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Debatte Neuer Kalter KriegKeine Dämonisierung!

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Eine Militarisierung der Sprache schaltet selbstständiges Denken aus. Dann aber wird Deutschland selbst wieder Frontstaat – und das hilft wirklich niemandem.

K rieg in Europa?“, titelt die jüngste Ausgabe des Spiegels und gibt darunter gleich die Antwort: „Der ukrainische Flächenbrand“. Dazu ist ein Vermummter zu sehen, der mit seiner Waffe knapp am Kopf des Lesers vorbeizielt.

Politiker von Union bis zu den Grünen erregen sich darüber, dass ein deutscher Fußballklub einen Besuch bei ihrem Sponsor Wladimir Putin plant. „In der momentanen Lage eine Einladung in den Kreml anzunehmen und sich so instrumentalisieren zu lassen zeugt nicht wirklich von Fingerspitzengefühl“, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber.

Derweil versetzt die Bild-Zeitung schon einmal die Antiterrortruppe KSK in Alarmbereitschaft – was die Bundesregierung dementiert – und zitiert den CSU-Politiker Florian Hahn: „Wenn akute Lebensgefahr für die Geiseln bestünde, sollte man über diese Option nachdenken.“

Deutschland, so der gemeinsame Subtext, befindet sich im Vorkriegsstadium. Angst verkauft wieder Nachrichten. Und dazu zählt die Identifikation eines gemeinsamen Feindes: Wladimir Putin und „die Russen“. Es gibt zwar schon lange keinen Kalten Krieg und keine Sowjetunion mehr, doch die Phrasen von einst können wieder recycelt werden. Noch bevor wir über die Ukraine nachdenken, ist das alte Freund-Feind-Denken wiedergeboren. Rationalität ist out, gefragt ist die Furcht vor dem Bösen, diesen maskierten Horden aus dem Osten. So tief sind wir gesunken in gerade einmal ein paar Wochen.

Anlass für diesen zivilisatorischen Rückschritt ist ein russischer Präsident, der es sich offenbar in den Kopf gesetzt hat, die Einflusszone seine Landes auszudehnen, der dabei in Kauf nimmt, internationale Verträge zu brechen, und auf Diplomatie reagiert wie ein Schwerhöriger auf flüsternde Stimmen – nämlich gar nicht. Das lässt die berechtigte Frage entstehen, wie der Westen mit Putins Expansionsbestrebungen denn nun umgehen soll.

Das weiß ich leider auch nicht. Es ist aber offensichtlich so, dass es dafür kein Patentrezept gibt. Doch es scheint mir, dass es der Demokratie wenig hilfreich ist, Putins Politik einfach nur hinzunehmen, weil sonst die Möglichkeit bestünde, dass die eigene Gasrechnung geringfügig steigt.

Ich bin mir aber sicher: Wer eine rationale Diskussion führen möchte, den behindern Vorurteile. Eine Militarisierung der Sprache aber ist der erste Schritt, um selbstständiges Denken auszuschalten. Die Dämonisierung eines Feindes dient dazu, jegliche Differenzierungen zu verunmöglichen. Die unsinnige Behauptung, es könne zu einem Krieg in Deutschland kommen, schürt die dazugehörige Portion Angst.

Deutschland ist auf dem besten Weg, wieder zum Frontstaat zu werden. Diese Front verläuft erst einmal in den Köpfen. Sie produziert keine Leichen, sondern Legenden.

Ich empfehle allen Lesern einen Urlaub in St. Petersburg, Moskau oder im ukrainischen Lemberg. Sie werden dort garantiert ganz normale Menschen treffen.

Waffen für den Weltfrieden? Vier Debattenbeiträge:

Chefredakteurin Ines Pohl führt in den Debattenstand ein: Der Krieg in unseren Köpfen.

Bernd Pickert fordert uns auf, Russland zu verstehen, schließlich könne einen Krieg, aber auch den Frieden nur gewinnen, wer seinen Feind versteht. Russland verstehen!

Daniel Bax zeigt auf, dass nicht Kriegslogik sondern Entspannungspolitik Frieden schafft, die Ablehnung militärischer Muskelspiele mithin keine Naivität, sondern Vernunft ist. Der Kriegslogik entgehen!

Dem hält Dominic Johnson entgegen, dass nur wer Stärke zeige, eine gewaltbereiten Aggressor in die Schranken weisen kann. Stärke zeigen!

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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11 Kommentare

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  • "Das lässt die berechtigte Frage entstehen, wie der Westen mit Putins Expansionsbestrebungen denn nun umgehen soll. "

    O.k. , die Krim hat er Russland einverleibt , und niemand glaubt mehr ernsthaft , dass er sie auf bloßen diplomatischen Druck des Westens der Ukraine wieder zurück überstellen wird . Aber w e i t e r e "Expansionsbestrebungen" , die Putin zu haben ubiquitär in den Mainstream-Medien insinuiert wird ? Dafür gibt es keine handfesten Anhaltspunkte , nicht mal dafür ,was die südöstliche Ukraine angeht . W a r u m sollte er diese ohne Not , aber zu sehr hohen wirtschaftlichen und außenpolitischen Kosten Russland einverleiben wollen ? Wer Putin "dämonisieren" will , muß ihn wohl auch für blöde halten (... reine Projektion ?).

    Die neue Putin/Russland-Dämonisierung durch die Obama&Rep-USA muß man verstehen . Die Typen können es nur schwer verkraften , dass sie trotz aufgewandter 5 Milliarden Dollar für Destabilisierung ihr geopolitisches Ziel "Nato-Land Ukraine" wohl abhaken müssen .

    • @APOKALYPTIKER:

      Ja ja... Aber? Was hat die interne Zerstrittenheit der Ukraine mit Russland/ Putin zu tun? Die Krim wurde wieder russisch- per Referendum- mit überwältigender Mehrheit der Bevölkerung! FRIEDEN!

      ------------------

      Ist alles mehr ein Problem der Manipulation des Westens...

      Sorry... hab AnneWill im TV...z.Zt.

  • erstaunlich finde ich das Verhalten der Medien, die sich übergangslos in die Kriegsrhetorik einklinken. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf Beiträge von Gabriele Krone- Schmalz, die sich genau damit auseinandersetzt und scharfe Kritik übt. Die Berichte sind auf youtube zu finden..

  • Immerhin - nach Dutzenden einseitiger und daher verfälschender taz-"Berichte" und -Kommentare jetzt zumindest ein ANSATZ von Nachdenken über Pro und Contra im Ukraine-Konflikt von der taz.

     

    Erzwungen wohl eher durch Mitglieder- und Auflagenschwund als Einsicht.

     

    Es geht mir und den meisten Leser-Kommentatoren nicht um Pro-Putin-Berichterstattung. Es geht um den Versuch, objektiv zu berichten, überhaupt in beide Richtungen zu recherchieren.

     

    Warum werden von der taz in der Ukraine nicht Leute interviewt, die pro UND contra sind?

    Leute, die pro UND contra Kiever Ü-Regierung sind in der Ostukraine.

     

    Woher diese unglaubliche Einseitigkeit? Woher die Missachtung der Minderheiten-Anliegen und -Rechte der pro-russischen Seite?

     

    Da gehen am Sonntag in Charkov ein paar Tausend rechtsextreme Hooligans auf eine Demo aus 300 prorussischen Teilnehmern los. Mindestens 14 Verletzte - darunter viele schwer. In westlichen Medien - kein Wort.

     

    Am Dienstag gehen 100 pro-russische Schläger auf eine Demo aus 300 pro-ukrainischem Teilnehmern los- ebenfalls rund 15 Verletzte. Ebenfalls viele schwer.

     

    Die Seiten der westlichen Medien sind voll davon. Das ist auch gut so.

     

    ABER das völlige Verschweigen des Unrechts auf der anderen Seite habe ich so noch nie erlebt - ausser in den Anfängen des Vietnamkriegs.

  • Herr Hillenbrand:

    "...Das lässt die berechtigte Frage entstehen, wie der Westen mit Putins Expansionsbestrebungen denn nun umgehen soll." --?--

     

    Vielleicht so , wie auch der Westen selber, jedes Mal angesehen sein will, wenn seine neueren, unter Brechung des Völkerrechts, extrem brutalen Angriffskriege aufs Tapet gebracht werden sollen.-Aber nö, geht ja jetzt um Russland---oder wie, oder was--?

  • Egal was die Bataillone der Russlandversteher hier alles so schreiben: Erschreckend ist vor allem, wie viele gerade noch ganz normale Menschen in Russland sich in nichts anderem als blindem Nationalismus auf einmal hinter einem Putin scharen, den sie noch vor kurzem selbst kritisch gesehen haben.

     

    Dass es auch hier ein paar Verirrte gibt, die vor lauter CIA Paranoia die Orientierung längst vollends verloren haben, ist dagegen nur eine Marginalie.

    • @hdn:

      Vielleicht liegt das daran, dass das Verhalten des Westens in der Ukraine-Krise und gegenüber Russland vielen RussenIn die Augen geöffnet hat. Über den wahren Charakter des Westens. Der eine oder andere hat möglicherweise auch noch ganz gut die Jelzin-Ära in Erinnerung.

  • Die Berichterstattung bleibt selbst nach der Verwunderung über das Kontra der LeserInnen in den Medien auffällig einseitig. So nach dem Motto: Man muss es nur immer wieder gebetsmühlenartig wiederholen, damit es dann irgendwann doch hoffentlich mal als richtig hingenommen wird.

     

    Nur mal ein Beispiel: "Anlass für diesen zivilisatorischen Rückschritt ist ein russischer Präsident, der es sich offenbar in den Kopf gesetzt hat, die Einflusszone seine Landes auszudehnen, ... "

     

    Nein. Es wird auch dann nicht richtiger, wenn man einfach nicht genehme Fakten ausblendet und aus dem Zusammenhang reißt.

     

    O. g. Verhalten ist nun eben gerade kein russisches Alleinstellungsmerkmal. Die Doppelstandards, das zweierlei Maß des Westens, vielfach verbreitet durch den Großteil der westlichen und angeblich unabhängigen(?) Medien, sind einfach nur noch beschämend.

    • @Südschwede:

      Jetzt reicht es aber mal mit diesem Unsinn. Welches Land bitte, hat auf dem europäischen Kontinent zuletzt in vergleichbar militärisch aggressiver Weise seinen Machtbereich auszudehnen versucht? Man landet unweigerlich bei Deutschland und dem zweiten Weltkrieg, natürlich ohne die Umstände simpel vergleichen zu wollen. Wie blind muss man eigentlich sein, um diesen erschreckenden Rückfall in die Methoden des Sowjetimperialismus gesund zu beten?

      • 0G
        0564 (Profil gelöscht)
        @hdn:

        Ja, dieser Sowjetimperialismus war wirklich schrecklich, sind die doch bis nach Berlin marschiert um sich unerlaubt ein riesiges Reich zu raffen. Wieso hat denen damals nur keiner entscheidener die Stirn geboten. Ausserdem an Russland dehnt sich gar nichts, der Kampf wird um Einflussgebiete (20. Jhd. Ende der klassischen Kolonialherrschaft) geführt und da ist Russland seit vielen Jahren eher am zurückstecken, stimme Südschwede völlig zu.

      • @hdn:

        Wie blind muss man sein, nicht zu bemerken, dass seitdem Zusammenbruch der Sowjetunion, die NATO Russland permanent auf die Pelle rückt? Lesen Sie mal Brzeziński, und stellen Sie dies dem Vorgehen des Westens seit mehr als 2 Jahrzehnten gegenüber.

         

        Russland zu verstehen bedeutet i. ü. nicht, alles was derzeit von russischer Seite her passiert, gut zu heissen. Russland ist in diesem Konflikt eben nur einer von mehreren Akteuren. Das wird von Ihresgleichen gerne kleingeschrieben bis verschwiegen.