Editorial zeozwei 04/2016: Umweltschutz – neu denken

Soll man die Antarktis mit 850.000 Windrädern, Pumpen und Schneekanonen vollstellen, um den Meeresspiegel zu senken?

Klimaforscher Anders Levermann will in der Antarktis Schneeberge bauen und damit den Meeresspiegel absenken Bild: Anja Weber

Die Antarktis mit achthundertfünfzigtausend Windrädern vollzustellen, mit riesigen Pumpen und Schneekanonen: Das klingt nicht nach üblichem Umweltschutz und ist auch keiner. Aber es könnte Menschenschutz sein.

Darum geht es dem Potsdamer Klimawissenschaftler Anders Levermann und seinen Kollegen: Meerwasser abpumpen und in der Mitte des Südpols damit Schneeberge bauen. Das Ziel: den durch den Klimawandel steigenden Meeresspiegel senken und Menschen vor Überschwemmungen retten. „Es wäre eine zweite Mondlandung“, sagt Levermann. Aber kann und soll man das auf Kosten der Antarktis, die zu einem Industriegebiet würde? Genau diese Frage will Levermann gesellschaftlich diskutiert haben.

Radikales Denken

Für ihn ist es eine Gerechtigkeitschance, weil damit allen Weltbürgern real geholfen wäre – vor allem jenen, die sich wie die Bewohner der Küstengebiete in Bangladesch keine Deiche leisten können. Für die Lösung der Klimaprobleme müssten alle neu denken, meint Levermann. Wir haben das zum Schwerpunkt dieser Ausgabe gemacht. Die Leitfragen dieses Heftes sind, ob der Modus des „So kann es nicht weitergehen, aber dann geht es doch so weiter“ mit radikalem Denken herauszufordern ist.

Ob Harald Welzers Vorwurf zutrifft, die „Ökos“ seien unpolitisch. Oder ob es so etwas wie einen neuen Umweltschutz gibt, der die globalen und systemischen Probleme auch global und systemisch angehen und damit lindern kann. Die deutschen Umweltverbände haben mit TTIP-Leaks, dem Dieselgate oder dem Protest gegen den Unkrautvernichter Glyphosat in den vergangenen Monaten große Erfolge gehabt. Reicht ihre Macht, um jetzt auch die großen Themen anzupacken?

Esoterik-Schmuh?

Das radikalste Denken kommt von Hartmut Rosa, einem der wichtigsten Soziologen Deutschlands. Er wurde bekannt als Kritiker einer Gesellschaft, die sich selbst zu Tode hetzt in ihrer Sorge, etwas zu verpassen. Aber, so lernen wir nun von ihm: Entschleunigen ist auch keine Lösung.

Sein Mittel für ein erfüllendes Leben ist nicht die derzeit von vielen anderen propagierte Entschleunigung. Sondern: „Resonanz“. In dieser Ausgabe erklärt er, was er damit meint. Wer jetzt denkt, das sei wohl so ein Esoterik-Schmuh, verpasst den zentralen Ansatz für ein glückliches Leben. Kein Witz.

HANNA GERSMANN & PETER UNFRIED, Chefredakteure der zeozwei

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