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die wahrheitAufstand der Phallusbrüller

Was ist eigentlich der Dalai Lama für einer? Ein Hintergrundbericht.

Er beharrt auf der Richtigkeit seiner Entscheidung für den einen und gegen den anderen Blödsinn. Bild: reuters

Anlässlich des Deutschlandbesuches des Dalai Lama vom 15. bis 19. Mai 2008 hatte eine Gruppe namens Western Shugden Society massive Protestaktionen gegen den tibetischen "Gottkönig" angekündigt. An den Auftrittsorten "Seiner Heiligkeit" in Bochum, Nürnberg und Bamberg demonstrierten sie gegen dessen "denunziatorische, demütigende, diskreditierende und verfemende" Haltung den Anhängern der buddhistischen Gottheit Dorje Shugden gegenüber. Wer oder was genau ist dieser Dorje Shugden und wer sind seine Anhänger?

Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde der Shugden-Kult durch einen Ritualmord am Exil-Regierungssitz des Dalai Lama im nordindischen Dharamsala: Drei Mönche aus dem innersten Zirkel um "Seine Heiligkeit", darunter ein 70-jähriger Abt, waren in der Nacht des 4. Februar 1997 auf grausige Weise abgeschlachtet worden. Man hatte sie mit zahllosen Messerstichen niederstreckt und ihnen anschließend die Haut abgezogen. Weitere hochrangige Mönche, auch der Dalai Lama selbst, erhielten entsprechende Drohungen. Die Attentäter, so die für Buddhismus- und Dalai-Lama-Fans in aller Welt schockierende Erkenntnis, kamen aus den Reihen der Exiltibeter selbst: aus den Reihen der Anhänger eines tibetischen Schutzpatrons, den der Dalai Lama ein gutes halbes Jahr zuvor mit Bann belegt hatte.

Der seit 1996 offiziell gebannte Schutzgott, eine Art Dämon namens Dorje Shugden (tibet.: Phallusbrüller), wird ikonografisch dargestellt als säbelschwingender Krieger, der mit wildverzerrter Fratze auf einem Schneelöwen durch einen See kochenden Blutes reitet; er gilt als unerbittlicher Kämpfer gegen die "Verfälscher der buddhistischen Lehre". Einer der zahllosen Legenden zufolge sei er der Geist eines Rivalen des 5. Dalai Lama (1617-1682), der von diesem ermordet und anschließend zum jenseitigen Beschützer dessen "wahrer Lehre" erklärt worden war. Die Verehrung Dorje Shugdens - der "Phallusbrüller" meldet sich über eigene "Trancemedien" zu Wort - steht seither für orthodoxen Gelbmützen-Fundamentalismus, auch der gegenwärtige 14. Dalai Lama wurde zu einem gläubigen Shugden-Anhänger erzogen.

Schon Mitte der Siebzigerjahre war er indes von der Verehrung Dorje Shugdens abgerückt. Im Sommer 1996 hatte er in einer offiziellen Verlautbarung den Mitarbeitern der exiltibetischen Regierung und Verwaltung sowie sämtlichen von ihm initiierten Mönchen und Laien jedweden Shugden-Kult als "Sektierertum" und "Götzenverehrung" untersagt. Eine Reihe von Äbten und Mönchen hatte sich dieser Anordnung widersetzt. Man warf ihm Verrat und Verletzung der Religionsfreiheit vor, selbst vor Vergleichen mit der chinesischen Unterdrückungsherrschaft in der besetzten Heimat scheute man nicht zurück. Der Konflikt war weiter eskaliert, als der Dalai Lama Häuser und Klöster der Exilgemeinden durchsuchen und sämtliche Bildnisse Shugdens zerstören ließ. Shugden-Gläubige wurden von Rollkommandos verprügelt, unbotmäßige Mönche ihres jeweiligen Konvents verwiesen.

Selbstverständlich ging und geht es bei dem "Glaubenskrieg" weniger um religiöse Fragen als vielmehr um handfeste Machtinteressen - und um Geld: In England hatte der hochrangige Gelbmützen-Lama Kelsang Gyatso die sogenannte New Kadampa Tradition gegründet, die quer durch Europa orthodoxen Shugden-Buddhismus vermarktet. In zahllosen Zentren betreibt er blühenden Ablasshandel: Spenden für New Kadampa, so Kelsang, führten unmittelbar ins Nirvana. Auch in Indien hatten sich die Shugden-Anhänger - rund zwanzig Prozent der Exiltibeter verehren die blutrünstig-dämonische Gottheit - organisiert: 1996 war in Delhi eine eigene Dorje Shugden Society gegründet worden, in deren Kreisen auch die Drahtzieher der Mordanschläge in Dharamsala vermutet wurden. Trotz zahlreicher Verhaftungen und wochenlanger Verhöre kam indes nie richtig Licht in die Sache.

Der Dalai Lama äußerte sich nicht öffentlich zu den Morden an seinen Mitarbeitern. Ungeachtet seines beschädigten Ansehens ging er weiter auf Konfrontation: Sämtliche Shugden-Literatur sei zu verbrennen, jedweder Kontakt zu Shugden-Anhängern zu meiden; diese sollten künftig keine Reisedokumente der Exilregierung mehr erhalten und von sämtlichen Sozialleistungen ausgeschlossen werden; ihren Kinder solle der Zugang zu Schulen verwehrt werden. Er bezeichnete den Shugden-Kult als "Eiterbeule", die dringlichst entfernt werden müsse.

In großformatigen Zeitungsanzeigen wurde zu aktivem Mobbing von Shugden-Anhängern aufgefordert. Ein Shugden-Treffen im südindischen Mundgod wurde gewaltsam gesprengt: Mehr als 2.000 Dalai-Lama-treue Mönche überfielen die Shugden-Gemeinde und prügelten mit größter Brutalität auf die Gläubigen ein, bis die indische Polizei dem Spuk ein Ende bereitete. Es steht derlei offene Gewalt durchaus in Einklang mit der Lehre des tibetischen Buddhismus: Im Kalachakra-Tantra etwa, dem bevorzugten Ritualtext des Dalai Lama, wird ausdrücklich zur Vernichtung der Feinde aufgerufen.

Bis heute hat der Dalai Lama nichts unternommen, die tiefe Spaltung innerhalb der exiltibetischen Gemeinde zu überwinden, ganz im Gegenteil. Stur beharrt er auf der Richtigkeit seiner Entscheidung für den einen und gegen den anderen abergläubischen Blödsinn. Im Übrigen schreibt er die Schuld an dem Konflikt den "systematischen Unterwanderungsplänen des kommunistischen China" zu: Shugden-Anhänger, so seine verworrene These, würden von Peking finanziert, um ihn in Diskredit zu bringen.

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15 Kommentare

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  • DR
    Dorje Rabgye

    an Tenzin Sherab

     

    Alter Scheiss aber immernoch im Netz!

     

    Was soll diese Augenwischerei Herr Scherab? Oder darf ich Sie Herr Goldner nennen?

     

    rDo heisst wörtlich Stein, rJe heisst Majestät, Meister, Chef

    shugs ldan ist die Kraft, Energie und entspricht dem Sanskrit Shakti (Schakti), der indische Superman heisst übrigens Shaktiman!

     

    Dorje ist auch ein Personenname - wer würde sein Kind schon 'Penis' nennen? Hey, Penis komm' sofort... :D

     

    Sie sind ein Fanatiker und absoluter Spinner, Herr Goldner!

  • H
    hannes

    Genau. Menno. Wenn ich ein Abo hätte, würde ich das auch kündigen. Der arme Dalli-Lama.

  • OW
    Oliver Weidner

    Die andere Wahrheit

     

    Ist, dass unsere „hippe“

    Vorzeige-Demokratie doch aus genau denselben Gründen

    die RAF verbot und „unsere“

    Schwanz-Schreier-Freiheit am Hindukusch verteidigt.

    Jeder Leitwolf ist nicht nur aus

    Machterhaltungsgründen am Schutz seines Rudels

    interessiert.

     

    Extrem aber: Die Haltung der Spd.

    Der super peinliche Diskutierclub läuft bis auf eine

    Charakter- Frau, mit schlechtem Gewissen davon.

     

    Wenn 77 die Berater seiner Heiligkeit rituell gehäutet

    wurden, werden 08 westliche Werte von Raffgeiern

    rituell geschlachtet.

     

    Free Tibet

    Oliver Weidner, Gelsenkirchen, Student

  • M
    Michael

    Na ja. Zum Verständnis des komplizierten und sensiblen Sachverhalts trägt der Artikel wohl nicht bei. Die Übersetzung Phallusbrüller ist völlig daneben. Dorje Shugden (Wylie: rdo-rje shugs-ldan) = "Powerful thunderbolt".

     

    Mir kommt der Artikel-Inhalt mehr wie ein "Phallusbrüller" vor. Ich ziehe da wissenschaftliche Untersuchungen - die es genügend gibt - vor. Schade um eine vergebene Chance. Vielleicht kann man einen Autor finden, der aufklären möchte und nicht beide Seiten wie Dummies aussehen lässt? Seriösität würde der taz mehr stehen.

  • U
    ultra-kricket

    Hm. Ist hier allen klar, dass die Wahrheit-Seite der taz eigentlich der Satire-Teil ist? Falls in dem Artikel irgendwas stimmt, ist das reiner Zufall, oder irre ich mich da grade?

  • DL
    Daily Lama

    Liebe Uta, nur weil beim Dalai nicht alles Gold ist, was grinst, heißt das noch lange nicht, dass die Chinesen nicht trotzdem bei jeder Gelegenheit einen auf den Reissack verdienen für ihre Menschenrechtspolitik. 1,2 Millionen ermordete Tibeter seit Maos Besetzung sprechen da wohl eine deutliche Sprache! Und was ist mit Folter und Todesstrafe vollzogen in Sportstadien? Glauben Sie denn ernsthaft, China sei heute noch ein kommunistisches Land? Gehen Sie mal in die Städte und machen sich selbst ein Bild dieses Vorzeigestaats!

  • U
    Uta

    Danke für diesen aufschlussreichen Artikel.

    Ich hatte schon immer meine Zweifel an diesem Friede-,Freude-,Eierkuchen-Gefasel,wenn es um den Dalai Lama ging.

    Diese einseitige voreingenommene Berichterstattung der Medien ist doch brechreizerregend.

    Wenn es um das "böse" kommunistische China geht,verliert man jede Neutralität.

    Denn das ist doch das eigentliche Problem,daß China kommistisch ist.

    Hauptsache man kann den Chinesen eine reinwürgen.

    Die Menschenrechte mußten leider schon viel zu oft herhalten als Vorwand,wenn jemand das "falsche" System hatte.

  • TS
    Tenzin Sherab

    Klassisches Klostertibetisch müßte man halt können, nicht? Phallusbrüller ist eine originelle aber durchaus treffende Übersetzung des Dorje Shugden: Dorje (sanskrit: Vajra) ist der Donnerkeil(=Phallus)Indras, Shugden ist der "machtvoll sich zu Wort Bringende" (=Brüller).

  • Z
    z.braun

    Super-Beitrag, um das Bild dieses Grinsekaspers abzurunden. Kein Wunder, dass der ständig mit Roland Koch abhängt.

  • P2
    peter 2

    Zunächst einmal danke, Barbara Pietzker, für eine korrekte Übersetzung des Ausdrucks Dorje Shugden.

    Alles in allem, die für gewöhnlich umgekehrten Vorzeichen, die die Wahrheitseite zu beleben pflegen, durchaus berücksichtigt, handelt es sich nach meinem Eindruck bei diesem Colin-Goldner-Hoax um eine Art redaktionellen Beinschusses: die zuverlässige Instanz, die zwischen Spaß und schierer Widerlichkeit stets mit sicherer Hand zu unterscheiden wusste, muss das Blatt verlassen haben.

    So traurig wie heute war die taz noch nie. BILD- mäßig.

  • W
    Willi

    Gut zu lesen, dieser Hintergrundbericht. Gut auch, damit seinen Argwohn untermauert zu sehen. Man braucht kein Theaterkritiker zu sein, um zu erkennen, dass der Mann mit seinem ach so tiefgründigen Lächeln auf die Dummheit all jener baut, die sich vom Umgang mit ihm ihrerseits persönliche Vorteile erhoffen. Ihre Namen muss man nicht erwähnen. Sie lassen sich ja eh jeweils öffentlichkeitswirksam zusammen mit ihm ablichten.

  • C
    Claudia

    Kommentatorin Barbara Pietzcker vergißt zu erwähnen, dass sie Pressesprecherin der "Western Shugden Society" ist. Daher auch ihre euphemistische Übersetzung des Phallusbrüllers.

  • BP
    Barbara Pietzcker

    Danke für diesen Artikel über den Dalai Lama, der den Dauerlächler als buddhistischen Diktator erscheinen lässt. Folgendes möchte ich zu Goldners Beitrag klarstellen:

     

    1. Die Übersetzung von Dorje Shugden als "Phallusbrüller" liegt völlig daneben. "Dorje" bedeutet unzerstörbar, "Shugden" der Machtvolle. Dorje Shugden ist also "der unzerstörbare Machtvolle". Seine "Macht" besteht darin, nicht äußere Feinde, sondern die inneren Feinde der Verblendungen zu überwinden - Hass und Unwissenheit - sowie innere Eigenschaften wie Liebe und Weisheit zu beschützen.

     

    2. Bedauerlich ist, dass Goldner unkritisch die Behauptung des Dalai Lama kolportiert, der "Shugden-Kult" sei für den Mord von 1997 an seinem Vertrauten verantwortlich. Der frühere deutsche Übersetzer des Dalai Lama, Helmuth Gassner, konnte schon bald nach den Vorfällen nachweisen, dass es sich bei dem angeblichen Bekennerschreiben der Dorje Shugden-Society um eine medienwirksame Manipulation des Dalai Lama handelte. Nach dem Motto "Die Juden haben den Brunnen vergiftet" lieferte und liefert sie ihm den Vorwand dafür, seine inner-buddhistischen Feinde zu verfolgen.

  • P
    Peter

    Von diesen ich offen gewalttätigen und/oder psychiatrischen Aspekten des tibetischen Buddhismus ist in der mainstream-Berichterstattung nie die Rede. Weshalb eigentlich nicht?

     

    Gut, dass es die "Wahrheit"-Seite der taz gibt, sonst gäbe es zum Thema bloß den Quatsch von R.Thurman lesen, der von einer Höhe des tibetischen Plateaus von 6km faselt. Weshalb nicht gleich auf dem Mond?

  • GG
    gudrun gwinner

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    Sie schreiben einen hintergrundbericht, den ich, an fakten interessiert, lese. allerdings nervt mich, wie ungenau bei ihnen mit der stilform "bericht" umgegangen wird. wertende aussagen haben darin nichts zu suchen, sind der sachlichen information nicht förderlich. Oder ist das bei diesem thema (buddhismus oder dalai lama oder tibet)gar nicht in ihrem interesse?? dann müsste ich mir überlegen, ob ich das Abo der taz nicht doch wieder kündige.