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Projekt Heimwegtelefon„Die Angst ist einfach da"

Mit einer kostenlosen Hotline will Frances Berger Menschen helfen, die sich auf dem Weg durch die nächtliche Stadt unsicher fühlen. Ausfinanziert ist das Projekt noch nicht.

Hier könnte das Heimwegtelefon zur Anwendung kommen. Bild: Axel Kuhlmanncc
Interview von Kathrin Schreck

taz: Frau Berger, Sie bieten ein „Heimwegtelefon“ an, durch das sich Menschen sicherer fühlen sollen. Wie geht das?

Frances Berger: Wir wollen mit dem Heimwegtelefon die Berliner sicher nach Hause bringen. Wenn Sie nachts alleine unterwegs sind und dabei ein mulmiges Gefühl haben, können Sie unsere Hotline anrufen. Ich frage Sie dann, wo Sie gerade sind und wohin Sie unterwegs sind. Dann unterhalten wir uns, und ich frage immer wieder Ihren Standort ab. Sie können sich dadurch ein bisschen sicherer fühlen, und wenn tatsächlich etwas passiert, kann ich sofort die Polizei rufen.

Ist es potenziellen Angreifern nicht ziemlich egal, ob ich gerade telefoniere oder nicht?

Das glaube ich nicht. Wenn ich versuche mir vorzustellen, dass ich selbst jemanden angreifen wollte, würde das für mich einen Unterschied machen. Mein „Opfer“ wäre dann nicht vollkommen alleine, sondern würde im selben Augenblick mit jemandem interagieren, sodass ich als Täterin schneller erwischt werden könnte.

Und wie helfen Sie, wenn trotzdem etwas passiert?

Dann versuche ich, die Person zu beruhigen, falls sie noch mit mir reden kann, und in jedem Fall sofort die Polizei anrufen.

Im Interview: Frances Berger

31, hat Wirtschaftsinformatik und BWL studiert und arbeitet bei einer Unternehmensberatung. Das Heimwegtelefon (0 30/12 07 41 82) ist am 27. und 28. 12. von 22 bis 2 Uhr erreichbar. Das Crowdfunding findet auf betterplace.org statt.

Wie kamen Sie auf die Idee, so eine Hotline anzubieten?

Die Idee hatten meine Freundin Anabell Schuchhardt und ich zusammen. Irgendwann unterhielten wir uns darüber, dass wir beide nachts telefonieren, um uns sicherer zu fühlen. Sie hat sogar einen Notrufknopf am Handy, der einen Anruf simuliert. Und ich rufe meist meinen Freund an. Mit dem gab es dann schon manchmal Diskussionen, weil er müde oder genervt war. Aber er will ja auch, dass ich sicher nach Hause komme. Anabell erzählte mir, dass es in Schweden eine Hotline gibt, die einen solchen Service anbietet. Wir haben uns dann gefragt, wieso es das in Deutschland nicht gibt.

Ist Ihnen denn nachts schon einmal etwas passiert?

Nein, eigentlich nicht.

Woher dann die Angst?

Ich habe einfach den Eindruck, dass nachts viele Übergriffe passieren. Vielleicht wird dieser Eindruck auch durch die Berichterstattung in den Medien beeinflusst oder sogar verfälscht. Aber ich glaube schon, dass die Gewaltbereitschaft gestiegen ist.

Die Medien machen die Angst?

Ich weiß es nicht. Sie ist einfach da.

Ist die Angst in einer Großstadt wie Berlin besonders groß?

Nein. Ich bin in einem Dorf im Harz mit knapp 2.000 Einwohnern groß geworden. Und auch damals habe ich nachts unterwegs telefoniert, mit meiner Mutter. Dabei hätte ich dort jeden potenziellen Täter mehr oder weniger gekannt.

Könnte das Angebot einer solchen Hotline nicht den Eindruck verstärken, dass man überhaupt Angst haben muss?

Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Kann sein. Aber ich kenne viele Leute, meistens Frauen, die diese Angst ohnehin schon haben.

Wann genau wird das Heimwegtelefon erreichbar sein?

Wir sind noch in der Testphase. Am kommenden Wochenende sind wir Freitag und Samstag von jeweils 22 bis 2 Uhr zu erreichen.

Für viele Partygänger dürfte das ein bisschen früh sein.

Wenn wir weitere Helfer finden, werden wir bestimmt einen längeren Zeitraum abdecken können. Aber jetzt am Anfang telefonieren nur Anabell und ich. Sie lebt jetzt in Hamburg, aber das macht nichts, sie könnte genauso gut in Timbuktu sitzen, wir nutzen eine Callcenter-Software.

Wie kann man denn mithelfen?

Man braucht wirklich nur die Software für den Computer. Die kostet nichts. Gut wäre natürlich, wenn man sich ein bisschen in Berlin auskennen würde. Das ist aber keine Bedingung. Im Endeffekt kann ja jeder im Internet einen Stadtplan öffnen und weiterhelfen.

Wie viel kostet ein Anruf?

Jetzt am Anfang noch so viel wie ein ganz normaler Anruf ins Festnetz. Viele haben dafür ja eine Flatrate. Wenn das Projekt gut läuft, wollen wir uns aber um eine kostenfreie 0800-Nummer bemühen.

Sie wollen mit dem Service kein Geld verdienen?

Nein.

Und was ist Ihre Motivation? Sie arbeiten als Unternehmensberaterin und Fotografin, Sie haben einen kleinen Sohn. Langweilig dürfte Ihnen nicht sein.

(Lacht) Ich persönlich wünsche mir auch eine Welt, in der alles Friede, Freude, Eierkuchen ist. Dafür muss es aber Menschen geben, die Dinge anpacken und etwas dafür tun. Ich möchte wirklich Leuten helfen, nachts mit einem besseren Gefühl durch die Stadt zu kommen.

Wie geht es nach dem Testlauf konkret weiter?

Wir werden zunächst mal ein paar Informationen aus der Praxis haben: Wie viele Leute haben angerufen, wie lange hat ein Gespräch im Schnitt gedauert, wann kamen die meisten Anrufe, welche Hilfestellung wurde von uns genau erwartet? Diese Ergebnisse müssen wir auswerten und dann das Angebot entsprechend anpassen.

Wie lange wird das dauern?

Genau kann ich das noch nicht sagen. Wir geben bei Facebook und Twitter bekannt, wann und wie es bei uns weitergeht.

Dort kann man auch sehen, dass das Projekt seit über zwei Jahren in Planung ist. Warum hat es so lange gedauert?

Recherche und Geldbeschaffung. Von der Möglichkeit dieser kostenlosen Callcenter-Software haben wir erst durch Anabells neuen Job in Hamburg erfahren. Und wir brauchen Geld für einen Anwalt, der uns beim Aufsetzen einiger Verträge unterstützen soll. Ich möchte abgesichert sein und nicht haftbar gemacht werden können, sollte tatsächlich einem Anrufer oder einer Anruferin etwas passieren. Wir versuchen es immer noch mit Crowdfunding, aber leider haben wir das Geld noch nicht zusammen.

Das heißt, es fehlt immer noch Geld? Wieso werden Sie dann schon aktiv?

Nach einem ersten Pressebericht über uns haben wir so viel positives Feedback bekommen, dass wir dachten: Okay, wir wollen dieses Jahr auf jeden Fall noch in die Testphase starten. Und wenn die gut läuft, läuft es vielleicht auch mit den Spenden besser.

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21 Kommentare

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  • D
    Daniel

    "Ausgehen" klingt nicht wie eine Vokabel aus der jungen Berliner Szene. Fiel mir noch ein.

  • D
    Daniel

    Im Kern geht es bei dem Projekt um eine gefühlte Sicherhet, die das Projekt erhöhe könnte. Meine Einschätzung.

     

    Angehörige, Freunde oder Haustiere können damit beruhigt werden nach dem Motto: Ich pass schon auf, ja? Ich bin bald wieder zurück. Im Notfall begleitet mich das Heimwegtelefon.

  • E
    Ex-Ängstliche

    Als Jugendliche auf dem Weg zum nahegelegenen Volleyball-Training lief einst ein Mann an einem frühen Abend komisch hinter mir her. Der Mann kam näher. Dann sagte er etwas wie: "Tu mir nichts mit dem Regenschirm, ja?"

    Ich musste erst positive Erfahrungen sammeln und sämtliche Horrorfilme hinter mir lassen, um mich bei Dunkelheit selbstbestimmter zu bewegen.

  • S
    Stefan

    Der Hipster-Alarm heult auf und die taz heult mit. Verbreitet hier Unsinn und beschwört objektiv nicht nachvollziehbare Ängste vor Kriminalität. Weit sinnvollere Alternativen wurden in den vorhergehenden Kommentaren bereits genannt.

  • was für ein Schwachsinn, die Hipster wollen mit "Schei..." geldverdienen,

    einige Möglichkeiten für Ängstliche

    1. kannste auch einen Freund/in, Mutter, Vater oder Papst anrufen

    2. fahre einfach mit dem Taxi nach Hause

    3. für ganz ängstliche, bleibe zu hause und gehe nicht weg

     

    4. liebe taz, ersparen sie uns in Zukunft bitte solche weltbewegenden Themen, da kommen mir die Tränen...,

    • F
      Fan
      @tomas:

      danke, mehr ist dazu einfach nicht zu sagen! ich kann´s nicht fassen...

    • S
      Sarah
      @tomas:

      So ein "weltbewegendes Thema" hat Relevanz. Sehen Sie sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf an. Wer geht mit Babys oder kleinen Kindern bei Dunkelheit, im Winter ab nachmittags, gerne zum Kinderarzt?

       

      Ganztagsschulen. Können Sie sich keine Kinder und Jugendliche vorstellen, die bei Dunkelheit keinen unbeschwerten Heimweg haben?

       

      Ich schon.

      • J
        janzruisch
        @Sarah:

        Was hat die Vereinbarkeit von Familie&Beruf mit diesem Thema zu tun?

         

        Gibt es wirklich Eltern, die sich nicht trauen mit ihren Kindern am Nachmittag die Wohnung zu verlassen?

         

        Mit einem Telefon am Ohr würden Schulkinder evl. eher Opfer von Diebstählen/Überfällen als ohne.

         

        Solche (oft irrationalen) Ängste, die sicherlich einige Leute haben, können nur mit anderen Maßnahmen gelindert oder behoben werden.

        • S
          Sarah
          @janzruisch:

          Laufe ich spätabends durch Berlin, sehe ich überwiegend junge Menschen beim Arbeiten. Im Kaiser's Supermarkt (die immer noch bis 24 Uhr geöffnet haben! Durften die doch eigentlich nicht, oder?), in Spätkaufen, in Videotheken, in Fast-Food-Ketten (für Restaurants reicht mein Salaire nicht; ein (junger) Freund von mir war aber mit anderen jungen Menschen Tellerwäscher in einem). Die meisten Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln sind ab so 22 Uhr auch jung. Können vielleicht nur kein Auto bezahlen ..., könnten Sie kontern. Na gut.

           

          Eine Freundin von mir mit zwei kleinen Kindern wird bei Dunkelheit garantiert nicht ohne Begleitung mit ihnen rausgehen, um sich freizeitmäßig etwas Gutes zu tun. Sie ist dann auch meistens zuhause wrecked in her appartment (auf deutsch fällt mir kein schönes Wort ein). Tagsüber kocht sie und macht den Haushalt, Babysitter zu kostspielig, vor einigen Jahren arbeitete sie noch, der Mann verdiente mehr und erlegt klassisch tagsüber das Wild... Wenn ich mir die Sachzwänge ansehe, mit denen die beiden Tag für Tag zusammen zurechtkommen müssen, weiß ich wieder, warum manche Menschen keine Kinder bekommen wollen.

          • J
            janzruisch
            @Sarah:

            Nochmal: was haben Familie/Beruf mit dem Thema zu tun?

             

            Die "jungen Menschen" in den Supermärkten sind volljährig und können daher solchen Jobs nachgehen.

            • W
              Wattdenn
              @janzruisch:

              Sarah ist wohl nicht mehr da. Das Heimwegtelefon richtet sich nicht, wie von der Journalistin angedeutet, nur an Partygänger, außer in der Testphase, oder missverstanden? .

               

              Wenn ich Sarah richtig verstehe, vermutet sie, das Heimwegtelefon könnte ängstlichen Eltern mehr Ausgeh-Spaß oder Bewegungsfreiraum in Berlins Nächten verschaffen.

        • S
          Sarah
          @janzruisch:

          Kann sein, das mit den anderen Maßnahmen, Beispiel Selbstverteidigung/Beispiel nach Zehlendorf oder Reinickendorf in die Einöde ziehen/Wie-komme-ich-nicht-als-Opfer-auf-einen-Täter-rüber lernen.

           

          Ich saß gerade neben einer Mitarbeiterin einer öffentlichen Einrichtung in Berlin. Sie zu ihrer Kollegin: "Ich mach mich dann mal los, wird ja gleich dunkel." Uhrzeit: 15:10 Uhr. Alter der Mitarbeiterin: Um die 50 Jahre.

  • Was wäre denn mit dem Vorschlag, dass sich die ängstlichen Leute einfach gegenseitig anrufen. Dann spart man sich die Zentrale zur Vermittlung. Dem geneigten Triebtäter braucht man nachts in der dunklen Bahnhofsunterführung ja gar nichts davon zu erzählen, dass sich am anderen Ende der Leitung in Wirklichkeit nur eine nicht-professionelle Kraft befindet..

  • J
    janzruisch

    Ein Blick auf die Berliner Kriminalstatistik reicht, um sich sicherer zu fühlen.

    • W
      Wattdenn?
      @janzruisch:

      Sind Sie ein Muskelprotz, eine Kampfamazone oder so wat?

      • W
        Wattdenn
        @Wattdenn?:

        Zwei Tage über meinen schlechten Dialekt geärgert, m'excuse: Ich meinte keine Sache: ... so jemand?

      • J
        janzruisch
        @Wattdenn?:

        Nö, absolut nicht. Ich versuche nur das Thema rational zu betrachten. Die BILD Titelseiten von Übergriffen sind nicht der Alltag in Berlin.

        • W
          Wattdenn
          @janzruisch:

          Heh, ModeratorInnen! Da fehlt der Teil an JANZRUISCH (JA OKAY) zu den langweiligen Berliner Nächten draußen!

        • W
          Wattdenn
          @janzruisch:

          Ich stimme Ihnen zu in Bezug auf die Boulevard-Zeitung (+B.Z. +Berliner Kurier). Ich finde Berlin nachts draußen im Allgemeinen langweilig. Wenig los.

           

          Lauter AngsthasInnen, Ausgeh-Muffel, Ausgeh-Ausgegrenzte (kein Geld) oder NormalschläferInnen.

          • J
            janzruisch
            @Wattdenn:

            Quelle surprise! Ja, in Berlin gibt es viele Menschen mit stinknormalen Tagesabläufen.

  • B
    Barbara

    Legales Tränengas nachts mitnehmen schafft auch mehr Wohlfühl-Bewegung unterwegs. Bisschen üben sollte man mit der Waffe allerdings. Damit man nicht selbst davon abbekommt.

     

    Frohe und sichere Weihnachten allerseits.