Medienpolitik der CDU: Hätte doch Springer bloß dürfen
Die CDU will Fusionen und weniger Vielfalt im Markt erlauben - und ARD & Co. extern kontrollieren.
Günther Oettinger will wieder Medienpolitik machen. Schließlich ist er nicht nur Ministerpräsident von Baden-Württemberg, sondern ganz nebenbei auch noch Vorsitzender des Medienpolitischen Expertenkreises der CDU. Und wo sich bislang sein Parteifreund Roland Koch mit Abräumarbeiten ganz eigener Art (wie dem Wegbeißen von Chefredakteur Nikolaus Brender) beim ZDF hervortat, soll nun wieder Augenmaß und "Weiterentwicklung statt Revolution einziehen", sagte Oettinger in Berlin bei der Präsentation der "Medienpolitischen Thesen der CDU Deutschlands".
Das Papier ist dezidiert privatsender- und verlegerfreundlich, bringt aber wenig Neues: Den "privaten Rundfunkveranstaltern müssen neue Geschäftsmodelle unabhängig vom Werbemarkt" ermöglicht und im Bereich des privaten Rundfunks wie der Presse die kartellrechtlichen Vorschriften gelockert werden: "Wir leisten uns im Moment eine idealtypische Auslegung der Kartell- und Konzentrationsauflagen", sagte Oettinger. Was dabei herauskomme, sehe man ja bei ProSiebenSat.1. "Hätte man da etwas vereinfacht, wäre Springer heute bei Sat.1 am Zuge - jetzt haben wir einen Sanierungsfall", sang Oettinger das nicht nur in der Union beliebte Lied vom "Hätte doch Springer dürfen". Das gelte auch für Zeitungen und Zeitschriften: Ihm sei eine etwas geschrumpfte Vielfalt aus gesunden Presseunternehmen lieber als "etwas mehr Vielfalt, aber alle sind krank", sagte Oettinger. Dass kommt gut an beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV): Das Thema sei wegen der grassierenden Krise aktueller denn ja, sagt dessen Geschäftsführer Dietmar Wolff: "Die Lage hat sich dramatisch verschärft. Wichtig ist, dass die Koalition jetzt sensibilisiert ist." Dass man sich im Verlegerlager in Sachen Liberalisierung des besonderen Kartellrechts für die Presse herzlich uneins war, sei Geschichte: "Wir werden die Reihen so geschlossen bekommen, dass die Politik handeln muss", so Wolff. Subventionen wolle man, anders als andere Branchen, aber keine - nur in Sachen Mehrwertsteuer macht sich der BDZV in Brüssel weiter für den "Mehrwertsteuersatz Null" für Presseprodukte wie in Großbritannien stark. Oettinger und die CDU wollen laut Thesenpapier aber nur am verminderten Satz von 7 Prozent festhalten.
Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk möchte die Union dagegen ganz neue Aufsichtsstrukturen verpassen: Unter der Überschrift "gleiche Standards" fordert das Papier eine "gemeinsame Aufsicht", zum Beispiel durch die Landesmedienanstalten, für Private wie Öffentlich-Rechtliche bei Werbeauflagen und beim Jugendschutz. Das wäre in der Tat eine kleine Revolution, weil die gültige Rundfunkordnung vorsieht, dass ARD und ZDF sich über ihre Gremien selbst kontrollieren. "Der Zuschauer zappt durch und unterscheidet nicht zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Programm. Er sieht überall bunte Bilder", begründete Oettinger seine Forderung. Doch bei der ARD regt sich erwartungsgemäß robuster Widerspruch: "Die Programmaufsicht durch unsere Gremien funktioniert bestens, unsere Rundfunkräte befassen sich sehr intensiv mit Fragen des Jugendschutzes und der Werbeaufsicht", sagte der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust der taz: "Eine ähnlich intensive Programmüberwachung würde ich mir für die kommerziellen Programme wünschen. Die Landesmedienanstalten sollten hier ihrer Verantwortung gerecht werden, statt ständig nach zusätzlichen Kompetenzen zu rufen", so Boudgoust - der auch Intendant von Oettingers Heimatsender SWR ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften