Ehrgeiziger Klimaplan: Kopenhagen will CO2-neutral werden
Dänemarks Hauptstadt bereitet sich mit einem ehrgeizigen Programm auf den Klimawandel vor. Ein kleines Hintertürchen haben sich die Dänen allerdings offengelassen.
STOCKHOLM taz Kopenhagen verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Bis 2025 will die Stadt erste "CO2-neutrale" Hauptstadt der Welt sein. 50 konkrete Schritte für eine erste Etappe auf dem Weg dorthin - eine 20-prozentige CO2-Reduktion bis 2015 - hat Dänemarks rot-rot-linksliberal regierte Hauptstadt in der vergangenen Woche in einem Klimaplan präsentiert. Nicht nur neue Windkraftwerke sollen bei dem Rekordversuch helfen, sondern auch die Kraft aus der Tiefe.
In Bonn haben am Sonntag die Vorverhandlungen für ein Nachfolgeabkommen des Klimaschutz-Protokolls von Kioto begonnen, das beim Kopenhagener Klimagipfel im Dezember beschlossen werden soll. Mit Spannung wurde der erste Auftritt des US-Verhandlungsteams der neuen Regierung von Präsident Barack Obama erwartet, der eine Kehrtwende der USA in der Klimapolitik angekündigt hat. Bei dem Treffen geht es um Zielmarken zur Verringerung klimaschädlicher Treibhausgase und die Unterstützung der Entwicklungsländer im Kampf gegen die Erderwärmung. Die Konferenz mit rund 2.000 Teilnehmern aus fast 190 Ländern endet am 8. April. Zum Auftakt demonstrierten Umwelt- und Entwicklungsorganisationen in Bonn für klare Ergebnisse. "Wäre die Welt eine Bank, hättet ihr sie längst gerettet", titelte etwa Greenpeace. Unterdessen erfüllt Deutschland laut Bundesumweltministerium seine Klimaschutzziele nach dem Kioto-Protokoll. Demnach sei die Bundesrepublik verpflichtet, ihre jährlichen Treibhausgasemissionen bis 2012 um 21 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Nahzeitprognosen des Umweltbundesamtes zeigten schon im Jahr 2008 eine Minderung von etwa 23 Prozent. DPA, EPD
Halb Kopenhagen kann laut einer Studie für mehrere tausend Jahre mit geothermischer Energie versorgt werden. Eine Versuchsanlage im Vorort Amager ist seit drei Jahren in Betrieb und beliefert knapp 5.000 Haushalte mit Fernwärme. Aus 2,7 Kilometer Tiefe wird Wasser mit einer Temperatur von 73 Grad Celsius nach oben gepumpt, über Wärmewechsler ins Fernwärmenetz eingespeist und nach getaner Arbeit mit 17 Grad wieder in den Untergrund zurückgeschickt. Mit 70 bis 80 Millionen Euro wäre es zwar nicht gerade billig, eine nun vorgeschlagene Anlage mit zehnfacher Kapazität zu bauen, doch Experten versprechen, dass sich das rechnen würde und Dänemark zu einem Vorreiter neuer Energietechnik machen könnte, wie es dies auch einmal bei der Windkraft war.
Ritt Bjerregaard, die sozialdemokratische Oberbürgermeisterin der Hauptstadt, ist eine der Köpfe hinter dem Klimaplan. Sie war in den Neunzigerjahren und auch während der Verhandlungen um das Kioto-Abkommen EU-Umweltkommissarin. Einige der konkreten Ziele, die sie umsetzen will: Der CO2-Ausstoß soll durch neue Windkraftanlagen um 375.000 Tonnen gesenkt werden, 50.000 Tonnen sollen durch klimarenovierte öffentliche Gebäude gespart werden, 5.000 Tonnen durch neue Grünanlagen und 50.000 Tonnen durch die Förderung von Elektroautos, die gratis in der Stadt parken und an jeder Ecke aufgeladen werden können. Zudem will sich die Stadt auf die zu erwartenden Klimaveränderungen einstellen. Stadtplanung und Bauvorschriften müssten die trockeneren Sommer mit intensiveren Regenperioden und die regenreicheren Winter ebenso einkalkulieren wie das Steigen des Meeresspiegels. Weniger Beton und dafür neue kleine Parkanlagen, die überall in der Stadt diese an heißen Tagen abkühlen und an nassen Tagen das Regenwasser aufnehmen.
Schon jetzt fahren 40 Prozent der KopenhagenerInnen mit dem Rad zur Arbeit und helfen damit, das Verkehrschaos in Grenzen zu halten. Außerdem verursacht jeder der etwa 500.000 Hauptstadtbewohner "nur" etwa 5 Tonnen CO2 im Jahr. In Deutschland liegen die entsprechenden Pro-Kopf-Zahlen im Schnitt noch bei 10, in den USA bei 20 Tonnen. Andererseits haben einige schwedische Städte vorgemacht, dass 3 Tonnen ein schon jetzt erreichbares Ziel sind.
Dabei wird für Kopenhagen der Transportsektor allerdings der schwerste Happen sein. Zumal man hier nicht nur auf die eigene Regierung - die verweigert der Hauptstadt beispielsweise die Einführung einer Straßenmaut -, sondern auch auf die EU sowie, was den Willen zur Entwicklung neuer Fahrzeugtechnik angeht, auf die Industrie angewiesen ist. So bleibt auf dem Weg zur "CO2-neutralen" Stadt bis 2025 eine Lücke: 1,4 Millionen Tonnen glaubt man selbst einsparen zu können. Doch bei 1,1 Millionen hofft man auf neue Technik und neue Gesetze. Sollte das nicht klappen, will man sich insoweit auf dem Markt der CO2-Emissionsrechte "freikaufen". Was z. B. die linke "Einheitsliste" als ein zu bequemes Hintertürchen kritisiert.
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