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Bombenfehler im Sudan

Im vergangenen Jahr bombardierten die USA eine angebliche Giftgasfabrik – ein Fehlschuß  ■   Aus Washington Peter Tautfest

Während allnächtlich Bomben auf Serbien und das Kosovo fallen und der Luftkrieg gegen Jugoslawien noch jeden Tag neu gerechtfertigt wird, brach in der vergangenen Woche die Legitimation für einen weiter zurückliegenden Bombenangriff zusammen. Still und leise gab das US-Finanzministerium das eingefrorene Guthaben des saudischen Geschäftsmanns Salah Idris wieder frei. Ihm hatte die Pharmafabrik al-Schifa in der sudanesischen Hauptstadt Khartoum gehört, die im vergangenen August von Cruise-Missiles zerstört wurde. Der US-Luftangriff auf die angebliche Giftgasproduktionsstätte und die Bombardierung eines Ausbildungslagers des saudischen Islamistenführers Ussama Bin Laden in Afghanistan waren Bill Clintons Antwort auf die Bombenattentate, die zuvor die US-Botschaften in Tansania und Kenia zerstört hatten. Bin Laden gilt als Drahtzieher von Anschlägen auf US-amerikanische Einrichtungen weltweit. Die sudanesische Fabrik sollte Teil seines verzweigten Konzerns und mit Sudans militärisch-industriellem Komplex verstrickt gewesen sein.

Als die Rechtfertigung für den Raketenangriff in Zweifel gezogen wurde, präsentierte die CIA Beweismittel: Bodenproben nahe der Fabrik sollten Empta und Empa enthalten haben, Zwischen- bzw. Abfallprodukte, die bei der Herstellung von VX-Nervengas anfallen. Als sich herausstellte, daß die al-Schifa-Fabrik nicht dem sudanesischen Staat, sondern dem Privatmann Salah Idris gehörte, warf die US-Regierung diesem Verbindungen zu Bin Laden vor. Sie fror das 24-Millionen-Dollar-Guthaben des Fabrikbesitzers bei der American Bank in London ein – etwas, was das Amt für Fremdguthaben beim US-Finanzministerium tun kann, sofern der Kontobesitzer auf Fahndungslisten als Terrorist geführt wird. Nur wurde Salah Idris von der US-Regierung nie als Terrorist designiert. Der Geschäftsmann klagte gegen die Blockierung seines Vermögens. Eine renommierte Washingtoner Anwaltsfirma beauftragte darüber hinaus den Dekan des Fachbereichs Chemie an der Universität von Boston, Thomas D. Tullius, mit der Analyse von Bodenproben. Die Ergebnisse wurden Anfang dieses Jahres vorgelegt, sie waren negativ. Weder Empta noch Empa ließen sich finden.

Idris beauftragte außerdem Kroll Associates, einen internationalen Wirtschafts- und Anlageberater, mit einer Untersuchung der Geschäftsverbindungen seiner Fabrik. Kroll konnte keine Beziehungen zu Bin Laden feststellen und auch keine von der CIA behaupteten direkten Beziehungen zum irakischen Giftgasprogramm – auch wenn al-Schifa nach Bagdad exportiert hatte. Kroll Associates konnte zwar Verbindungen zwischen al-Schifa und Sudans militärisch-industriellem Komplex nachweisen. Die bestehen jedoch bei fast jedem sudanesischen Unternehmen.

Vergangene Wochen nun gab die US-Regierung die Guthaben Salah Idris' frei noch bevor es zu einer Gerichtsverhandlung kam. „Ich bin dankbar dafür, daß die US-Regierung den ehrenvollen Weg genommen und wenigstens teilweise den Schaden korrigiert hat, der mir, meiner Familie und meinem guten Namen zugefügt wurde“, ließ Idris über seine Anwälte verkünden. Das US-Finanzministerium behauptet jedoch, es habe nur einem kostspieligen und langwierigen Verfahren aus dem Weg gehen wollen. Es beharrt darauf, daß es Hinweise auf Verbindungen Salah Idris' zu terroristischen Kreisen um Ussama Bin Laden hat. Das US-Außenministerium wollte sich zunächst überhaupt nicht äußern. Es verwies auf die Zuständigkeit des Finanzministeriums sowie darauf, daß die US-Regierung nicht die Absicht gehabt habe Geheimdienstwissen in einem vergleichsweise nebensächlichen Verfahren offenzulegen: „Der Grund für den Angriff auf die Fabrik war ohnehin nicht deren Besitzer“, sagte ein Beamter des US-Außenministeriums auf Anfrage der taz. „Wir wußten zum Zeitpunkt des Angriffs nicht einmal, daß Salah Idris der Besitzer war.“

„Für uns ist der Fall noch nicht ausgestanden“, sagte Salah Idris' Anwalt Steven R. Ross. Idris will auf Schadenersatz klagen. An eine Verbindung zwischen al-Schifa und Ussama Bin Laden hat einer, der es eigentlich wissen muß, nie geglaubt. Schon im Dezember vergangenen Jahres erklärte Milt Bearden, ehemals Resident der CIA in Khartoum und Organisator der US-Waffenlieferungen an die afghanischen Mudschaheddin, bei einer Lesung seiner Memoiren in einem Washingtoner Buchladen, er halte nichts von der Giftgasfabrikversion seiner ehemaligen Arbeitgeber.

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