Die deutsche Elf steht im EM-Finale: Turniermannschaft siegt über Wunderelf
Das türkische Team spielte besser - und in der 86. Minute deutete sich mit dem späten Ausgleich wieder ein Wunder an. Doch in der 90. machte Lahm das entscheidende Tor.
BASEL taz Eine Turniermannschaft bleibt im Turnier, das ist doch logisch. Und weil auf der deutschen Mannschaft das Siegel Turniermannschaft klebt wie das Chiquita-Logo auf einer Banane, ist am Mittwochabend im Basler St. Jakob-Park eben passiert, was passieren musste. Die Elf des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat das Finale am Sonntag im Wiener Ernst-Happel-Stadion erreicht - nach einem dramatischen 3:2 (1:1) gegen die Türkei.
Deutschland: Lehmann - Friedrich, Mertesacker, Metzelder, Lahm - Hitzlsperger, Rolfes (46. Frings) - Schweinsteiger, Ballack, Podolski - Klose (90.+2 Janssen)
Türkei: Rüstü - Sabri, Mehmet Topal, Gökhan, Hakan Balta - Mehmet Aurélio - Kazim (90.+2 Tümer), Hamit Altintop, Ayhan (81. Erdinc), Ugor (86. Karadeniz) - Semih
Schiedsrichter: Busacca (Schweiz)
Zuschauer: 39.000 (ausverkauft)
Tor: 0:1 Ugor (22.), 1:1 Schweinsteiger (26.), 2:1 Klose (79.), 2:2 Semih (86.), 3:2 Lahm (90.)
Doch so leicht, wie sich das fast alle Experten vor dem Match gedacht hatten, war's nicht. Vor allem in der ersten Halbzeit tat sich das Team von Bundestrainer Joachim Löw erstaunlich schwer gegen die ballsicheren und taktisch clever eingestellten Türken.
Bei der deutschen Aufstellung blieb alles wie gehabt. Bundestrainer Joachim Löw beließ es beim hoch gelobten 4-2-3-1-System vom Viertelfinale, das Kapitän Michael Ballack mehr entgegen kommen sollte als die standardisierte 4-4-2-Aufstellung.
"Es wird schwierig, eine Elf zusammen zubekommen", hatte dagegen Abwehrschrat Gökhan Zan vorm Spiel gewitzelt, aber die Türken schafften es dann doch, nach kollektiver Anstrengung und unter Mobilisierung der letzten Reserven eine erstaunlich dynamische Elf auf den Platz zu schicken. Ein Team, das sich in einer 4-1-4-1-Formation aufstellte, mit einem hochmotivierten Hamit Altintop im Mittelfeld - und nicht in der Viererkette.
Und was die Türken zeigten, das hatte es in sich. Im Mittelfeld überzeugten die kleinen Dribbelkünstler Ugur Boral und Ayhan Akman, flankiert von Mehmet Aurelio, der sich rührend um Michael Ballack kümmerte und kaum von ihm abließ während der 90 Minuten.
So entwickelte sich zu Beginn der Partie eine erstaunliche Dominanz der Türken im Mittelfeld. Auch das Flügelspiel funktionierte, so dass die Zuschauer nicht lange warten mussten auf türkische Chancen. Die erste ergab sich durch Boral, dann war Altintop dran, wenig später Kazim Kazim.
Das Problem dabei: Sie trafen nicht. Viel besser machte es in der 22. Minute Boral: Er durfte einen von der Querlatte abprallenden Schuss noch einmal aufnehmen und Jens Lehmann unter dem Po hindurch ins Tor schummeln.
Danach kam ein wenig mehr Pepp ins Spiel der Deutschen, ein wenig. Sie wussten dabei die Schwächen in der türkischen Abwehr bei Schnellangriffen und Eins-zu-eins-Situationen zu nutzen. Der flinke Lukas Podolski schlug in einem Moment türkischer Konfusion zu und überdies eine Flanke auf seinen Spezl Bastian Schweinsteiger - der erzielte prompt den Ausgleich. Fast eine Kopie des 1:0 gegen Portugal.
Frings kam in der zweiten Halbzeit doch noch zum Einsatz, weil Rolfes sich bei einem Kopfballduell eine Platzwunde über der Augenbraue zugezogen hatte. Das Spiel der Deutschen wurde etwas besser, nun konnten sie das Spiel wenigstens ausgeglichen gestalten.
Und gingen in Führung, als der türkische Torhüter Recha Rüstü, der Held des Viertelfinals gegen Kroatien, eine Flanke unterlief eine Flanke, die Miroslav Klose einköpfen konnte. Das Rauslaufen ist eben die Schwäche des sonst guten Keepers.
Ein 1:2 nach 79 Minuten demoralisiert manchen Gegner, doch kaum die türkische Mannschaft, die in diesem Turnier schon drei Spiele gedreht hat - zwei im buchstäblich letzten Moment. So kam es, wie es kommen musste: In der 86. Minute glich Semih nach einem Fehler von Lahm aus. Wieder traf also der Mann, der schon gegen Kroatien sein Team im Spiel gehalten hatte.
Doch statt der Elf der Wunder setzte sich die Turniermannschaft durch. Denn nur vier Minuten später bügelte Phillip Lahm seinen Fehler wieder aus: Einen von ihm selbst eingeleiteten Angriff schloss er nach Doppelpass mit Hitzelsberger wunderbar zum 3:2 ab. Das wars. Das effektivere Team des Abends zieht nun ein ins Finale.
Hinterher war selbst Jogi Löw trotz des Sieges kritisch: "Wir hatten keine klare Struktur in unserem Spiel." Den Türken attestierte er "eine hervorragende, fantastische Leistung" - es sei ein "Wahnsinns-Kampf auf Biegen und Brechen" gewesen. Der türkische Coach Fatih Terim erklärte, er sei traurig und stolz zugleich: "Wir waren so kurz vor dem Finale".
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