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Grenada: Melancholie und Stillstand

■ Sieben Jahre nach dem Mord an Premierminister Maurice Bishop und der US-Invasion ist das katastrophale Ende der grenadinischen „revo“ noch immer allgegenwärtig/ Der tote Premier wird als Märtyrer verehrt und die nationale Elite tut sich schwer damit

Die tropische Mittagssonne knallt erbarmungslos in den tristen Innenhof. Nur oben an den alten gußeisernen Kanonen über wuchtigem kolonialen Gemäuer bricht sich ein schwacher Wind. High noon auf Fort George. Hier an der weißgetünchten Festungsmauer, wo der „Generalgouverneur Ihrer Majestät der Königin ElizabethII“ gleich einen armseligen Kranz niederlegen wird, wurde zur gleichen Stunde vor sieben Jahren die grenadinische Revolution exekutiert. Eine Woche später landeten US-Truppen auf Grenada. Das verstörte Volk empfing die neuen Herren mit offenen Armen — ein Novum in der fast endlosen Folge von Invasionen fremder Mächte.

Am frühen Morgen des 19.Oktober 1983 hatten dieselben Menschen ihren Premierminister Maurice Bishop aus seinem privaten Domizil befreit, das er nach dem Putsch seines Stellvertreters und Rivalen Bernard Coard nicht mehr verlassen durfte. Bishop zog mit seinen Anhängern im Triumphzug zum Armeehauptquartier auf dem Hügel über der Hauptstadt St. George's. Das Volk jubelte — zu früh. Am Mittag, mitten in die ausgelassene Stimmung hinein, schoß sich die Besatzung eines Armeeschützenpanzerwagens, erbarmungslos in die Menge feuernd, den Weg zu Bishop und einigen seiner engsten Vertrauten frei. Die Prominentengruppe wurde isoliert, hastig durch einen schmalen Gang auf den Hof des Forts getrieben und sofort erschossen: Neben Bishop drei seiner Minister und zwei weitere Vertraute. Die Zahl der Opfer außerhalb der Festung wurde nie ermittelt.

Sieben Jahre danach scheint die Gefühlslage unter den geladenen „Würdenträgern“ — an diesem Ort, an diesem Tag — einen Hauch zu entspannt. Der stets freundlich lächelnde Premierminister Brathwaite, der Generalgouverneur Sir Paul Scoon, Minister, Diplomaten und die Oberhirten der in Grenada reichlich vertretenen Christenfraktionen, sie alle begrüßen sich offenkundig gut gelaunt, schulterklopfend, scherzend... Ist es Unsicherheit? Kämpft da die kleine grenadinische Elite um Fassung im Angesicht der Angehörigen der Opfer? Die Trauernden sitzen schweigend in der zweiten Reihe. Genau fünfzehn Minuten weist das Protokoll für die Andacht anläßlich des „Nationalen Gebetstages“ aus, kolonial-historische Waffenpräsentationsrituale, Zapfenstreich und Hymne inklusive. Gleich dreimal wird Gottes Beistand erbeten für „jene, die ihr Leben unter so tragischen Umständen verloren“. Namen werden nicht genannt. Auch nicht der des früheren Ministerpräsidenten.

Die 1983 von den US-amerikanischen Invasoren reinstallierte bürgerliche Führung der Karibikinsel tut sich auch sieben Jahre nach der „Oktober-Krise“, wie die dramatischen Ereignisse offiziell heißen, schwer mit dem Gedenken an Maurice Bishop und seine Getreuen. Allzu lange haben die neuen, alten Machthaber versucht, die unüberbrückbaren Differenzen zwischen den Tätern und den Opfern des 13. Oktober 1983 propagandistisch einzuebnen. Mit Maurice Bishop, für den es bis heute kein Denkmal, nicht mal eine Grabstätte gibt, sollten auch die guten Erinnerungen an die grenadinische „revo“ in Vergessenheit geraten. Der Versuch ist vorerst gescheitert. Der „Nationale Gebetstag“ ist eine Konzession, die sich die Bevölkerung von der neuen Führung vor zwei Jahren ertrotzt hat. Die Verehrung für den ermordeten Märtyrer der Revolution nimmt eher zu.

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Die Grube mißt zwölf Meter im Durchmesser, vielleicht drei in der Tiefe. Am Boden dümpelt moos- und schlammbedeckt Unrat. Es stinkt. „Der Swimming-pool“, sagt Edwin Frank. Der Mann vom Tourismusministerium lächelt bitter. Auf diesem hinreißenden Eiland gibt es wenig häßliche Orte wie diesen — zumal jetzt, gegen Ende der Regenzeit, wo die tropische Vegetation ihre ganze Pracht entfaltet. Gedanken an Gewalt und Zerstörung stellen sich nicht von alleine ein. Wohl deshalb führt Frank, ein ruhiger, nachdenklicher Mann aus der Generation Bishops, seine Gäste bei Streifzügen durch die Insel zuerst hierher.

Hinter der trostlosen Grube, dem geschundenen Symbol gediegenen Müßiggangs, ragen die zerschossenen Quader des Santa Maria Hotels in den blauen Himmel, vor 1979 das „erste Haus am Platze“. Aus kahlen Fensterhöhlen folgen den Fremden argwöhnisch-ängstliche Blicke. Hier ist nichts zu spüren von jener lässigen Souveränität, mit der die Grenadiner ihre bleichgesichtigen Besucher sonst zu begrüßen pflegen. Auf dem kleinen Hügel über dem Hafen der Hauptstadt haben sich Obdachlose niedergelassen. „Squatters“, sagt Edwin Frank und deutet auf die Fensterhöhlen des zerstörten Hotels. Die Nachricht, daß hier demnächst mit dem Bau eines touristischen Zentrums begonnen werden soll, hat die obdachlosen Hausbesetzer in permanente Alarmbereitschaft versetzt. Die Ruine soll vollends abgerissen, der Hügel fast um die Hälfte abgetragen werden. Besetzer und Anwohner sollen weichen. Landsleute der Besatzer, die das Gebäude vor genau sieben Jahren in Brand schossen, treiben das Projekt voran. Ende Oktober 1983 war der Hotelkomplex, den sich die Revolutionäre nach ihrem weitgehend unblutigen Staatsstreich im März 1979 als Innen- und Verteidigungsministerium eingerichtet hatten, zum Schauplatz erbitterter Gefechte zwischen der Übermacht der Invasoren und kleinen Gruppen grenadinischer Revolutionsarmisten geworden.

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„Dem Staatsstreich vom Frühjahr 1979 folgten einige Jahre der Unruhe, bis die USA im Oktober 1983 militärisch eingriffen.“ So sieht der Berlitz Reiseführer die jüngere Geschichte der kleinen Karibik-Republik. Und zur Beruhigung der erholungsbedürftigen Leserschaft: „Von alldem merken Touristen nichts.“ In der Tat, materielle Spuren, die an die Jahre der Revolution unter der Führung des „New Juwel Movement“ (Juwel steht für „Joint Endeveour for Welfare, Education and Liberation“) erinnern, fallen dem unbefangenen Besucher des Jahres 1990 nicht gerade ins Auge.

Aber es gibt sie: Auf dem stillgelegten Airstrip, bei dem Örtchen Pearls an der abgeschiedenen Ostküste der Insel gelegen, rostet eine kleine Verkehrsmaschine vor sich hin. Der Schriftzug „Air Cubana“ auf dem Rumpf erinnert an frühere Verbündete. Gleich nebenan bläst der Wind durch die zerfledderten Tragflächen eines archaischen Doppeldeckers. Die Aufschrift in kyrillischer Schrift: „Aeroflot“. Auf dem neuen internationalen Flughafen von Point Salines, nahe den touristischen Zentren und der Hauptstadt St. George's erinnert noch die Reihenfolge der Wegweiserbeschriftung — spanisch, englisch, deutsch — daran, daß Fidel Castro die englischsprachigen Karibikinsel beim Bau des Vorzeigeprojekts unterstützte. Die materiellen Spuren der Revolution sind nicht mehr offensichtlich. Umso tiefer sind die Spuren, die sie in den Gefühlen der Grenadiner hinterlassen hat. Der Oktober 1983 ist ihnen stets gegenwärtig. Daß das gewaltsame Ende der „Juwel Revolution“ zum nationalen Trauma wurde, erkennt man erst auf den zweiten Blick.

Gespräche mit Einheimischen steuern mit Sicherheit irgendwann auf die jüngere Geschichte des Landes zu. Edwin Frank diente der Revolution als Nachrichtensprecher, Moderator und „Programmdirektor“ des Rundfunksenders „Radio Free Grenada“, als die Amerikaner kamen. Er war es, der — auf Weisung der Bishop-Mörder, wie er betont — die Grenadiner damals zum Widerstand gegen die Besetzung des Landes aufrief. „My voice went round the world“, sagt Frank — das verziehen ihm die US-Militärs nicht. Er wurde auf der Stelle suspendiert.

Trotzdem, die Verbitterung über die möglicherweise verpaßte Chance einer eigenständigen sozialistischen Entwicklung der Insel richtet sich auch bei ihm, heute Angestellter des Tourismusministeriums, weniger gegen die Weltmacht im Norden. Zwar hatte der seinerzeit in Washington regierende Ronald Reagan die paranoiden Ängste seiner Untertanen nach Kräften angeheizt und den Inselstaat mit nicht mal 90.000 Einwohnern vor der Küste Venezuelas zu einer veritablen Bedrohung der Vereinigten Staaten von Amerika erklärt. Nach ihrer Machtübernahme drehte der Cowboy im Capitol der Revolutionsregierung umgehend den Geldhahn zu. Mit massiven Militärmanövern im karibischen Raum ließ die Weltmacht in der Folgezeit unmißverständlich die Muskeln gegen Grenada spielen. Die CIA wurde nicht müde, haarsträubende „Erkenntnisse“ über gewaltige kubanische Waffenlager oder gar eine neue sowjetische Raketenbasis auf der Gewürzinsel in die internationale Öffentlichkeit zu lancieren.

Als Maurice Bishop, die Gefahr einer Invasion vor Augen, den Präsidenten schließlich um eine Audienz zur „Klärung der Mißverständnisse“ bat, war eisiges Schweigen Reagans einzige Antwort. Trotz alledem: Als es dann endlich soweit war, hatte sich die grenadinische Revolution zuvor selbst enthauptet, hatte die offensichtlich durchgeknallte Truppe um Bishops Rivalen Bernard Coard dem Capitol das Land praktisch auf dem Silbertablett präsentiert. So jedenfalls sieht es Edwin Frank und mit ihm die Mehrheit seiner Landsleute.

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Neben der Festung Fort George, in dessen Innenhof Bishop und seine Freunde an die Wand gestellt wurden, und den Ruinen des Santa Maria Hotels beherrscht ein drittes Bauwerk die in zahlreiche grüne Hügel idyllisch hineingewachsene Hauptstadt: Das Richmond Hill Gefängnis ganz oben auf der Kuppe der gleichnamigen Erhebung. Hier, in einem langgestreckten Flachbau mit rostbraunem Wellblechdach, vom Volksmund nicht nur wegen seiner Panoramalage mahagoni hotel getauft, sitzen seit sieben Jahren Bernard Coard, seine Frau Phyllis, der Ex-General Hudson Austin, andere ehemalige Mitglieder der Coard- Fraktion im Zentralkomitee des „New Juwel Movement“ und auch jene Soldaten, die ihre Waffen um die Mittagszeit des 19.Oktober 1983 gegen die eigene Bevölkerung und ihre Führung gerichtet hatten.

Seit vier Jahren leben Coard und dreizehn seiner Anhänger auf Richmond Hill im Angesicht des Todes. Aber noch ist nicht entschieden, ob die linken Putschisten gegen Maurice Bishop, wie es die USA-inspirierten grenadinischen Geschworenen im Dezember 1986 bestimmten, am Galgen sterben müssen, ob der barbarischen Eskalation auf Fort George die ebenso barbarische Rache folgen wird. Über die Berufung der zum Tode verurteilten Gefangenen verhandelte drei Jahre lang ein Sondergericht, in dem grenadinische Staatsbürger nicht mehr vertreten sind. Die elf Verteidiger sind Ausländer, ebenso wie die drei Berufungsrichter aus Barbados, Guayana und Antigua. Das Urteil wird in diesem Monat erwartet.

Doch selbst, wenn das erstinstanzliche Urteil gegen alle 14 Angeklagten bestätigt wird, bleibt den Angeklagten noch der weite Weg zurück in die Gerichtsbarkeit der ungeliebten ehemaligen Kolonialmacht. Die Chancen, daß am Ende der Privy Council in London über das Schicksal der Richmond-Hill-Häftlinge entscheidet, stehen nicht schlecht, insbesondere wenn Grenada endgültig in den Schoß der „Organization of East Caribbean States“ (OECS) zurückkehrt. Kommt es so, ist mit einem rechtskräftigen Urteil nicht vor Mitte oder Ende der 90er Jahre zu rechnen — wenn überhaupt.

Bernard Coard hat im Laufe des Verfahrens nicht an Sympathien gewonnen. Die nach den Wirren der Oktobertage 1983 von den Amerikanern konfiszierten und veröffentlichten Protokolle der Sitzungen des Zentralkomitees der Partei und die Aussagen überlebender Bishop-Anhänger zeichnen das Bild eines Mannes, der einem verheerenden und nur schwer nachvollziehbaren Trugschluß aufgesessen war: Er wollte die Stalinsche Interpretation des leninistischen Parteimodells auf das winzige und von Intellektuellen dominierte New Juwel Movement übertragen — und das in einem Land, in dem es praktisch keine Arbeiterklasse gibt, dafür aber eine große Zahl von Kleinbauern, die sich mit ein bis drei Hektar Land mehr schlecht als recht durchschlugen. Coard warf Bishop vor, er lasse das „theoretische Niveau“ der Partei

verlottern. Das revolutionäre Bewußtsein der Funktionäre werde zunehmend von kleinbürgerlichem Gedankengut getrübt.

In konspirativen Zirkeln organisierten Coard und seine Leute ihre Seilschaften gegen den charismatischen Premierminister und brachten schließlich die Mehrheit des Zentralkomitees hinter sich.

Die Frage der kollektiven Führung der Partei war es schließlich, die den schwelenden Machtkampf offen ausbrechen ließ. Das Zentralkomitee beschloß faktisch die innerparteiliche Entmachtung Bishops und schließlich seine Absetzung als Premierminister, seinen Parteiausschluß und Hausarrest. Bishop habe sich zum Alleinherrscher aufschwingen wollen, hieß es in den Tagen nach dem Putsch. In der entscheidenden Sitzung wurde er mit dem Dikatator Gairy verglichen, den er 1979 aus dem Amt gejagt hatte und mit den Rassisten in Südafrika.

Im Verlauf des Mammutprozesses wollte Bernard Coard von alledem nichts mehr wissen. Im Gegenteil: Der Tod „Comrade Bishops“ sei ein schmerzlicher Verlust für ihn gewesen. Bishop habe leider — unter dem Eindruck von Einflüsterungen der lokalen Bourgoisie und eingeschleuster CIA-Agenten — objektiv der Konterrevolution in die Arme gearbeitet.

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„Grenada liegt im Koma und man weiß nicht, ob es stirbt oder wieder zu sich kommt“, stöhnte kürzlich ein führender Politiker des Inselstaates. Diese triste Einschätzung ist typisch für die Stimmung, die sieben Jahre nach dem Ende der „revo“ nicht nur das offizielle Grenada beherrscht. Die Leute organisieren mühsam, aber in aller Regel guter Dinge, ihren Alltag. Auf staatliche Hilfe bei den Problemen des täglichen Lebens hofft kaum mehr jemand.

Die Arbeitslosigkeit erreicht offiziell mehr als 20 Prozent, tatsächlich liegt sie noch erheblich darüber, versichern mehrere Gesprächspartner. Das Land leidet unter einem chronischen Handelsbilanzdefizit. Neben den klassischen landwirtschaftlichen Exportgütern Muskat, Bananen und Kakao setzen auch die gegenwärtigen Machthaber, wie schon Bishops Revolutionsregierung, auf den Tourismus: Tatsächlich steigt unter den Jubelarien von Regierung und Presse die Zahl der Besucher stetig an. Doch zumeist handelt es sich um Urlauber von amerikanischen Kreuzfahrtschiffen, die für wenige Stunden in St. George's einfallen, zwei Dollar für eine Geschenkpackung einheimischer Gewürze ausgeben und wieder verschwinden.

Die Presse klagt bitterlich über die Mittelmäßigkeit aller Regierungen der Nach-Bishop-Ära. Auch dem erst im März wiedergewählten Premierminister Nicholas Brathwaite — er war schon 1983 von den US-Invasoren als Übergangsregierungschef eingesetzt worden — wird von allen Seiten schlichte Unfähigkeit bescheinigt, die Probleme des Staatenwinzlings anzugehen.

Die Macht in Grenada teilen sich erneut jene, die sie schon immer innehatten, wenn nicht gerade ein ausgeflippter Eric Gairy durch Vetternwirtschaft und Polizeigewalt zu diktatorischer Machtfülle gelangte oder die linken Revoluzzer einen neuen Weg versuchten. 1984 wurde Herbert Blaize, in jungen Jahren Gairys Sekretär, später auch Minister unter der britischen Kolonialmacht, mit einer komfortablen 14:1-Mehrheit zum Premierminister gekürt.

Doch seine konservative law-and- order-Partei, die „New National Party“ (NNP), litt in den Folgejahren unter fortgesetzter Zellteilung. Zunächst spaltete sich der „New Democratic Congreß“ (NDC) ab und nahm fast die Hälfte der NNP-Mandate mit. Später verweigerte ein Parteitag dem Premier die Wiederwahl zum Parteichef, woraufhin der gekränkte Mann einen neuen Verein aufmachte, den er phantasievoll „The National Party“ (TNP) taufte.

Das Wahlvolk fühlte sich von all dem wenig tangiert, zumal die Regierungmannschaft derlei Erschütterungen in aller Regel schadlos überstand. Doch im Dezember 1989 starb Herbert Blaize und die Karten wurden — so schien es jedenfalls — neu gemischt. Bei der Wahl im letzten März gewann der NDC überraschend sieben der fünfzehn Mandate im Unterhaus, TNP und NNP mußten sich mit je zwei Sitzen begnügen und — für viele ein Schock — die „Grenadian United Labour Party“ (GULP) des Ex-Diktators Eric Gairy erhielt vier Mandate. Da war es nur ein schwacher Trost, daß Gairy selbst erneut scheiterte und nicht ins Parlament zurückkehrte. Ebenso vor der Tür blieb das „Maurice Bishop Patriotic Movement“ (MBPM), eine „junge“ Partei, die dort wieder anknüpfen will, wo Maurice Bishop vor sieben Jahren gewaltsam gestoppt wurde. (siehe Interview)

Nachdem das Volk seine Kreuzchen abgeliefert hatte, begann erneut, woran die Grenadiner seit Jahrzehnten gewöhnt waren: das große Stühlerücken, bei dem die jeweilige Opposition regelmäßig nach Plätzen auf der Regierungsbank zu suchen scheint. Die 7:8-Minderheitsregierung Nicholas Brathwaites mutierte so binnen weniger Wochen zu einem Kabinett, das sich plötzlich auf eine satte 11:4-Mehrheit stützen kann. „Crossing the floor“ heißt das Verfahren, das den Abtrünnigen aus den Reihen der alten Regierungspartei nach einer Wahlniederlage den Weg zu eben jenen Ministersesseln ebnet, die sie auch vor der Wahl schon innehatten. „Die Namen der Regierungsparteien in Grenada wechseln häufiger als die der Minister“, resümiert der MBPM-Vorsitzende Terry Marryshow diese besondere Spielart des Parlamentarismus.

Ob das Wahlvolk, wie Marryshow hofft, davon irgendwann die Schnauze voll hat und sich um die Apologeten des geliebten „revo“- Anführers Maurice Bishop scharen wird, scheint indes fraglich. „How long shall they kill our prophets“, tönt Bob Marley bei unserer Rückkehr von einem Inseltrip nach St. George's aus dem Kassettenrecorder. Edwin Frank trommelt den Takt auf dem Lenkrad seines japanischen Mittelklassewagens. „Der Tag wird kommen“, murmelt er und steuert etwas versonnen auf das nächste achsbruch-taugliche Schlagloch zu, „der Tag wird kommen, an dem der Flughafen von Point Salines einen neuen Namen bekommt: ,Maurice Bishop International Airport‘.“ Gerd Rosenkranz

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