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Täter als Zeugen gehört

■ Verfahren gegen Arzt wegen des Todes des Nigerianers Kola Bankole eingestellt

Berlin (taz) – 5.000 Mark an amnesty international und die Kosten der Nebenklage muß der Flughafenarzt bezahlen, der am 30. August 1994 dem Tod des Abschiebehäftlings Kola Bankole beiwohnte. Mit dieser Auflage entließ die Richterin am Amtsgericht Frankfurt am Main, Bettina Messer, den Arzt gestern aus dem Verfahren.

Der 48jährige Notfallmediziner H. hatte dem Nigerianer Bankole, der, so H., „wie eine Wurst verschnürt“ seine Zwangsrückführung nach Lagos antreten sollte, eine Beruhigungsspritze versetzt. Aufgrund eines Herzleidens brach Bankole jedoch nach dieser Injektion zusammen. Statt mit der Wiederbelebung zu beginnen, hatte der Arzt nur einen Notfallwagen gerufen.

Deshalb war er der unterlassenen Hilfeleistung angeklagt worden. Richterin Messer betonte in ihrer Begründung zur Einstellung des Verfahrens, der Arzt habe eingesehen, daß er einen Fehler begangen habe. Die Verantwortung für diese Abschiebung habe allerdings nicht er, sondern der Bundesgrenzschutz (BGS) zu tragen.

Heiko Kauffmann, Sprecher von Pro Asyl, erklärte dazu, daß den Arzt dennoch „moralische Schuld“ am Tode Bankoles treffe, denn er habe seinen Beitrag zur Gewaltanwendung geleistet. Michael Junker, Anwalt der Nebenklage, teilt diese Auffassung. Trotzdem sei der Arzt „nur das letzte Glied in der Abschiebungskette“ gewesen.

„Eigentlich“, so Junker zur taz, „haben wir jedoch die Täter als Zeugen gehört“: Gegen die beteiligten BGS-Beamten seien im Laufe der Hauptverhandlung so viele neue Erkenntnisse zusammengekommen, daß „die Staatsanwaltschaft gegen sie die Ermittlungen wieder aufnehmen sollte“.

Das Verfahren gegen den BGS war im Oktober 1995 bereits eingestellt worden; eine Beschwerde dagegen war kurz darauf vom Generalstaatsanwalt verworfen worden. Zu einer Wiederaufnahme mochte sich Oberstaatsanwalt Job Tilmann gestern nicht äußern. uwi

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