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Flüchtlingscamp am Berliner OranienplatzStreit um Spendengelder

Flüchtlinge werfen der Initiative, die sich um die Spenden für den Oranienplatz kümmert, Veruntreuung der Gelder vor. Die Inititative weist das zurück.

Die Spendengelder werden am Oranienplatz dringend gebraucht. Bild: dpa

BERLIN taz | Das Geld wird dringend gebraucht: Um das Protestcamp am Oranienplatz aufrechtzuerhalten, müssen die Flüchtlinge Isoliermaterial, Heizöfen, Medikamente und Essen kaufen. Die Antirassistische Initiative (ARI) hatte im Sommer 2013 dafür das Spendenkonto „Refugee Strike Berlin“ bei der Bank für Sozialwirtschaft eingerichtet. Über 40.000 Euro sollen seitdem an Barmitteln eingegangen sein.

Nun erheben einige Flüchtlinge schwere Vorwürfe gegen die ARI. "Dieses Geld ist nicht für den Unterhalt der Flüchtlinge und Erhalt des Camps am Oranienplatz ausgegeben worden", heißt es in einer Pressemitteilung vom Wochenende. Die Verfasser werfen der ARI Veruntreuung von Geldern vor. Die ARI wies den Vorwurf am Sonntag mit Nachdruck zurück: Seit Oktober 2013 seien im Auftrag einer Flüchtlings-Finanzgruppe von dem Konto regelmäßig Rechnungen für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur auf dem Platz beglichen worden, teilte ein Sprecher der ARI mit. Das könne anhand von Unterlagen bestätigt werden.

Die Pressemitteilung der Flüchtlinge ist mit "Lampedusa Refugees/Asylum Seekers vom Oranienplatz" unterschrieben. Die Verfasser gehören zu den Flüchtlingen, die aktuell auf dem Oranienplatz leben, sowie zur Lampedusagruppe, die Anfang Dezember vom Protestcamp in ein Quartier der Caritas in Wedding sowie ins Flüchtlingsheim Marienfelde umgezogen ist.

Sie werfen der ARI vor, mit einer Finanzgruppe aus den Reihen der Flüchtlinge zusammenzuarbeiten, die weder auf dem Oranienplatz schlafe noch das Vertrauen der Mehrheit genieße. Die Kontobewegungen seien intransparent, Entscheidungen nicht mit den Flüchtlingen vom Oranienplatz besprochen. Die ARI sei verantwortlich für das Konto. "Wir wollen Aufklärung durch Belege. Wir wollen unser Geld zurück."

Man sei schon im vergangenen Jahr mit ähnlichen Vorwürfen der Gruppe, die aber anonym geblieben sei, konfrontiert worden, sagte der Sprecher der ARI. Deshalb habe man nicht reagieren können. Die Ausgaben für die Infrastruktur des Oranienplatzes beliefen sich im Monat auf über 10.000 Euro. Der Sprecher kündigte für Montag eine Erklärung dazu an.

Vom Geld ist nichts angekommen

Die Grünen-Abgeordnete Susanna Kahlefeld war die Erste, die im November öffentlich vermutet hatte, dass bei den Kontobewegungen etwas „stinkt“. Bei einem Plenum Mitte November sei herausgekommen, dass zwischen 10. Oktober und 11. November täglich 500 Euro von dem Konto abgehoben worden seien. Die anwesenden Flüchtlinge seien geschockt gewesen, sagt Kahlefeld: „Von diesem Geld ist auf dem Platz nichts angekommen.“

Um 100 Euro für das tägliche Essen zusammenzubekommen, habe die Gruppe ständig bei Privatpersonen und Organisationen betteln müssen. Selbst die Fixkosten für Strom seien zu diesem Zeitpunkt nicht bezahlt worden, so dass Privatpersonen wie sie selbst eingesprungen seien, sagt Kahlefeld.

Die Flüchtlinge hätten der von der ARI ernannten Finanzgruppe das Misstrauen ausgesprochen. Auch die Kreditkarte, zu der nur eine Person aus dem Umfeld der Flüchtlinge Zugang gehabt habe, sei auf Betreiben der Gruppe gesperrt worden.

Was nach diesen Vorfällen mit dem Konto passiert sei, lasse sich nicht nachvollziehen, weil die Flüchtlinge nur teilweise im Besitz von Kontoauszügen seien. Nach dem Streit bei dem Plenum seien wohl Rechnungen für Strom und Wasser bezahlt worden, vermutet Kahlefeld. Bis Februar seien nicht näher definierte Überweisungen von rund 13.000 Euro auf Konten von Privatpersonen erfolgt - wieder zu einer Zeit, in der es auf dem Platz nicht genügend Geld für Essen und Gas gegeben habe. Am 14. Februar habe der Kontostand noch 5.604 Euro betragen.

Forderungen der Flüchtlinge nach Transparenz und Offenlegung habe sich die ARI „komplett verweigert“, kritisiert Kahlefeld. Die Abgeordnete Canam Bayram (Grüne) teilte am Sonntag mit, es gebe Flüchtlinge, die die Vorwürfe gegenüber der ARI nicht teilten.

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17 Kommentare

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  • G
    Gastname

    Stellungnahme einer Unterstützerin. Und auch hier wird kein gutes Wort über Frau Kahlfeld verloren. Hoffentlich erscheint in den nächsten Tagen ein gut recherchierter Text zu diesem Thema, der etwas mehr Klarheit in die Sache bringt.

     

    http://asylstrikeberlin.wordpress.com/2014/02/25/zum-vorwurf-der-veruntreuung-von-spendengeldern/

  • G
    Gast

    Auszüge aus einem Finanzbericht für den Zeitraum von ca. 2 Monaten, genaue Zeitangaben gibt es nicht:

    Food 7982,00

    Gas 1500,00

    Medicin 1644,00.....

    Ohne Belege! Das war die Transparenz! Da haben die Flüchtlinge zu Recht Fragen.

    • K
      Kahlebild
      @Gast:

      Das ist ja ein Finanzbericht der Refugees.

      Also bedeutet Ihre Aussage:

      Da haben die Flüchtlinge zu recht Fragen an die Flüchtlinge

  • C
    cosmopol

    Stellungnahme der Initiative im Volltext, Kahlfeld kommt da garnicht gut weg:

     

    http://www.anti-rar.de/

    • G
      Gst
      @cosmopol:

      Ob mit oder ohne Kahlfeld: die Spender, die Öffentlichkeit, die Flüchtlinge haben ein Recht zu erfahren für was das Geld ausgegeben wurde. Und zwar umgehend. Die Stellungnahme der "Ini" ist ein Verschleierungswitz.

      • C
        cosmopol
        @Gst:

        Bzgl. Spender*innen und Geflüchteten gebe ich dir da vollkommen recht. Die Öffentlichkeit tangiert das nur im Bezug auf öffentliche Gelder. Nach dem was ich den Stellungsnahmen entnehme gibt es bei den Geflüchteten einen Richtungsstreit, und eine Gruppe die die Deutungshoheit über das Camp übernehmen möchte. Da wäre es doch vielleicht mal angemessen abzuwarten bis sich das Oranienplatz-Plenum/die Finanzgruppe selbst zu Wort meldet, anstatt einer diesbezüglich nicht glaubwürdigen Lokalpolitikerin zu glauben und eine Pressemitteilung ohne klaren Hintergrund aufzubauschen.

    • F
      Fiona
      @cosmopol:

      Da lässt sich die taz zum wiederholten Mal für grüne anti-linke Kampagnen einspannen und entdeckt auf einmal einen "Investigativ-Journalismus", der ihr bei Gruppierungen, die reale Macht haben, gut stehen würde, bei einer selbstorganiserten Gruppierung von Ehrenamtlichen wie der ARI nur wie der peinliche Versuch aussieht, den Grünen "Not in my backyard"-Stammtisch zu bedienen.

      • G
        Gast
        @Fiona:

        Gut gemeint, heißt noch nicht gut gemacht. ARI hat bestimmt gute Ziele und möchte diese auch umsetzen, nur muss man bedenken, wenn man ein Konto zur Verfügung stellt, dass die Ausgaben auch im Centbereich nachgewiesen werden müssen. Das gilt für jedes Projekt, schon aus Selbstschutz. Auch Zuwendungsmittel des Staates müssten bis ins kleinste mit Beleg dargestellt werden. Kann man für den Erhalt der Belege nicht garantieren, muss so etwas abgelehnt werden.

    • G
      GAST
      @cosmopol:

      Das liest sich schon wie ein kleiner Angriff gegen S. Kahlfeld. Geht es da um einen Kleinkrieg auf Kosten der Flüchtlinge? Die berechtigte Frage nach den Belegen bleibt die ARI schuldig.

      • C
        cosmopol
        @GAST:

        Wieso, sie sagen doch, dass nicht sie die haben sondern die Finanzgruppe des Camps. Andererseits müssten sie die denke ich auch recht einfach bekommen können. Warten wir's doch einfach ab.

  • G
    Gast

    Transparenz und Offenlegung der Gelder sind ein Mindestmaß von Qualität und Vertrauensbildung. Deshalb sollte man nur an Organisationen/Gruppen spenden, die große Transparenz haben. Es gibt viele dubiose Gruppierungen, die Gelder zweckentfremden. Schon alleine die Weigerung nach Offenlegung ist sehr suspekt. Bitte unbedingt prüfen! Sonst schadet es im Endeffekt den Flüchtlingen.

  • N
    Norbert

    Bitte vom restlichen Geld den Platz aufräumen, neu begrünen und ein kleines Denkml aufstellen "hier protestierten 24 Monate... ".

    Ich will den Oranienplatz zurück! Ich habe viel Empathie für die Flüchtlinge und könnte mir gut vorstellen ebenfalls aus anderen Teilen der Erde nach Europa zu fliehen. Aber jetzt reicht es irgendwann!

    • A
      Anwohner
      @Norbert:

      hmm ... Du meinst also im ernst, der Protest solle nun aber wirklich abgebrochen werden, damit der Oranienplatz wieder frei ist? Die Menschen dort sollen wieder ruhe geben und sich wieder zu Objekten der Behördlichen Willkür machen lassen,damit der Oranienplatz wieder frei ist?

  • FW
    Ferdinand W.

    Hat die TAZ schnell reagiert? In der heutigen Printausgabe der TAZ heißt der Titel des Artikels noch "Finanzen im dunkeln". Wäre ja schön. Besser: Ihr gebt in der morgigen Ausgabe mal ne Erklärung dazu ab wie es zu so einem texten der Überschrift überhaupt gekommen ist? (...) Vielleicht ist es aber auch einfach nicht so gemeint gewesen. ha ha.

  • PA
    Pedro Alcantara

    Irgendwie passen sich die Flüchtlinge in Berlin immer mehr den ("deutschen")Gepflogenheiten an..eine Gruppe mit dubiosen Finanzgebahren während die anderen nichts zu beissen haben, in dieser Schule (laut TAZ-Bericht) wird eine verarmte Spanierin als "Parasit" bezeichnet und die Roma "weil sie sich nicht am Protest beteiligen" werden auch nicht gerne gesehen...sollte die Welt am Ende doch nur schlecht sein... :-(

  • N
    nihi.list

    Macht diesem Theater endlich ein Ende und räumt den Platz.

  • J
    johnny

    Wir sind jetzt alle mal gaaaaaaanz überrascht.

     

    Das zeichnete sich doch schon mit Mareike Peters Spendenverwaltung ab, wo 4000 Euro mal "schon lange verwendet" waren, dann aber als Beweis, dass man sie nicht veruntreut habe, auf dem eigenen Konto präsentiert wurde. Dann hieß es, man warte ja nur noch auf Belege um das alles transparent zu machen. Das war wann? Vor 10 Monaten?

     

    Ich spekuliere: das Geld ist zum Teil bei Privatpersonen gelandet, gar nicht böswillig, sondern weil die auch mal finanzielle Probleme hatten und meinten, sie täten ja so viel, da wäre das mal ok. Und zum vermutlich größeren Teil ist es in andere Projekte geflossen, die den Verwaltern am Herzen liegen, die man gerne finanziert gesehen hat.