: stimmen zu balthus
„Eine Lichtgestalt“
„Frankreich hat einen Künstler verloren, der die zeitgenössische Kunst tief geprägt hat“, ließ Ministerpräsident Lionel Jospin gestern in seiner Beileidsbekundung verlautbaren. „Als Zeuge und Akteur einer europäischen Geschichte, in der die Kultur keine Grenzen kennt, zeigte er über das ganze 20. Jahrhundert hinaus wahre Unabhängigkeit und verwahrte sich dagegen, einer Schule anzugehören. Er bevorzugte einen Nischenplatz im künstlerischen Universum.“
Schon 1936 hatte Antonin Artaud im Werk des Meisters eine „Erdebebenmalerei“ gesehen, „die nach der Pest roch, nach Unwetter und Epidemien“. Wie Artaud meinte, akzeptierte Balthus die „Gegebenheiten der Sinne, und er billigte die der Vernunft; er erkannte sie an, aber er refomierte sie. Ich würde besser sagen, er begründete sie neu.
„Zurückgezogen und diskret, zurückgezogen und verschiegen“ so der Schriftsteller und Biograf von Balthus, Claude Roy, 1996. Der Dichter René Char schrieb: „Sein Werk ist Sprache im Tresor des Schweigens.“
Und er fuhr fort: „Wir alle sehnen uns nach der Zärtlichkeit der morgendlichen Wespe, die die Drohnen mit dem Namen des jungen Mädchen bezeichnen, das den Schlüssel zu Balthus in seiner Korsage bewahrt.“
David Bowie, 1994 im Interview mit Balthus für die Zeitschrift Modern Painters: „Für mich ist es, als wären die jugendlichen Personen in Ihren Gemälden in zwei verschiedenen Welten angesiedelt. Es gibt die Welt, in der man Kind ist, und, sehr bedingt, die Welt der Erwachsenen. Sie befinden sich in einer Art Zwischenraum, vor allem dann, wenn Sie sich selbst betrachten – in einem Spiegel?“
Der Direktor des Musée Picasso und ehemalige Biennale-Chef in Venedig, Jean Clair, erklärt, dass das Werk des Malers sich dem Gemeinen verweigert, so wie er es von Rainer Maria Rilke gelernt hat: „Balthus kehrt jenen Künstlern unserer Epoche den Rücken, die unter dem Vorwand, ihre Einzigartigkeit auszudrücken, in Wahrheit doch nur das menschliche Wesen nach unten ziehen und es zurück in Urschlamm werfen.“
Pierre Klossowski, Künstler, Philosoph und Bruder von Balthus: „Das Werk von Balthus offenbarte sich sofort. Unabhängig von seinem Talent und seinem Genie ist er eine wirkliche Persönlichkeit. Ich erinnere mich, dass André Gide von ihm sagte: ‚Balthus ist eine Lichtgestalt!‘ “
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