verkauft, doch eher handelt es sich um einen schlichten Erfahrungsbericht ohne formale Ambitionen. Der Stoff ist groß genug. Das private Glück so wichtig, dass es der Welt nicht verschwiegen werden darf.

Petersdorff registriert eine Steigerung der Daseinsintensität. Der Wind, der in den Blättern rauscht und über den Rasen streicht, ist plötzlich wieder Gegenstand der Wahrnehmung, wenn er nach einer im Geschrei durchwachten Nacht am frühen Morgen mit dem Kinderwagen zum Spaziergang aufbricht. Das frühere Leben, wo Menschen mit Proseccodosen in der Hand auf Partys herumsaßen oder lange Gespräche darüber führten, welche Espressomaschine sie erwerben sollten, kann der neue Vater nur noch mit müder Herablassung betrachten - ganz so, als bestünde das Leben jenseits der Sorge um die Kinder aus nichts als Banalitäten. Das schmerzliche Vakuum, das die Sinnfrage damals bei ihm hinterlassen haben mag, ist nun durch die heroische Reproduktionsarbeit hinreichend gefüllt.

Das führt dazu, dass er sich als Arbeiter im Dringlichkeitsbereich des Daseins allen "Nicht-Vätern" überlegen fühlt und eine unangenehme missionarische Tendenz entwickelt. Seine Botschaft heißt: Seid fruchtbar und mehret euch! Die Distanzlosigkeit gegenüber dem eigenen Erleben verführt ihn dazu, nach Prophetenart gnadenlosen Kitsch zu produzieren: "Was ich meine, ist die Liebe. Sie hat den Himmel aufgerissen bei der Geburt. Sie hat Schwalben über die Gartenbank geschickt. Sie liegt nachts auf einer Isomatte, während ein Kind durch die Gitterstäbe guckt. Die Liebe ist heilig und komisch. Sie hat Augen wie ein See, gerade geöffnet." Und so weiter. Das klingt bestürzend nach weiblicher Betroffenheitsprosa aus den 70er-Jahren. Vielleicht müssen die Väter im Auftrag Ursula von der Leyens da jetzt durch. Lesen muss man das aber nicht.

Burkhard Spinnen stellt in seinem Roman "Mehrkampf" gleich mehrere Männer im mittleren Alter vor, die mit ihrem Leben hadern und als Ausgleich heftige Kinderwünsche produzieren. Im Mittelpunkt steht ein ehemaliger Zehnkämpfer, der seine Frau verließ, weil sie keine Kinder bekommen konnte, ihm diesen Sachverhalt jedoch verschwieg. Die Geschichte, halb Krimi, halb psychologischer Roman, beginnt damit, dass er auf offener Straße von einem Heckenschützen niedergeschossen wird. Im Krankenhaus vögelt der Verletzte wie in einem schlechten Porno mit Schwester Ruth, zieht anschließend zu ihr nach Hause und macht ihr einen Heiratsantrag. Einzige Bedingung: Sie muss schwanger werden, und zwar sofort. Ihm gegenüber steht ein Polizeikommissar, der sich mit einer alleinerziehenden Mutter anfreundet und seinerseits, man weiß nicht warum, auf das Glück der Familie und ein neues, besseres Leben hofft.

Kinder erscheinen im Setting dieses kruden Geschehens immer wieder als letzter Ausweg aus der Bedeutungslosigkeit. Für Spinnen, Jahrgang 1956, ist das auch eine Generationendiagnose. Die Generation der Zaungäste, die nie etwas anderes wollte, als unbehelligt die Dinge zu beobachten, rettet sich in den heiligen Ernst der Vaterschaft und ist mit Mitte vierzig endlich bereit, Verantwortung zu übernehmen. Die Botschaft ist ideologisch, weil sie zugleich suggeriert, Kinderlosigkeit sei gleichbedeutend mit Verantwortungslosigkeit und Stagnation. Deshalb lehnt Spinnens Held Onanie erklärtermaßen aus "ethischen Gründen" ab. Da kann er sich ja dann mit dem Papst zusammentun.

Weniger reaktionär und sehr viel interessanter ist John von Düffels Roman "Beste Jahre", der auf andere Weise die Kostbarkeit des Samens besingt und von kinderlosen Menschen in jenem Alter handelt, in dem "jeder Zyklus, der ohne Empfängnis vorbeiging, eine unwiederbringlich verpasste Chance darstellte". Düffel, 1966 in Göttingen geboren, hat sich bereits in seinem Debüt "Vom Wasser" und zuletzt mit der Industriellendynastie-Saga "Houwelandt" als Spezialist für Familienromane erwiesen. Jetzt geht es um einen Schauspieler, dessen Frau Lisa ihn eines Tages mit einer Schwangerschaftsmeldung überrascht. Dabei hatte er sich schon damit abgefunden, "dass die Zukunft vor allem darin bestand, Paar zu sein. Dass es außer seiner Frau und ihm nichts geben sollte, war bitter, aber nicht zu ändern, also fand er sich damit ab. Das Leben zu zweit hatte einiges für sich, die Ruhe sagte ihm zu, und in den Müdigkeiten unter der Oberfläche kannte er sich aus."

Als Schauspieler ist der Erzähler darauf abonniert, Leidenschaft darzustellen. Aber diese Fähigkeit kommt ihm auf der Bühne ebenso wie im Eheleben mehr und mehr abhanden. Vom "Reiz des Vertrauten", von der "Begabung zur Normalität" ist stattdessen die Rede, und das ist wohl der Moment, in dem bei einem Paar der Kinderwunsch als akutes Veränderungsbegehren reift. Doch alle Bemühungen in diese Richtung bleiben jahrelang ergebnislos, sodass die Reproduktionsmedizin mit ihren technischen Möglichkeiten ins Spiel kommt. Wie John von Düffel den ersten Besuch des Paares im "Zentrum für Kinderwunschbehandlung" (das heißt wirklich so!) beschreibt, das hat tatsächlich Orwellsche Züge. Der Zugriff der Medizin ist der letzte Ausweg und doch zugleich ein Horror. Seltsam, räsoniert der Erzähler, dass es nur zwei Generationen dauerte, um von der "Fortpflanzungsverhinderungsmedizin" der 50er-Jahre zur "Fortpflanzungsermöglichungsmedizin" der Gegenwart zu gelangen, ohne die "Nachwuchs überhaupt nicht mehr denkbar" sei.

Vor diesem Hintergrund wird es verständlich, dass von Düffel Schwangerschaft mit der Patina der Kostbarkeit umgibt und die schwangere Frau im Licht natürlicher Schönheit erstrahlen lässt. In diesen Passagen liest sich "Beste Jahre" wie ein Artikel für das Ressort "Leben" der Zeit, in dem die alltäglichen Ängste und Veränderungen während der Schwangerschaft beschrieben werden. Literatur als Lebenshilfe, Fortpflanzungsrealismus als neues literarisches Genre.

Doch dann nimmt auf überraschende Weise die Romanhandlung Fahrt auf. Ein schwuler Lehrer aus der Gymnasialzeit, Erinnerungen an das Theater in Stendal in der Nachwendezeit und vor allem der alte Freund "HC", der sein eigenes "privates Besamungsdilemma" durchlitten hat, spielen dabei eine Rolle. Aus Szenen, die zunächst wie Abschweifungen wirken, formt von Düffel einen spannenden Plot. Er kreist um Begriffe wie "Reagenzglasmasturbation am lebenden Objekt" oder "genetischer Treuebruch" und geht der Frage nach, wie sich klassische Moral mit ihrem schlichten "Du sollst nicht ehebrechen" ins Zeitalter der Reproduktionsmedizin übersetzen lässt. Der Kinderwunsch und all die liebevoll geschilderten Schwangerschaftssentimentalitäten bekommen dadurch ein schön schauriges Gegengewicht. Die Wünsche der Menschen, je intensiver sie sind, sind auch ausbeutbar und schaffen neue Abhängigkeiten. Von Düffels Roman singt das Loblied der Fortpflanzung, aber so, dass Literatur daraus entsteht. Das Familienministerium kann daraus jedenfalls keine Werbebroschüre machen.

Dirk von Petersdorff: "Lebensanfang". Beck Verlag, München 2007. 174 Seiten, 17,90 Euro Burkhard Spinnen: "Mehrkampf". Schöffling, Frankfurt a.M. 392 Seiten, 19,90 Euro John Düffel: "Beste Jahre". Dumont, Köln 2007. 246 Seiten, 19,90 Euro

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