piwik no script img

KreuzbergTouristen besetzen Oranienplatz

Rund um die Oranienstraße eröffnen Hotels mit mehreren hundert Betten - obwohl sich die Grünen in Kreuzberg gerade vorgenommen haben, den Bau neuer Bettenburgen zu verhindern.

Auch unter diesem Dach soll ein Hotel entstehen. Bild: DPA

Das Zentrum von Kreuzberg 36 wird deutlich touristischer. In direkter Nähe zur Oranienstraße sind zwei neue Hotels geplant. So soll in dem derzeit leerstehenden ehemaligen Kaufhaus am Oranienplatz voraussichtlich ein Hotel mit 50 Zimmern und rund 100 Betten entstehen. In der Nähe des Heinrichplatzes gibt es Planungen für ein weiteres Hotel mit möglicherweise mehreren hundert Betten.

Das Haus am O-Platz

Das fünfgeschossige Haus am Oranienplatz 17 wurde nach Angaben des Friedrichshain-Kreuzberg-Museums 1913 erbaut. Bauherr war der Kaufmann und Stadtverordnete Leopold Jacobi. In dem vom Architektenbüro Cremer & Wolffenstein errichteten Gebäude befanden sich im Laufe der Jahre Büros der AEG, des Zentralverbands der Angestellten und der "Berliner Privat Telefon Gesellschaft". Ab 1925 teilten sich das Hotel "Ahlbecker Hof" und die Kaufhauskette Clemens & August Brenninkmeyer - C&A - das Haus. 1956 zog C&A aus, das Gebäude wurde von der Cundra-Kleiderfabrik genutzt. Später befanden sich dort ein Möbelgeschäft, der Club "Trash" und ein Supermarkt. (taz)

Als Betreiber für eine Unterkunft in dem denkmalgeschützten Gebäude auf der Ostseite des Oranienplatzes firmiert Dietmar Müller-Elmau, der auch das 5-Sterne-Hotel Schloss Elmau in Bayern leitet. „Es soll kein Hostel und keine 5-Sterne-Unterkunft werden, sondern ein ganz normales Hotel“, sagt er der taz. Im Erdgeschoss seien ein großes Restaurant und eine Bar geplant. „Das wird etwas sein, das auch die Kreuzberger besuchen, auf das sie stolz sein können“, so seine Prognose. Noch sei das Projekt allerdings nicht endgültig beschlossen.

Die Baugenehmigung wurde aber bereits erteilt, wie Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) gegenüber der taz bestätigt – ebenso wie für einen Hotelneubau an der Ecke Mariannenstraße/Skalitzer Straße weiter östlich. Ursprünglich seien dort 700 Betten vorgesehen gewesen, so Julian Schwarze (Grüne), Vorsitzender des Bauausschusses im Bezirk. Die Pläne seien aber noch einmal überarbeitet worden. Über den aktuellen Stand wisse er jedoch nichts.

Derzeit befindet sich an dieser Ecke die Verkaufsfläche eines Autohauses. Auf die Frage, ob ein Hotel geplant sei, sagt dessen Inhaber: „Es gibt solche Gedanken.“ Er wolle sich dazu aber nicht öffentlich äußern.

Schon jetzt ist Friedrichshain-Kreuzberg bei Touristen beliebt: Bis Juli 2013 übernachteten fast zwei Millionen BesucherInnen im Bezirk. Nur in Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf waren es mehr. „Insgesamt hat sich in Friedrichshain-Kreuzberg seit 2000 die Bettenzahl um über 300 Prozent erhöht“, so Schwarze. Die Gegend um die Oranienstraße scheint für Investoren besonders attraktiv: Erst kürzlich eröffnete an der Manteuffelstraße ein „Vier Jahreszeiten“-Hotel.

Die Grünen sehen den Andrang mit gemischten Gefühlen. Schon 2011 hatten sie mit einer Veranstaltung unter dem Titel „Hilfe, die Touris kommen!“ bundesweit Aufsehen erregt. Und erst vor wenigen Wochen brachten sie in das Bezirksparlament den Antrag „Hotel- und Hostelflut stoppen“ ein. Darin fordern sie, dass Hostels und Hotels in Wohngebieten gar nicht mehr genehmigt werden. Auch in sogenannten Mischgebieten mit Gewerbe und Wohnungen sollten Genehmigungen möglichst erschwert werden.

„Die Entwicklung hin zu Ballermannvierteln“ müsse im Sinne der Kiezbewohner „eingedämmt werden“, heißt es in dem Papier der Fraktion, das derzeit in den Ausschüssen beraten wird. „Man darf nicht an dem Ast sägen, auf dem man sitzt“, warnt Schwarze. Schließlich kämen die Touristen genau wegen der Kiezstrukturen, die aber durch zu viele Hotels bedroht würden.

Die beiden neuen Hotels konnten die Grünen mit ihrem Antrag nicht mehr verhindern. „Wenn die planungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, kann man das nicht einfach verweigern“, sagt Stadtrat Panhoff. Um die Touristenströme besser steuern zu können, fordern die Grünen nun einen Hotelentwicklungsplan auf Landesebene. „Damit könnte eine übermäßige Konzentration von Bettenburgen verhindert werden“, so Schwarze.

Der Senat zeigt dafür wenig Interesse. Die für Tourismus zuständige CDU-geführte Senatsverwaltung für Wirtschaft verweist auf die Stadtentwicklungsverwaltung. Deren Sprecherin Daniela Augenstein sagt: „Wenn der politische Wunsch bestünde, Tourismus stärker zu lenken, könnte man Instrumente dafür prüfen.“ Die Zielsetzung und Fachkompetenz dafür müssten allerdings von Seiten der Wirtschaftsverwaltung kommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

12 Kommentare

 / 
  • So sind die Grünen:

     

    !. Sie reichen in der BVV einen Antrag ein gegen weitere Hotels und Hostels im Bezirk.

     

    2. Der Baustadtrat ihrer Partei, Herr Panhoff, genehmigt mit seiner Behörde, dass an den Kreuzberger Oranienplatz zwei neue Hotels hinkommen.

     

    Frage:

    Wer wundert sich ernsthaft darüber, dass die Grünen u.a. in Friedrichshain-Kreuzberg massiv WählerInnenstimmen verlieren?

     

    (Siehe die letzte Bundestagswahl).

  • WS
    WO sind se denn ?

    Offensichtlich sind Touris ja doch nicht das Schlimmste. Jedenfalls fehlt hier die so oft berichtete ("Ur-")Einwohnerempörung.

  • GG
    Ganz ganz böse Person

    Wenn es sich um ein "leerstehenden ehemaligen Kaufhaus" handelt, seh ich kein Problem damit,

     

    was anderes ist es wenn Mieter aus ihren Wohnungen geschmissen werden

  • Touris gerne - solange sie alt genug sind sowohl mit Alkohol als auch ihrer Umwelt vernünftig umzugehen (also besser als viele Kiezbewohner)

     

    BTW Panhoff sagt, man kann's nicht mehr verhindern. Das sagt er doch eigentlich immer.

  • Es werden deshalb soviele Hotels/Hostels genehmigt, weil Berlin jede Einnahmequelle braucht, die es nur kriegen kann.

    Berlin sollte lieber mehr "richtige" Industrie bekommen, davon hat auch die einheimische Bevölkerung was.

    • N
      Nico.Thien
      @vøid:

      Berlin hat doch schon Produktionsstätten wie die von Bahlsen, Gilette, Storck, ....

  • A
    andybln

    Die Welt zu Gast bei Freunden! - Jetzt nun doch nicht? Menno, ich dachte Kreuzberger wären interkulturell und tolerant.Schade, wenn die Kultur doch platter ist, als gedacht. ;.)

  • S
    Suse

    Berlin: die ganze Stadt ist ein Hotel, Touristen kommen um Touristen zu besichtigen...

  • B
    Beobachter

    ich habe mal drei Worte veraendert:

    "Die Anwohner sehen den Andrang mit gemischten Gefühlen. Schon 2011 hatten sie mit einer Veranstaltung unter dem Titel „Hilfe, die Asylanten kommen!“ bundesweit Aufsehen erregt. Und erst vor wenigen Wochen brachten sie in das Bezirksparlament den Antrag „Hostelflut stoppen“ ein. Darin fordern sie, dass Hostels in Wohngebieten gar nicht mehr genehmigt werden. Auch in sogenannten Mischgebieten mit Gewerbe und Wohnungen sollten Genehmigungen möglichst erschwert werden. Die Entwicklung hin zu Kriminellenvierteln“ müsse im Sinne der Kiezbewohner „eingedämmt werden“, heißt es in dem Papier der Fraktion, das derzeit in den Ausschüssen beraten wird. "

     

    Koennte so doch in einer NPD-Zeitung stehen, oder?

    • @Beobachter:

      Kein sehr guter Vergleich. Dass die "Anti-Touristenkampagne" etwas zwiespältig ist, will ich mal zugestehen. Dennoch sind wohl dem "Beobachter" einige Details entgangen: Der Bezirk Kreuzberg ist bei Touristen tatsächlich beliebt. Das liegt wohl am "Kiez-Charme". Das Berlin Tourismus braucht, ist nicht abzustreiten. Der Senat und speziell SPD und CDU erforschen aber seit Jahrzehnten nicht, weshalb Berlin bei Touristen beliebt ist? Kleiner Tip: Die teuer subventionierten Opernhäuser sind es wohl eher nicht, oder? Es kann auch wohl kaum im Sinne der Hotel/Hostel-Betreiber sein, dass Berlin auf Dauer durch das Vernichten der beliebten Kieze, für die Touristen, die man heute umwirbt, unattraktiv wird. Heute kommen die Touristen um Kreuzberg zu sehen und zu erleben, aber morgen werden sie nur noch ein Hostel- und Hotelviertel erleben können...das ist das Problem.

  • WW
    Widerstand wächst

    In letzter Zeit sieht man in SO36 immer mehr eingeschmissene Scheiben in gerade frisch bezogenem neu gebautem Gewerbe. Offenbar greifen einige schon jetzt wieder zu Pflastersteinen.

  • M
    marcellouz

    goodbye berlin...

     

    http://90erberlin.tumblr.com